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Shared Space, im Kopf und auf der Straße |
Sonntag, 8. Juni 2008 | |
Kreative, Stadt, Entwicklung (2) Im Lendwirbel war was los vom Kunsthaus bis Lendplatz: Spaß ganz ohne Hupfburg. Eine wunderbare Ausstellung junger Künstlerinnen ganz ohne PR-Maschine und Hochglanz-Flyer-Eitelkeit. Plaudern, flirten bis in die Morgenstunden ganz ohne Komasaufen. Das beste Stadtfest der letzten Jahre, wie es Österreichs bekannteste Stadtzeitung formulierte und gelebte Urbanität im öffentlichen Raum wie sie auch sein kann. Von und für Kreative, die Stadt bewohnen, beleben und bearbeiten. Also alles eitel Wonne und die Stadt jenseits der Mur fertig gebaut? Eine lokale Szene zur Entwicklung ihres Stadtteils beauftragt ohne einen Auftrag zu haben? Aber warum gibt die Stadt dann Millionen für Citymanagements und sonstige Initiativen mit viel Zeit aus, deren Ergebnisse konstant bescheidener ausfallen als das ganze Brimborium zuvor? Das internationale Symposium mit dem Titel „Lokal Heroes“ zeigte andere Strategien für Kreative, Stadt, Entwicklung. Hilfreich schon der Einstieg: Bastian Lange enlarvte Mythen der Kreativwirtschaft vom Prekariat dieser Arbeitswelt bis zur trügerischen Hoffnung auf Lösung aller wirtschaftlichen Probleme. Er wies die kleinteilige changierende Struktur dieser Wissensarbeit und Nahversorgungsökonomie nach, welche sich logischerweise bürokratischen Zugriffen von oben widersetzt. Ein mehr als einfacher Grund, warum die offiziösen Entwicklungsversuche um Annenstrasse, Griesplatz und Stadtmarketing nie am Boden des urbanen Lebens angekommen sind. Die Sparten der Stadtverwaltung von Kultur über Wirtschaftsförderung bis zu Stadtplanung ohne strukturelle Querverbindung tun den Rest. Vorzeigeprojekte woanders zeigen dagegen das Betreuen entlang von Themen: Matthias Bürgin vom nt/Areal in Basel berichtete über die Belebung dieses Güterbahnhof- areals durch Künstlerwerkstätten, Restaurants und Trendsportanlagen. Als Zwischennutzung praktiziert wurde der öffentliche Raum Träger des kollektiven Gedächtnisses und Verbindung mit den umgebenden Stadtteilen. Ein nahes Best-Practice ist Wien: Die Stadt vergibt dort die Betreuung von Grätzeln nach Zielen und Themen an Teams vor Ort. Die Gebietsbetreuungen sind Drehscheibe zwischen Bevölkerung, Politik, Verwaltung, der Wirtschaft und den Kreativen. Sie dienen als Navigatoren oder als Durchsetzer von Maßnahmen im öffentlichen Interesse. Das ist Entwicklung von öffentlichem Raum oder Mediation in problematischen Siedlungen oder, warum nicht, Unterstützung von engagierten Bauträgern. Das Beispiel um Brunnenmarkt und Yppenplatz gab Aufschluss über das bewährte Modell. Ottakring, mit MigrantInnen sowie Kreativanteil dem Lend und Gries durchaus vergleichbar, hat nicht nur das Kunstfestival „Soho in Ottakring“ seit nunmehr 10 Jahren, sondern auch sonst etliches im Sinne sanfter Stadtteilentwicklung zu bieten. Dass Architekt Kurt Smetana, der Leiter der Gebietsbetreuung, in den 70ern Hausbesetzer am Spittelberg war, zeigt die Praxis gleicher Augenhöhe. Mit urbaner Haltung dieser Art tritt man den Menschen wohl anders gegenüber, denn als Bürokrat mit Hauptwohnsitz in der Umlandgemeinde. Da kann man sich freuen, was das neue Grazer Regierungsprogramm ankündigt: Offensive Stadtteilentwicklungspolitik, Quartiers-aufwertung, Verbesserungen des öffentlichen Raums in grün-schwarz. Doch was wird das in der Realität in Graz bedeuten? Ein Schicksal der Top-Down-Projekte, die das Speichervolumen des städtischen Servers auf die Probe stellen? Das grüne Netzwerk, einst in Graz-West initiiert und seit Jahren in Unterausschüssen verwaltet? Das „Grazer Modell“ einer Gebietsbetreuung als Stadtteilmanagement, vom Verfasser schon vor Jahren vorgestellt und seither freundlich ignoriert? Da wird es in den Köpfen wohl etwas „Shared Space“ brauchen. Und wär das nicht leicht? Im Lendviertel zwischen den neuen Läden und Designbüros? Ideal auf den wenig befahrenen Straßen um die Stockergasse? Als Stück neu gelebten öffentlichen Raumes? Einen vitalen, pulsierenden, urbanen Freiraum ermöglichen? Warum nicht einfach beginnen mit dem ersten Shared Space auf der Straße als Übung für alle Beteiligten? Und dem Test einer Gebietsbetreuung als Shared Space im Kopf? Architekt DI Harald Saiko Geboren und aufgewachsen in Graz, Architekturstudium in Graz und Paris, Gründer von SAIKO.CC – Büro für Architektur. Stadt. Kultur in Graz und Wien. Seit 2007 Expansion nach Osteuropa mit einer Bürofiliale in Timisoara / Rumänien. Neben Architekturprojekten verantwortliche Mitarbeit bei Stadtentwicklung Graz-West, Natur-Erlebnis-Park Plabutsch oder Stadtteilentwicklung Messequadrant. Lehraufträge, Forschung, eigene Publikationen und Vortragstätigkeit. Verantwortliche Funktionen in Architekturinstitutionen und Kulturpolitik. Mara Verlic (Assistenz und Recherche), Geboren und aufgewachsen in Graz. Angehende Soziologin und sowohl in den Bereichen Kunst und Kultur als auch in der Stadtsoziologie in Graz tätig.
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