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Gleich viel Recht für gleich viel Liebe |
Samstag, 5. Juli 2008 | |
Bei Gleichberechtigung heißt es für Lesben und Schwule: bitte warten! Zum ersten Mal in der Grazer Geschichte war am 28. Juni, dem „Christopher Street Day“ (CSD), das Grazer Rathaus mit Regenbogenfahnen geschmückt. Die „Rosalila PantherInnen“ luden zum internationalen schwullesbischen Fest-, Gedenk- und Demonstra- tionstag auf den Grazer Hauptplatz: Alle Initiativen waren präsent, zahlreiche Heteros nutzen die Gelegenheit, zu sehen, „was die so alles machen“. Und vor allem viele Lesben und Schwule nutzten den Tag, um Selbstbewusstsein zu tanken. Denn so viele Händchen haltende gleichgeschlechtliche Paare sah man in der Grazer Innenstadt noch nie. „Der CSD soll nun in Graz jedes Jahr gefeiert werden“, freute sich Vizebürgermeisterin Lisa Rücker: „Das ist ein wesentlicher Schritt in Richtung Sichtbarkeit. Die Leute sollen sehen: Wir sind ja Menschen, wie Du und Ich!“ Die Gelegenheit zu einem Plausch mit den „Politschwestern“, wie engagierte Lesben und Schwule in der Szene genannt werden, nutzen auch SPÖ-Kubobobmann Karl Heinz Herper und ÖVP-Landtagsklubchef Christopher Drexler. Und die grüne Gemeinderätin Daniele Grabe und KPÖ-Gemeinderat Herbert Wippel beteiligten sich selbst eifrig an der schwullesbischen Infozeltstadt. Forderungen. Seit 1991 kämpfen die „PantherInnen“ um „Gleich viel Recht für gleich viel Liebe“: „Wir brauchen mehr Aufklärung in Schule und Jugendarbeit zum Thema Homosexualität, damit dumme Vorurteile abgebaut werden können und sich junge Schwule und Lesben bei ihrem Coming Out leichter tun“, so Patrick Antal, PantherInnen-Vorstand und Chef der Jugendgruppe „aqueerium“. Und Martin Gössl ergänzt: „Was noch fehlt ist ein wirksamer Diskriminierungsschutz in allen Bereichen und natürlich ein Partnerschaftsgesetz für gleichgeschlechtliche Paare!“ Letzter Punkt sollte eigentlich schon längst erledigt sein. Trat doch am 1. Oktober 2007 Josef Pröll als Leiter der ÖVP-Perspektivengruppe vor die Kameras und verkündete feierlich: „Wir können auch in der Frage der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften eine Antwort geben, die für eine christliche Partei nicht einfach ist. Wir schlagen die eingetragene Partnerschaft beim Standesamt vor – aber ohne Adoptionsmöglichkeit. Dieser Vorschlag beseitigt Diskriminierung, schützt die Kinder und bewahrt die Ehe!“ Und Parteichef Willi Molterer sprach von einem „Umsetzungsauftrag“. Doch Papier ist geduldig und Perspektivenpapiere sind dies erst recht. Schweizer Modell. Die ÖVP-Perspektive: Ein Partnerschaftsrecht wie in der Schweiz, geschlossen vor dem Standesamt hätten Lesben und Schwule gleiche Rechte und Pflichten wie Ehepaare. Ausnahme: Gemeinsame Adoption von Kindern bzw. die Adoption des Kindes der Partnerin bzw. des Partners (Lesben und Schwule haben wesentlich öfter Kinder als man denkt) sollte nicht möglich sein. Und auch die medizinisch unterstützte künstliche Befruchtung solle verschiedengeschlechtlichen Paaren vorbehalten bleiben. Darauf legte Justizministerin Maria Berger (SPÖ) einen entsprechenden Gesetzesentwurf vor und im Familienministerium tagte einer Arbeitsgruppe aus BeamtIn- nen praktisch aller Ressorts, Familienverbänden und schwullesbischen Initiativen. Auf Basis dieser Beratungen schickte Berger im April ihren Entwurf in die offizielle Begutachtung. Eiertanz. Die vorgeschlagene „Lebenspartnerschaft“ soll bei dem Amt geschlossen werden, welches in Österreich für alle Personenstandsangelegenheiten zuständig ist: dem Standesamt. Doch in der ÖVP gibt es da Ängste: Der nunmehrige Tiroler Landeshauptmann Günther Platter will „keine Zeremonie mit Pauken und Trompeten“ und eine Partnerschaftsschließung dürfe nur ein „Aktenvorgang“ sein. Und Michael Spindelegger, Zweiter Nationalratspräsident, warnt vor Begegnung: „Es ist ja so, dass am Standesamt zur schönen Jahreszeit besonders gerne geheiratet wird – das führt automatisch zum Kontakt zwischen heterosexuellen und homosexuellen Paaren. Ob das so gut ist, sei dahingestellt.“ Christopher Dexler, Klubobmann im Steiermärkischen Landtag, nervt diese Debatte: „Ich bin es eigentlich leid, noch über eine Sache diskutieren zu müssen, die für die Bevölkerung längst gegessen ist: Es soll eine eingetragene Partnerschaft kommen, das ist keine Ehe, und wo wenn nicht auf dem Standesamt soll sie geschlossen werden? Oder soll das Salzamt dafür zuständig sein?“ Unvollständig. Für Berger liefert der Entwurf „die notwendigen Grundlagen für die Anpassung weiterer Rechtsbereiche“. Denn geregelt ist nur Zivil- und Strafrecht. Es fehlt das gesamte Sozial-versicherungsrecht (z.B. Hinterbliebenenpension), Arbeitsrecht (z.B. Arbeitslosenversicherung) oder das Fremdenrecht (z.B. Aufenthaltserlaubnis für Part-nerInnen). Deshalb sind sich die Lesben- und Schwulenverbände einig: Das Gesetz kann erst beurteilt werden, wenn alle Rechten und Pflichten als Gesamtpaket auf dem Tisch liegen. Eine Haltung, die auch die Wirtschaftskammer oder die Länder Niederösterreich und Kärnten vertreten. Die Kirchen. Prinzipiell dagegen ist die Katholische Kirche, weil nach der katholischen Morallehre Homosexuelle zur Keuschheit gerufen sind: „Eine Lebenspartnerschaft, welche durch die ausdrückliche Einführung einer Treuepflicht die Sexualpartnerschaft der gleichgeschlechtlichen Lebenspartner voraussetzt, muss daher seitens der Katholischen Kirche mit aller Entschiedenheit abgelehnt werden“, teilte die Bischofskonferenz mit. Dagegen hält die Evangelische Kirche das neue Rechtsinstitut für „sachlich gut begründet“, wenn ein gewisser Abstand zur Ehe eingehalten wird. Und die Altkatholiken stehen dem Entwurf prinzipiell positiv gegenüber, da sie „verantwortlich gelebte und auf Dauer angelegte homosexuelle Partnerschaften als sittlich wertvoll“ anerkennt. Die Länder. „Wir haben wie angekündigt eine negative Stellungnahme verfasst“, erklärte der Vorarlberger ÖVP-Landeshauptmann Herbert Sausgruber, der eine Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe nicht will. Allen anderen Bundesländern ging es um Fragen aus der Praxis. So verlangten Tirol und die Steiermark nach einer klaren Regelung, ob LebenspartnerInnen als Pflegeeltern in Betracht kommen. Wien betonte die Notwendigkeit der Einbeziehung des Fremdenrechts. Salzburg plädierte für eine Generalklausel, die „die gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften im gesamten Bereich des Bundesrechts gleichstellt“. Interessensvertretungen. Bergers Initiative wurde, teilweise mit konkreten Anregungen, von der Mietervereinigung, dem ÖGB, der Bundesarbeitskammer oder dem SPÖ-dominierten Städtebund begrüßt. Eine politisch motivierte Ablehnung „aus grundsätzlichen Erwägungen“ kam vom ÖVP-dominierten Gemeindebund. Prinzipiell positiv, auch was das Standesamt betrifft, äußerten sich die JuristIn- nen: die Richter in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, der Österreichische Rechtsanwaltskammertag, die Notariatskammer und der Oberste Gerichtshof. Die Ministerien. Die SPÖ-geführten Ressorts sagten zu, den vorliegenden Entwurf durch Gesetzesänderungen in ihren Bereich zu ergänzen, damit der Nationalrat ein vollständiges Paket beschließen kann. Die ÖVP-Ministerien gaben am 16. Juni, dem letzten Tag der Begutachtungsfrist praktisch wortidente Stellungnahmen ab: Der Entwurf sei grundlegend zu überarbeiten, um den Eindruck zu vermeiden, bei der Lebenspartnerschaft handle es sich um eine andere bzw. besondere Form der Ehe. Eine öffentliche Protokollierung der Willenserklärungen der beiden PartnerInnen habe nicht am Standesamt, sondern vor den Bezirksverwaltungsbehörden oder Bezirksgerichten zu erfolgen und zwar ohne „Ja-Wort“, ohne Zeugen und ohne Annahme eines gemeinsamen Namens. Auf Basis dieser Grundlage wird im Juli mit der ÖVP im Justizministerium verhandelt. Dabei hätte das gesamte Familienrechtspaket schon im Juni grünes Licht im Ministerrat erhalten sollen. Doch mit Einigungen steht es in der Bundesregierung bekanntlich schlecht. Die Vorlage eines Gesamtpakets für gleichgeschlechtliche Paare ist damit wohl kaum zu erwarten. Und wieder einmal zieht ein Sommer vorüber, ohne dass etwas passiert. Für Lesben und Schwule heißt es wieder: bitte warten… Hans-Peter Weingand
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