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Am Gefrierpunkt und die Kühle Moderne |
Sonntag, 11. Mai 2008 | |
„Die niedere Temperatur der Höhle, im Durchschnitt 0° betragend,
fordert energisch eine vollkommene Abkühlung vor dem Eintritt in die
Eispaläste …“ So beginnt ein Text, der zu Ende des 19. Jahrhunderts mit
damals gepflegtem Pathos gegenüber beobachteten Naturerscheinungen eine
Eishöhle beschreibt – es dürfte sich wohl um die Beilstein-Höhle nahe
Gams bei Hieflau handeln. Die Temperaturangabe, nur ein Parameter zur
Orts- und Situationsbeschreibung, macht der 1978 in Graz geborene
Andreas Heller zum Titel seiner Ausstellung im Studio der Neuen Galerie
Graz: 0°. Die historische Höhlenbeschreibung, als Text an der Wand, ist Teil einer Installation, die über zu Ausstellungsbeginn noch weißem Teppichboden ein Bild des Höhleneingangs zeigt – auf dominante Konturen reduziert und in perspektivisch versetzter plastischer Konstruktion. Naheliegend sind Andreas Hellers Arbeiten in dieser Ausstellung im Kontext der Landschaftsdarstellungen angesiedelt, und damit sind stets Fragen um Abbild oder Neukonstruktion verbunden. Kurator Günther Holler-Schuster merkt im Begleittext an, dass 0° einen Punkt bezeichnet, an dem Transformation der Materie stattfindet, allerdings gilt zu entscheiden, ob Wasser gefriert oder Eis schmilzt. Für Heller ist 0° ein Detail, über das formale Qualitäten einer Landschaft beschrieben werden können, diese und weitere isoliert er, dekonstruiert damit ein wahrgenommenes Phänomen, um es in neuer Form wieder zusammenzusetzen. Das Verfahren ähnelt dem wiederum mit dem Prinzip der Collage verwandten Sampling, dessen sich Heller auch als DJ bedient. Transformationen der Landschaft, zugleich Reduktion auf die Kontur, werden etwa auch in einem Paravent deutlich, der sich als Übersetzung einer Horizontlinie durch den vorderen Galerieraum zieht. Von der Natursituation über das Bild zur Zeichnung und zur Skulptur, die schließlich als begehbare Realsituation eine Neuinterpretation als Simulakrum erfährt. Kühle Moderne unter Einfluss starker Hitze. Der in Graz geborene Johannes Wohlfart (1900-1975), der seine künstlerische Ausbildung an der Kunstgewerbeschule Graz bei Bertold Löffler und an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Karl Sterrer erfuhr, zeigt in seinen Arbeiten bis zu Beginn der 1930er Jahre deutlichen Bezug zur Neuen Sachlichkeit, wofür vor allem Gemälde in Öl, Stadtansichten, Landschaften und Porträts stehen. In expressiven Holzschnitten setzte er sich mit sozialen Problemen der Gesellschaft auseinander, noch in Graz gelangte er durch seine Nähe zur sozialdemokratischen Partei an etliche Aufträge. In Herbert Müller-Gutenbrunns anarchistischer Publikation Das Nebelhorn prangerte Wohlfart die tragische Welt der Arbeiter in den Städten an. Nach einem ersten Aufenthalt in Darmstadt 1926 kehrten Johannes und seine Frau Auguste – ebenfalls Künstlerin, die aber aufgrund der kritischen Haltung ihrer Familie gegenüber dem Berufsbild Künstlerin ihre Ausbildung verheimlichte – nach Graz zurück, wo Wohlfart sich mit mäßigem Erfolg weiterhin als Maler und Werbegrafiker verdingte. 1930 zog das Ehepaar erneut nach Pfullingen und später nach Rottenburg am Neckar, wo Wohlfart wegen seines Einsatzes für die Beibehaltung des katholischen Bekenntnisses Probleme mit den nationalsozialistischen Machthabern bekam. Bezeichnend für seine ambivalente Persönlichkeit allerdings sind Briefe, die er zuvor an seine Kolleginnen vom Steiermärkischen Kunstverein schrieb und worin er seiner guten Situation und seinen Hoffnungen in die neuen Machthaber Ausdruck gab. Gleichwohl erscheint seine zunehmende Hinwendung zur Religion wie eine Flucht aus der politischen Realität, die jedenfalls aber ab 1950 in ein ökonomisches Auskommen durch Aufträge beinahe ausschließlich der Diözese Rottenburg-Stuttgart führte. 1969 kehrte die Familie nach Graz zurück, wo Wohlfart bis zu seinem Tod 1975 in der Hauptsache für kirchliche Auftraggeber arbeitete. Andreas Heller 0° und Johannes Wohlfart Kühle Moderne im Studio und Hof der Neuen Galerie Graz sind bis zum 1. Juni zu sehen. Informationen unter www.neuegalerie.at Wenzel Mraček
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