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Samstag, 5. Juli 2008 | |
Kopfzeile - von Martin Novak Gelegentlich lässt sich ein Spitzenpolitiker beim Sudern erwischen. Nicht nur der amtierende österreichische Bundekanzler, sondern auch der (künftige) erste farbige und vielleicht letzte männliche – zumindest die Anhänger von Hillary Clinton trösten sich damit – Präsident der Vereinigten Staaten. Ersterer, das wissen wir, wurde von einem ORF-Mikrofon samt dem zugehörigen Journalisten bei einer abschätzigen Bemerkung über die Donawitzer Funktionäre seiner Partei belauscht. Barack Obama beschimpfte ebenfalls eine Kernzielgruppe der eigenen Partei, die frustrierten Arbeiter von Pennsylvania, die Waffen, der Religion oder ihrer Abneigung gegen alle Menschen huldigen, die anders sind als sie. Allerdings, und das ist der Unterschied zu Gusenbauer, nicht vor deklarierten Medienvertretern mit einem roten Häubchen auf dem Mikro, sondern bei einer für Journalisten gesperrten, privaten Wahlkampfveranstaltung für 300 auserwählte Spender. Damit kommen wir zum Thema: Keine Journalistin, kein Journalist hatte sich eingeschlichen, zumindest keiner, der nach österreichischen Kriterien einen Presseausweis bekommen würde. Aber Mayhill Fowler war da. Die 61-Jährige entpuppte sich als so etwas wie das Gegenteil von Günter Walraff, keine Journalistin, die in Rollen schlüpft, um Skandale aufzudecken, sondern eine Privatperson, die in die Rolle einer Journalistin schlüpfte, um einen der wenigen Fehler zu dokumentieren, die sich Obama im Vorwahlkampf leistete. Geschrieben hatte sie zwar zeitlebens, veröffentlicht aber nie. Auch kein Geld mit dem Schreiben verdiente, was eine gute Nachricht für alle Medieneigentümer ist, die unter den hohen Kosten stöhnen, die qualifiziertes journalistisches Personal verursacht. Eine „Bürgerjournalistin“, landläufig als Leserreporterin bezeichnet, schaffte den „Scoop“ der ersten Phase des US-Wahlkampfs. Eine schlechte Nachricht für Medienunternehmer gibt es auch: Veröffentlichen durfte die „Amateur-Journalistin“ (The Guardian) ihren Obama-Skandal in einer Nicht-Zeitung: Die „Huffington Post“ und deren Bürgerjournalismus-Projekt „Off the bus“ existiert ohne sonderliche kommerzielle Ansprüche nur im Internet. Das wäre nun Wasser auf die Mühlen aller Medienmacher, die dem Bürgerjournalismus huldigen: Der Leserreporter berichtet nicht nur über Schwammerl-funde oder schickt Fotos, auf denen er gemeinsam mit Hans Krankl posiert. Er macht richtige Schlagzeilen, stiehlt CNN, der New York Times und der Washington Post die Show. Er tut es aber unter der Vorspiegelung falscher Tatsachen. Er agiert wie eine geheime Überwachungskamera bei Lidl, die jedesmal in den Aufnahmemodus wechselt, wenn eine Kassierin in der Nase bohrt. Halt, nicht jedesmal: Mayhill Fowler konnte sich vier Tage nicht zur Veröffentlichung des Gehörten entschließen – erst dann entschied sich die Obama-Unterstützerin „ihre journalistische Pflicht“ zu erfüllen. Ironie des Schicksals: Auch eine zweite Sensationsnachricht hat die Huffpost Fowler zu verdanken. Bill Clinton bezeichnete vor ihren Ohren einen „Vanity Fair“-Schreiber, der Böses über Hillary geschrieben hatte, als heruntergekommenen, schleimigen Drecksack. Wieder mussten die Top-Medien der Amateurin nachhecheln. „Natürlich hatte er (Clinton) keine Ahnung, dass ich eine Journalistin bin“, erzählte Fowler freimütig der Los Angeles Times. Ist sie ja auch nicht. Sie ist nur überall, wo Journalisten nicht sein dürfen.
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