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Klimawandel: „… daraus folgt die Notwendigkeit einer Änderung des Systems selbst“
Samstag, 10. Mai 2008
„Klimagerechtigkeit“ war eines der zentralen Themen am Alternativen-Kongress. Johanna Muckenhuber führte für KORSO ein Gespräch mit dem Referenten Achim Brunnengräber.

Sie kritisieren die Tatsache, dass die im Klimaschutz tätigen NGOs den Clean Development Mechanism zu positiv sehen. Was ist denn dieser CDM genau? Und warum sollte man ihn ablehnen?
Der Clean Development Mechanism ist ein marktbasiertes Instrument der Klimapolitik. Er basiert auf Zertifikaten, die erworben werden können, um zu hohe Emissionen in einem Land – global gesehen –  wieder zu neutralisieren. Das ist der immer wieder beschriebene Emissionshandel.
Das Problem ist jetzt, dass die Industrienationen auf diese Art und Weise weiterhin Emissionen produzieren und dies dann vertraglich ausgleichen, indem sie Zertifikate kaufen. Diese Zertifikate beruhen teilweise auf der Finanzierung von Projekten zur Treibhausemission in Entwicklungsländern. Diese können ihre eingesparten Emissionen an Industrienationen verkaufen, welche die Projekte zur Emissions-einsparung (mit-) finanzieren. So können die Industrienationen laut Kyoto Protokoll – dieses verpflichtet die Industrieländer von 2008 bis 2012 ihren Ausstoß an CO2-Emissionen um 5,2 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 zu reduzieren – 25 Prozent ihrer zu hohen Emissionen kompensieren.
Der CDM und damit der Emissionshandel stellen ein großes Problem dar. Erstens weil dieser Mechanismus den Trend zu immer höheren Emissionen nicht in Frage stellt. Es wird also nicht gefordert, dass die Emissionen gesamt gesenkt werden sollten.
Das zweite große Problem ist ein Gerechtigkeitsproblem. Der CDM unterstützt die Ungleichheit zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern und steht damit einer Klimagerechtigkeit aber auch dem Vertrag von 1995 entgegen, in welchem festgehalten wurde, dass alle Parteien auf Grundlage der Gerechtigkeit agieren sollen.

Was verstehen Sie unter Klimagerechtigkeit?
Wenn über Klimapolitik gesprochen wird, sollte auch über globale Gerechtigkeit gesprochen werden. Klimapolitik hängt eng zusammen mit Fragen globaler Ungleichheit und mit vielfältigen sozialen und gesellschaftlichen Problemen. Zum Beispiel leben in den G8-Staaten nur ca. 10 Prozent der Weltbevölkerung. Sie produzieren jedoch 50 Prozent der globalen Emissionen, während 1,4 Milliarden Menschen in Armut leben. An dieser Stelle ist es auch notwendig, zwischen Überlebensemissionen und Luxusemissionen zu unterscheiden. Die Staaten in denen ein Überschuss an Luxusemissionen produziert wird, übernutzen dabei nicht nur die Erdfläche, sondern auch den Himmel/die Atmosphäre. Dies passiert zu Lasten der Entwicklungsländer, die in erster Linie Überlebensemissionen produzieren.

Sie bemängeln die mangelnde Kritik von Seiten vieler NGOS und den Konsens, wonach wir „am richtigen Pfad“ seien. Wie erklären Sie sich Angepasstheit der NGOs?

Die marktbasierten Steuerungsmechanismen beruhen auf einer hegemonialen neoliberalen Wachstumsideologie. Diese Hegemonie bedeutet unter anderem einen breiten gesellschaftlichen Konsens, Wirtschaftswachstum und damit einhergehende Emissionen als alternativlos anzusehen. Dies wird auch stark in Zusammenhang mit dem Thema der Energiesicherheit diskutiert, der in vielen Diskursen absolute Priorität zugeschrieben wird. Und das wird leider auch von den meisten NGOs hingenommen, wodurch viel an kritischem Potential verloren gegangen ist.

Welche alternativen Ansätze gibt es und was wäre jetzt zu tun?
Ein Ansatz wäre die Beschränkung der Pro-Kopf Emissionen. Dies wäre eine relative einfache Möglichkeit einer gerechteren Verteilung der „Rechte auf Emissionen“.
Zentral ist auch die massive Förderung alternativer Energien, um eine Abkehr von fossilen Energiequellen zu erreichen.
Klimapolitik darf weiters nicht losgelöst von Wirtschaftspolitik, aber auch von der Sozialpolitik oder dem Thema der Biodiversität behandelt werden, da all diese Themen eng verflochten sind.
Ich trete für einen radikalen Reformismus gegen die neoliberale Hegemonie ein; radikale Demokratie gegen den Neoliberalismus ist auch darum notwendig, da die Emissionen im bestehenden System sicher nicht stärker reduziert werden, als das Wachstum es erlaubt; daraus folgt die Notwendigkeit einer Veränderung des Systems selbst.



Achim Brunnengräber ist Politikwissenschaftler und zurzeit Gastprofessor an der Freien Universität Berlin. Er befasst sich seit der ersten Klimakonferenz 1995 mit Klimapolitik, ist im Wissenschaftlichen Beirat von attac und im Nord-Süd-Beirat der Böckl-Stiftung.
Im Mai erscheint sein neues Buch (herausgegeben zusammen mit Elmar Altvater) „Ablasshandel gegen Klimawandel? Marktbasierte Instrumente der globalen Klimapolitik und ihre Alternativen“.

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