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Meister des Designs – Giovanni Battista Piranesi |
Sonntag, 11. Mai 2008 | |
Ein Virtuelles Museum römischer Altertümer nennen die
Ausstellungsgestalter die 42 Radierungen aus Giovanni Battista
Piranesis (1720-1778) Zyklus Vasi candelabri cippi sarcofagi aus der
Sammlung des Museums für Kunst und Gewerbe in Zagreb, die bis Mitte
Juni in der Alten Galerie am Landesmuseum Joanneum zu sehen sind. In zwei Foliobänden unter dem Sammeltitel Vasi candelabri cippi sarcofagi tripodi lucerne ed ornamenti antichi veröffentlichte Piranesi 1778 diese grafischen Darstellungen antiker Artefakte und auf ihnen basierender fantastischer Kompositionen, die der Antiquitätenhändler einem aufkommenden europaweiten Kunstmarkt zuführte. Piranesi, der mit seinen Vedute di Roma (1748-74) schon maßgeblich ein, wenngleich idealisiertes Bild der ewigen Stadt in Europa zeichnete und damit wohl auch den im 18. Jahrhundert aufkommenden Kulturtourismus im Rahmen der Grand Tour mit initiierte, gilt als Ausnahmeerscheinung in der Kunst dieser Zeit, die auch für den einsetzenden Klassizismus steht. Die Neuentdeckung und Idealisierung des Antikenbildes entwickelte sich aus einem Umfeld, in dem Johann Joachim Winckelmanns Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Wercke in der Mahlerey und der Bildhauer-Kunst (1755) publiziert wurden oder Jacques-Ange Gabriel als Baumeister Formen im an die Antike angelehnten Eklektizismus kombinierte. Durch die Verbreitung von Piranesis Antichità romane in vier Bänden (1756) kann auch sein direkter Einfluss auf die Landhausarchitektur von William Chambers, vor allem aber Robert Adams nachgezeichnet werden. 1757 wurde Piranesi zum Ehrenmitglied der Londoner Society of Antiquaries ernannt, zehn Jahre später verlieh im Papst Clemens XIII. den Titel Cavaliere degli Speroni d’Oro. Früher Designkatalog. Giovanni Battista Piranesi, geboren in Mogliano bei Venedig, erfuhr eine universale Ausbildung als Radierer, Architekt, Archäologe, er war Autor kunsttheoretischer Schriften, Drucker, Restaurator, Antiquar und Händler. Vasi candelabri cippi sarcofagi tripodi lucerne ed ornamenti antichi ist ein Zyklus von Radierungen, der innerhalb des grafischen Werkes einen eigenen Bereich darstellt. Er veröffentlichte diese Radierungen, auf denen bereits verkaufte Stücke aus seinem „Museum“ – wie er den Schauraum in seinem Haus in Rom bezeichnete, in dem sich auch verschiedene Werkstätten und Konstruktionsbüros befanden – zu sehen sind, ab 1768. Sie dienten als eine Art Reklame für seine unternehmerischen Tätigkeiten, und mit der zweibändigen Auflage von 1778 liegt wohl einer der frühesten Designkataloge der Kunstgeschichte vor. Die einzelnen Blätter zeigen Altertümer aus der eigenen Sammlung und solche aus den damals schon berühmten wie Borghese, Albani, Farnese und anderen mehr, daneben 35 Stücke, die ein britischer Aristokrat schon erworben hatte. Versehen sind die Blätter mit Begleittexten zur Herkunft der abgebildeten Stücke und vielen persönlichen Widmungen an den Kundenkreis Piranesis, die nicht zuletzt wertvolle Aufschlüsse über wirtschaftliche Kontakte nach Eng- land und Russland geben. Grabungen in der Villa Hadriana. Zu den wohl außergewöhnlichsten Artefakten des römischen Kunstgewerbes, die in diesen Zyklus eingingen, gehören Funde vom Gelände der Villa Hadriana in Tivoli (erbaut um 120 n.Chr.). 1769 hatte Gavin Hamilton Grabungsarbeiten angeregt und in Folge geleitet. Piranesi war an diesen „einträglichen archäologischen Aktivitäten beteiligt“ (Katalogtext der Kuratorin Anđelka Galić). Nach Hamilton hatte Piranesi im Lauf der Ausgrabungen viele Bruchstücke geborgen, die mit großer Fantasie zu „antiken“ Vasen und Kandelabern in der Art von Capricci kombiniert und später vor allem an potente Sammler in England verkauft wurden. Unbenommen selbstverständlich die historische und grafische Qualität dieses Zyklus, der ebenso im Kontext des kulturellen und musealen Verständnisses des 18. Jahrhunderts zu lesen ist; trotzdem fällt hier ein immerhin merkwürdiges Detail zum damaligen Umgang mit antiken Artefakten auf, der im Kontext der Ausstellung bestenfalls indirekt anklingt. 1806 hatte der damalige britische Botschafter in Konstantinopel, Thomas Bruce Earl of Elgin, die seither als Elgin Marbles bezeichneten Marmorskulpturen, deren wichtigste Gruppe von Fries und Tympanon des Parthenon-Tempels stammt, von Athen nach London verschifft. Der Earl hatte die Figuren von der türkischen Regierung in Griechenland gekauft. 1816 wurden diese vom britischen Staat erworben und im britischen Museum ausgestellt. Ob es sich hier um eine notwendige Rettungsaktion oder um Kunstraub handelte, ist nach wie vor umstritten, Verhandlungen über Rück- oder Dauerleihgabe werden gegenwärtig geführt. Immerhin fand Giovanni Batista Piranesi ein offenbar gutes Auskommen mit dem Handel von antiken Objekten und ihren zweifellos virtuosen Darstellungen in den Radierzyklen, und Anđelka Galić schließt: „Die Formen von Piranesis dekorativen Antiquitäten fanden überall in Europa breiten Widerhall, sie waren ideale Prototypen für die Inneneinrichtung Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts.“ Mit Piranesi (1720-1778) Das virtuelle Museum römischer Altertümer, bis zum 15. Juni in der Alten Galerie, Schloss Eggenberg, leitet das Landesmuseum Joanneum seine Schwerpunktreihe Intermezzo Italiano ein. Sieben Ausstellungen behandeln im weitesten Sinn italienische Kunst und italienisches Design von römischen und neuzeitlichen Münzen über Joe und Gianni Colombo bis zu aktuellen Positionen. Informationen unter www.museum-joanneum.at Wenzel Mraček
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