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Mut zu mehr Familie braucht neue Perspektiven
Freitag, 6. Juni 2008
Ausgehend von der Grundthese, dass „die Idealfamilie heute zunehmend zu einem von der Wirklichkeit abgehobenen Wunschbild“ wird, wie LH-Stv. Hermann Schützenhöfer betonte, lud die steirische Volkspartei im Rahmen des MODELL:ZUKUNFT:STEIERMARK am 13. Mai zu einer Podiumsdiskussion in das Grazer Kunsthaus, um Wege zu einer besseren Familienpolitik auszuloten.

Tatsache ist, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten die gesellschaftliche Realität in Österreich zunehmend vom „klassischen“ Familienmodell der Nachkriegszeit entfernt hat und heute ein breites Spektrum vielfältiger Lebensformen umfasst. Es ist eine der Aufgaben von zukunftsorientierter Politik, so Schützenhöfer, „auf diese Entwicklungen mit Anpassung der Rahmenbedingungen zu reagieren, um den Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden“.

Abschied von der „Rabenmutter“. Unter dem Titel „Vater, Mutter, Kind, Golden Retriever“ debattierten der Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx, die Psychoanalytikerin Univ.-Prof. Dr.in Rotraud A. Perner sowie der Leiter des Österreichischen Instituts für Familienforschung, Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mazal; Ronald Barazon agierte als Moderator. In seinem ausführlichen Impulsreferat zeichnete Horx die historische Entwicklung der Familie nach und gab gleichzeitig einen Ausblick auf mögliche Entwicklungen der Zukunft: „Das Verschwinden der Großfamilie und die neu definierte Rolle der Frau haben zu einer Pluralisierung der Lebensstile geführt und stellen damit die Fixierung auf die klassische Kernfamilie in Frage.“ Es gelte von der Illusion Abschied zu nehmen, dass „Mutterschaft auf aufopfernder Selbstlosigkeit basiere – wenn Sie einen Menschen immer nur als Mutter sehen, tun Sie ihm keinen Gefallen“. Freiheit und Familie seien nicht der Widerspruch, als der sie oft missverstanden würden. In diesem Kontext sieht Horx die Politik gefordert: „Mit steuerlichen Entlastungen und einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie ließe sich der Trend zu geringer Kinderanzahl umdrehen.“

Mehr Raum für experimentelle Formen des Zusammenlebens. Vor allem die ökonomische Entwicklung in den 70er Jahren habe dazu geführt, dass neue Familienformen entstanden seien, betonte Perner. Sie appelliert an die Politik, ihre formalen Gestaltungsmöglichkeiten besser auszuschöpfen und regte u. a. einen Eltern-„Führerschein“ als Vorbereitung auf familiäres Miteinander an: „In erster Linie geht es darum zu vermitteln: Wie strukturiere ich mein Leben?“ Horx ortet ungeahnte Potenziale zur Erziehung von Kindern in neuen Siedlungsformen, wo soziale Kontakte und Betreuung in neuen „Großfamilien“ im „kreativen Chaos“ positive Wirkungen zeitigen können. Mazal forderte, in der Arbeitswelt und Schule familienfreundlichere Bedingungen zu schaffen, wie dies etwa in Skandinavien und anderen europäischen Ländern bereits vorexerziert werde. Es gelte, den jungen Menschen Mut zu machen, „ihr Leben zu reflektieren, sodass sie selbstbestimmte Entscheidungen treffen können und diese zu verantworten lernen“. In diesem Prozess können ihnen Erfahrungen mit unterschiedlichen Formen des Lebens zeigen, was sie annehmen oder ablehnen können.

Josef Schiffer

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