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Fußball: Zu hart für Schwule?
Sonntag, 8. Juni 2008
Stuhlpfarrers Aufwärtshaken

Michael Konsel, ehemaliger Team-Tormann und Italien-Legionär, sorgte für den unrühmlichen Höhepunkt der diesjährigen Life-Ball-Liveübertragung des ORF: Auf die Frage, warum es keine schwulen Fußballer gebe (die Frage beruht auf einer unrichtigen Feststellung, kein Zweifel), antwortete er wenig geistreich: „Wahrscheinlich ist der Sport zu hart für sie.“

Damit bediente sich Konsel eines von vielen Stereotypen gegenüber Homosexuellen, die sich speziell im Fußball hartnäckig an der Oberfläche halten: Homosexualität und Fußball haben rein gar nichts miteinander zu tun, lautet die Devise, die jeder/-e Anhänger/-in Wochenende für Wochenende auf den Fußballplätzen von der Gebietsliga bis zur höchsten Spielklasse präsentiert bekommt: Auswärtsmannschaften und Schiedsrichter werden mit dem Prädikat „schwul“, verhasste Spieler als „Warme“ bezeichnet. „Schwul“ zu sein ist ohne Zweifel das Allerletzte auf dem Fußballplatz, dem offenbar einzig verbliebenen Reservat der reinen Heterosexualität.
Statistisch gesehen sind zumindest 5% der Bevölkerung homosexuell – kein Zweifel also, dass es auch unter den 500 in Österreich tätigen Profifußballern  Homosexuelle gibt. Offen redet darüber keiner und gerade der Umstand, dass es in der Geschichte des modernen Fußballs erst einen einzigen Ballesterer gab, der auch offen zu seiner Homosexualität gestanden ist, passt nur zu gut ins Bild. Im Oktober 1990 titelt die englische Sun mit dem Satz „I am gay“ – der schwarze Fußballprofi Justin Fashanu lieferte die Schlagzeile dazu. In den 1980er Jahren hatte Fashanu eine steile Karriere zu verzeichnen – er war der erste farbige Spieler, für den eine Ablöse von über einer Million Pfund bezahlt wurde. Später, Mitte der 80er, kickte Fashanu unter anderem bei Nottingham und genau dort bekam er das erste Mal Probleme. Ausschlaggebend dafür war jedoch keineswegs seine Leistung am Platz, sondern vielmehr seine sexuelle Orientierung abseits davon. Sein Coach Brian Clough hatte ihn suspendiert, nachdem er von dieser Wind bekommen hatte. Nach einem Jahrzehnt im Profibereich hatte Fashanu aber endgültig genug von den ewigen Ausflüchten, vom Tarnen und Täuschen. Er macht sein Schwul-Sein öffentlich und erzählte alles der Sun. Danach folgten turbulente Jahre in den USA, ehe er 1993 zurückkehrte und beim schottischen Verein Heart of Midlothian anheuerte. Dessen Fans zeigten sich wenig begeistert und schäumten in lokalen Leserbriefspalten. Fashanu gibt sich anfangs unbeeindruckt, er merkt, dass ihn sein Outing auch abseits des Fußballs interessant, gleichzeitig aber auch angreifbar gemacht hat. Im Endeffekt hatte es zur Folge, dass nicht mehr der Fußball sein Leben bestimmte, das schlussendlich ein tragisches Ende für ihn reserviert hatte. Er, der Einzige, der es je gewagt hatte sein Schwul-Sein öffentlich zu machen, erhängte sich im Mai 1998 in einer Garage in London.
Bis heute hat sich nichts Substantielles geändert. Gerade unter Fußballern ist Homosexualität noch immer ein Thema, mit dem man(n) sich sehr eindimensional auseinander setzt; und wenn, dann allenfalls in abschätziger Weise. Der vormalige GAK-Spieler Toni Ehmann bezeichnete Team-Oldie Ivica Vastic im Jahr 2004 indirekt als „Warmen“; der ehemalige österreichische Teamchef Otto Baric gewährte Interessierten als auch Uninteressierten im Vorfeld der EM 2004 Einblick in seine sonderbare Gedankenwelt: „Ich weiß dass es in meiner Mannschaft keine Homosexuellen gibt. Ich erkenne einen Schwulen innerhalb von zehn Minuten und ich möchte sie nicht in meinem Team haben“, ließ der damalige Kroatien-Coach die Tageszeitung Jutarnji List wissen.
Im Gegensatz zu anderen Arbeitsfeldern ist es aber gerade der Fußball, der eine besondere körperliche Nähe mit einschließt. Nach einem Torerfolg bilden Fußballer orgiastisch anmutende Menschenberge. Fußball lebt von Körperlichkeit, anders als Volleyball oder Tennis. Der Ort als auch der Zeitpunkt dieser Körperlichkeit, erscheint allerdings beschränkt. Denn eines ist klar: Dieser positive Umgang mit Körperlichkeit darf nur am Fußballplatz während der 90 Minuten Spielzeit Platz greifen. Sobald ein Mann den Körperkontakt zu einem anderen Mann außerhalb des Fußballfeldes und abseits der Spielzeit forciert, ist eine Tolerierung seitens des Fußballbetriebs (mit allem was dazugehört) ausgeschlossen. In diesem Fall ist er wieder „der Warme“.
Dass das Beispiel Justin Fashanu nach wie vor von abschreckender Wirkung für schwule Kicker rund um den Weltball ist, bestätigt auch Corny Littmann, Theaterintendant aus Hamburg und so nebenbei Präsident des linken Kultklubs St. Pauli: „Sie wissen alle, dass sie sich nicht mehr auf ihren Beruf konzentrieren könnten, würden sie sich outen.“ Die Schmähungen durch die Boulevardmedien und die Fans gegnerischer Mannschaften im Stadion wäre ohne Zweifel unerträglich – und trotzdem zeigt sich am Beispiel der Politik, dass ein Paradigmenwechsel oft schneller vonstatten geht, als vermutet. Bis sich der regierende Oberbürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, dazu entschied, seine Homosexualität offen zu thematisieren, glaubten auch die Wenigsten, dass sich die Verhältnisse diesbezüglich (schnell) ändern würden. Vielleicht ändern sich auch im Fußball die Verhältnisse schneller, als man(n) vermuten möchte, vielleicht folgen einem sehr schnell viele andere und vielleicht könnten genau die, die von der Gegenseite mit dem Etikett „schwul“ bedacht werden und genau aus diesem Grund Zielscheibe homophober Anfeindungen werden, mit einem außergewöhnlichen Support der eigenen Fans rechnen – Anfeindungen von außen führen notgedrungen zu Solidarität nach innen.
Michael Konsel konnte einem übrigens Leid tun. Knöcheltief im Fettnäpfchen stand er nach seiner Aussage alleingelassen am Catwalk des Life-Ball auf dem Wiener Rathausplatz. Andererseits erzeugte sein Anblick auch Schadenfreude: Ausgerechnet während einer Live-Übertragung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die den „doch so freisinnigen“ Life-Ball in das Wohnzimmer zu transportieren gedachte, unterlief Konsel dieser Fauxpas. In erster Linie natürlich ein Armutszeugnis für Konsel, aber auch für den Veranstalter, im Endeffekt aber nichts anderes, als ein Indikator für die vorurteilsbehaftete, antiquierte und homophobe Sichtweise im Fußball.

Gregor Immanuel Stuhlpfarrer, Mag. phil., studierte Geschichte, Theologie und Soziologie in Graz und Zagreb. Für den Balkan hat er ein Faible, für Manner-Schnitten eine Schwäche und dem Tatort im ORF schenkt er Sonntag für Sonntag seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Sein besonderes Interesse gilt der Politik, der Musik und dem runden Leder. Veröffentlichungen (Auswahl): Der Standard, Wiener Zeitung, Die Furche.
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