Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
ROBIN HUT - Briefe aus Absurdistan
Samstag, 10. Mai 2008
29. Brief: Mai 2008

Hallo, alter Freund!

Ein bißchen schäme ich mich in letzter Zeit, wenn ich dir in meinen Briefen darüber berichte, was uns hier so beschäftigt, während bei dir in der Dritten Welt die Ärmsten der Armen als erste zum Opfer jener Spekulanten werden, die weltweit zuerst die Energie- und jetzt die Nahrungsmittelpreise in bisher nie gekannte Höhen treiben, als ob übers Jahr das Erdöl eklatant weniger geworden wäre oder alle Chinesen plötzlich von ihrer bekannt humanen Regierung ein Auto plus enorme Lebensmittelrationen geschenkt bekommen hätten.

Wahr ist natürlich, dass auch bei uns gerade die ärmsten Bevölkerungsschichten diese enormen Preissteigerungen zu spüren kriegen. Ein Drittel mehr fürs Benzin ist natürlich für die allein erziehende Mutter, die beim Billa in geteilter Schicht Regale befüllt und dafür pendeln muss, ein Hammer und wie sie mit 1.000 Euro netto im Monat sich und die Kinderlein auch noch gesund ernähren soll, wenn die Lebensmittelpreise um 50 bis 80 Prozent explodieren, kann ihr niemand erklären, ebenso wenig wie den Pensionisten, deren Pensionen im selben Zeitraum um drei Prozent gestiegen sind.
Da bleibt vielen natürlich nur mehr der Sarkasmus, wenn dann unser Landwirtschaftsminister darauf besteht, dass wir im kleinen Österreich als einzige verpflichtend Biosprit dem Benzin hinzufügen müssen: Das Benzin wird dadurch noch einmal teurer, viele ältere und vielleicht auch neuere Autos sind dann zum Wegschmeißen, weil die Leitungen das aggressivere Benzin nicht vertragen und die zusätzliche hausgemachte Steigerung der Benzinpreise gibt der zuvor beschriebenen Preisspirale noch einmal einen ordentlichen Kick. Für ein paar wenige Landwirte und den Raiffeisenverband allerdings wird der Herr Minister Pröll damit schon zu sorgen wissen, die Umweltbilanz der Maßnahme ist mittlerweile übrigens von Experten heftig zerpflückt worden.
Ähnliche Klientelpolitik gelingt der ÖVP auch beim Thema Nichtraucherschutz: Nach monatelangen Streitereien gibt es jetzt tatsächlich eine Gesetzesvorlage, den Inhalt muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Bei Lokalen bis 50m2 entscheidet von Vorneherein der Wirt, ob Raucher oder Nichtraucherlokal, ein Modell, das in Spanien bereits baden gegangen ist, aber das hat sich bis zur Frau Gesundheitsministerin in nur zwei Jahren noch nicht durchgesprochen. Bis zu einer Lokalgröße von 80m2 muss der Wirt beweisen, dass er nicht zwei geteilte Bereiche schaffen kann, sonst muss er investieren. Da werden sich jetzt viele Statiker und Rechtsanwälte freuen und unter denen sind sicher einige Nichtraucher, also so gesehen der erste Treffer. Bei Lokalen, die größer sind, gilt: der größere Raum muss als Nichtraucherbereich ausgewiesen werden, was nix anderes heißt, als dass alles beim Alten bleibt: Im Schankbereich wird munter gepofelt und wer das partout nicht will, sitzt hinten im Speisesaal ein bisserl einsam zwar, aber rauchfrei. Gesellschaft hat er dabei vom Lehrling, falls der Wirt noch einen nimmt: Der darf künftig nur noch im Nichtraucherbereich eingesetzt werden. Falls es doch anders kommt, muss er ja nur seinen Lehrvertrag lösen…
Beinharte Klientelpolitik nennt man normalerweise das, was die ÖVP so gestaltet. Traurig ist nur, dass die SPÖ, die ja immerhin den Bundeskanzler stellt, dabei mitspielt, weil sie sich mit der Koalitionsvereinbarung selber gefesselt hat: Blockiert sie den Schwachsinn, hat sie als Bundeskanzlerpartei gar nix zusammengebracht. Wobei sich wieder einmal zeigt, dass die Arbeiterkammer doch recht hat, wenn sie immer vor Knebelverträgen warnt, aber wer traut sich, das dem Herrn Gusenbauer vorzutragen

fragt sich
dein Robin Hut

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