Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
ROBIN HUT - Briefe aus Absurdistan
Samstag, 5. Juli 2008
31. Brief: Juli 2008

Hallo, alter Freund!

„Beinahe übel“ schreibst du, sei dir beim Lesen meines letzten Briefes geworden und dass du schön langsam die Hoffnung verlierst, auf deine alten Tage in ein ruhiges, geordnetes Europa zurückkehren zu können, wenn deine Arbeitsjahre in Afrika vorüber sein werden. Zumindst wird es aus heutiger Sicht ein anderes Europa sein, als du in den 80ern verlassen hast, denke ich mir. Derzeit schaut es nach einem Europa des ungezügelten Kapitalismus aus, mit immer weniger Sicherheitsnetzen für all jene, die sich nicht selbst eines aus harter Währung spannen können.

Folgerichtig zerreisst es jetzt gerade die österreichische Sozialdemokratie, lustigerweise geht der Riss zurzeit gerade zwischen dem SPÖ-Bundeskanzler Gusenbauer und seiner Partei auf. Der hat nämlich seine Parteifunktion als Vorsitzender aufgeben müssen, womit Österreich erstmals über einen „wilden Bundeskanzler“ verfügt. Böse Zungen behaupten ja, Gusenbauer folge damit dem Beispiel Haiders, der ja seine FPÖ auch als „einfaches Parteimitglied“ in den Abgrund geführt hat.
Trotzdem sehe ich die Situation differenzierter als die meisten bürgerlichen Medien, welche die Gelegenheit natürlich zum Gusenbauer- und SPÖ-Bashing nutzen. Vordergründig hat Gusenbauer ja nichts Böses getan: Zuerst hat er aus der prognostizierten Niederlage der SPÖ nach dem BAWAG-Skandal einen Wahlsieg gemacht und sich selbst in weiterer Folge zum Bundeskanzler. Erst dann zieht sich der Gusenbauersche Kardinalfehler wie ein roter Faden durch sein Handeln. Während rundherum die Welt der „Normalbürger“ zerbröselt, hat Gusenbauer regiert. Pragmatisch im Rahmen des Machbaren sogar versucht, soziale Bedürnisse nicht außer Acht zu lassen. Übersehen hat er dabei nur, dass die Rahmenbedingungen des Machbaren zuvor von einer schwarz-blauen Regierung festgelegt wurden und er dafür gewählt wurde, deren soziale Schieflagen wieder ins Lot zu bringen. Dass starker Bedarf an zeitgemäßen sozialen Visionen besteht und nicht an linkem Barolo-Pragmatismus.
Dass die Sozialdemokratie jetzt auf einem erfolgreicheren Kurs ist, wenn sie mit neuer Parteispitze panisch eine Politik nach Umfragen macht, darf bezweifelt werden. Immerhin stellt sie gerade ihre Position als EU-Befürworterin in Frage, wird wohl Zeit, dass die Internationale offiziell zu Grabe getragen wird. Der global vernetzten Wirtschaft jedenfalls wird’s Freude machen, wenn sich ihre Gegenspieler selber auf Regionalliganiveau reduzieren. In diesem Sinn: Schaut nicht gut aus, für deine Heimkehr in ein sozial geordnetes Österreich, aber du hast ja Erfahrung im täglichen Überlebenskampf, wahrscheinlich brauchen wir bis dahin dann deine diesbezügliche Entwicklungshilfe, was dem Leben ja auch Sinn verleihen kann.

Es grüßt, dein Robin Hut

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