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ROBIN HUT - Briefe aus Absurdistan |
Freitag, 6. Juni 2008 | |
30. Brief: Juni 2008 Hallo, alter Freund! Die Zeiten werden härter bei dir am schwarzen Kontinent, schreibst du mir in deinem letzten Brief. Denn Hunger meint dort nicht die Zeit bis zur Mittagspause oder zum nächsten Fastfood, sondern Tag für Tag den Tod Tausender. Seuchen wie die Pest, die in Europa längst vergessen sind, raffen Tausende weg und Kriege sind so normal, dass sie bei uns auf Kurzmeldungen reduziert werden. Ich kann dir darauf nur antworten, weiß ich. Oder meintest du, ich glaube, Tag für Tag machen sich Hunderte Familien verzweifelt mit kleinen Booten über das ganze Mittelmeer auf den Weg, weil sie nichts Besseres zu tun haben? Ich kann dir berichten, auch die schaffen es bei uns nur noch selten in die Nachrichten. Denn nach der relativ beschaulichen zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts kommt auch hier bei uns zunehmend Bewegung ins Geschehen: So richtig bildlich natürlich durch den Klimawandel. Die ersten Hitzetage mit knapp 34 Grad und taubeneigroßen Hagelkörnern Ende Mai, die ersten Sorgen um den Grundwasserspiegel diesmal schon im Februar. Und was die Bewegung betrifft, jedes Jahr heftigere Stürme. Dass dafür die vielen Autos, die Industrie und die Heizungen verantwortlich sind, ist mittlerweile klar, also streitet man trefflich drum, wer a bisserl mehr oder a bisserl weniger schuld ist, so lang muss man zumindest nix Ernsthaftes tun. Ordentliche Bewegung kommt jetzt aber auch in die Gesellschaftsordnung. Erinnerst du dich noch, wie wir in den Siebzigern die Graphiken für Wohlstandsverteilung im Hölzl – Schulatlas, dem damaligen Standardwerk studiert haben? Für Österreich hat’s ausgeschaut wie ein Kreisel: Am dicksten in der Mitte und dünn auslaufend nach oben und unten. Das waren dann unten die wenigen Armen und oben die wenigen Reichen und wir wussten uns sicher irgendwo im breiten Mittelstand. „Eine kurze Abweichung von der Norm“ nennen Sozialwissenschafter heute diese goldenen Siebziger und lassen uns wissen, „dass wir uns wieder zügig normalen Zuständen im Kapitalismus nähern“, indem es dann eher keinen Mittelstand gibt, sondern Reiche und Arme. Üblicher weise sind die unten dann wesentlich mehr als die oben. Darauf steuern wir gerade heftig zu, die Lebensmittelpreise und die Preise für Treibstoff und Heizöl schrauben sich mit geradezu Schwindel erregendem Tempo in die Höhe und reißen alles andere mit, wenig verblüffend werden die Menschen im selben Tempo ärmer. Im Hintergrund schießen dem entsprechend die Aktienkurse der dazugehörigen Konzerne in die Höhe, im Vordergrund taumeln hilflose Politiker über die Bühne und sollten doch eigentlich Regisseure sein. Weltweit tätige Ölspekulanten seien schuld, sagt man und gibt sich überrascht, dass im Kapitalismus wie seit ungefähr immer auch mit Lebensmitteln das böse Spiel der Spekulation betrieben wird. „Ja dürfen sie denn das?“, fragt sich wie weiland der alte Kaiser staunend der gelernte Österreicher und ist je nachdem wie weit er in den letzten Jahren schon nach unten gerutscht ist, verzweifelt, fassungslos oder zumindest a bisserl besorgt. Aber wo noch Platz ist, bricht sich dann doch die österreichische Seele ihren Weg, so rein wie sie uns schon Qualtinger gezeichnet hat: Denn was macht der gelernte Österreicher in der Lage? Er ist schlau und kauft sich auch ein paar Ölaktien. Und mit dem Gewinn dann den geilen SUV mit dem starken Motor, denn er schon seit Jahren haben will. Weil „a Kümmerei“ hatte schon der Herr Karl „net daham.“ Nun denn, schaun wir halt, was rauskommt. Es grüßt, dein Robin Hut
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