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Grazer AMS startet Integrations-Offensive
Freitag, 6. Juni 2008
Das Arbeitsmarktservice will das Potenzial von Arbeitskräften mit Migrationshintergrund besser ausschöpfen, hat ein neues Beratungs- und Betreuungsangebot in seinem Portfolio und kooperiert dabei mit dem MigrantInnenbeirat der Stadt Graz und mit Vereinen.

Die derzeit positive Entwicklung am steirischen Arbeitsmarkt – die Arbeitslosigkeit ist um 9% zurückgegangen – kennt einen Ausreißer, sagt der steirische AMS-Chef Karl Heinz Snobe: „Bei Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft beträgt der Rückgang nur 6%.“ Und das ausgehend von einem hohen Ausgangslevel: Bei den letzten Erhebungen im Jahr 2001, bei welchen alle Personen mit Migrationshintergrund – also auch Personen mit nun österreichischer Staatsbürgerschaft – berücksichtigt wurden, betrug die allgemeine Arbeitslosigkeit 6,4%, bei Eingebürgerten lag sie bei über 10%, bei im Ausland geborenen Personen mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft bei 11,4% und bei im Inland geborenen Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft bei 13,8%. Rund 400 beim AMS vorgemerkte Personen – das sind immerhin 12,4% der Vorgemerkten mit ausländischer Staatsbürgerschaft – sind übrigens anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte.
Das Problem konzentriere sich auf Graz, betont Snobe: Mehr als 20% der beim AMS Graz arbeitslos gemeldeten Personen hat eine andere Muttersprache als Deutsch. Dazu kommen Qualifikationsmängel: 85% der ausländischen Arbeitslosen am AMS Graz haben nur einen Pflichtschulabschluss, unter den österreichischen Vorgemerkten sind es 40%.
Und: Die Vormerkdauer bei den ausländischen Arbeitslosen ist deutlich geringer als bei den ÖsterreicherInnen. Sie warten durchschnittlich 100 Tage auf einen Job, die ÖsterreicherInnen 129. „Das deutet darauf hin, dass sie eher als ÖsterreicherInnen einen Job unter ihrem Qualifikationsniveau annehmen“, sagt Snobe.
Besonderes Augenmerk legt man beim AMS auch auf die Situation der Migrantinnen, die sich stark nach der Nationalität unterscheidet: Während 71,8% der 15- bis 60-jährigen Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien, die über eine Beschäftigungsbewilligung verfügen, in den Arbeitsmarkt eingegliedert sind, trifft dies nur auf knapp über 50% der afrikanischen und türkischen Frauen zu.

Erstberatung, umfassende Sprachausbildung, Qualifikations-Screening. Angesichts dieser Zahlen ortet das AMS Handlungsbedarf – und startet eine Integrationsoffensive, die sich vorerst auf den Raum Graz beschränkt und vor allem auf die Vermittlung von Sprachfertigkeiten konzentriert, denn: „Die Beherrschung der deutschen Sprache ist der wichtigste Punkt für eine gelungene Integration auch am Arbeitsmarkt“, weiß Svijetlana Podlesnik, die Vorsitzende des Grazer MigrantInnenbeirates, mit dem das AMS bei seinen Bemühungen eng kooperiert. Der neue Geschäftsführer des AMS Graz, Dr. Hannes Graf, erläutert die Vorgangsweise: „Wir bieten seit Mai muttersprachliche Erstberatungen durch eine muttersprachliche Person in fünf Sprachgruppen an – an jedem Wochentag ist eine andere Sprachgruppe dran.“ In den Beratungen wird auf die weiterführenden Angebote hingewiesen, im Besonderen auf die Deutschkurse, die nun nach einem modularen System gemäß den Richtlinien des vom Europarat erarbeiteten gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen angeboten werden. Die Kapazität der 8 bis 12 Wochen dauernden und 20 Wochenstunden umfassenden Kurse ist auf 800 Personen jährlich ausgelegt; ab Herbst soll es zusätzlich Kurse geben, die die Deutschausbildung und eine Fachqualifikation integrieren. Graf: „Bei einigen der Betroffenen wird zunächst unseren Erfahrungen nach ein Alpahabetisierungskurs nötig sein, bevor überhaupt Deutsch gelernt werden kannn.“ Darüber hinaus wird brach liegendes Qualifikationspotenzial angegangen – z.B. soll die Nostrifizierung von Pflegequalifikationen vorangetrieben werden, und im Rahmen der Erstberatungen ein Qualifikations-Screening erfolgen. Graf: „Unsere BeraterInnen bekommen dann eine Rückmeldung, welche weiteren Qualifikationsmaßnahmen auf bestehenden Fertigkeiten aufbauen könnten – die Betroffenen haben ja alle in ihren Heimatländern bereits irgendeine Tätigkeit ausgeübt.“
Alle Maßnahmen werden in Kontakt mit den MigrantInnenvereinen entwickelt und umgesetzt. Graf: „Uns ist dieser Kontakt besonders wichtig; die MultiplikatorInnen in den Vereinen müssen über das Angebot des AMS Bescheid wissen, um zum einen richtige Ratschläge geben zu können und  zum anderen keine falschen Erwartungen bei ihrer Klientel zu wecken.“
Im Rahmen der Integrationsoffensive steht auch den AMS-BeraterInnen eine Schulung ins Haus: In Workshops mit MigrantenvertreterInnen soll ihr Problembewusstsein geschärft werden.


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