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Minimalistische Regie – Lucia di Lammermoor in der Grazer Oper |
Dienstag, 8. April 2008 | |
Feinde des Regietheaters kamen bei Donizettis „Lucia di Lammermoor“ voll auf ihre Kosten. Die berühmte, von jedem überflüssigen Einfall gesäuberte Belcanto-Oper nach der Vorlage von Sir Walter Scott wurde von Dirk Kaftan mit kraftvoller, elastischer Präzision musikalisch vorangetrieben, die Klangfarben dramatisch und die Motive klar und effektvoll herauspräpariert. Man kann sagen, die Bühne repräsentierte sich als dreidimensionales, übergroßes CD-Booklet für eine durchaus gelungene Aufnahme. Wem es nur um Donizettis Musik ging, wurde keinesfalls enttäuscht. Die Story ist eine Art schottisches, düsteres Remake von „Romeo und Julia“. Zwei verfeindete Häuser, Lucia liebt Edgardo, den Erzfeind ihres Bruders Enrico. Enrico fälscht Briefe und lügt, damit seine Schwester ihm durch die Heirat mit dem ungeliebten Arturo aus der Patsche hilft. Grad als sie im Glauben, Edgardo hätte sie betrogen, nachgibt, taucht dieser auf. Lucia wird wahnsinnig, ersticht ihren Bräutigam Arturo und stirbt. Edgardo will sich mit Enrico duellieren, ersticht sich aber stattdessen ebenfalls, als er vom Tod der Geliebten hört. Wasserdichtes Gesamtkunstwerk. Eine Moorlandschaft im Abendrot, eine Art moderner Leuchtturm ohne Funktion und das Innere einer nicht weiter beschreibbaren Halle mit drei Papierlampions boten den heimisch wirkenden Rahmen für die Protagonisten. Auch die Kostüme in gedeckten Naturfarben bzw. Schwarz im Fall des Pfarrers Raimondo wirken so, als entspannten sich die Herbersteins auf einer Treibjagd vor den Zumutungen einer bürgerlichen Justiz. Eine extrem gleichmäßige Ausleuchtung enthebt die Sänger der Notwendigkeit, effektvoll „das Licht zu fangen“. Den Statisten wurde vermutlich gesagt, sie sollten nicht gänzlich erstarren. Tatsächlich probieren sie nun einige zaghafte Schritte oder tun so, als ob sie aus einer Flasche tränken. Eine so völlig in sich geschlossene Arbeit ist vermutlich nur möglich, wenn sie aus einem einzigen Kopf kommt. Und tatsächlich hat Ezio Toffolutti gleich alles gemacht: Regie, Licht, Bühne und Kostüme. In diesem wasserdichten Gesamtkunstwerk haben Bruchlinien wie die zwischen der Ehe als Politik oder der Liebesheirat oder zwischen Protestantismus und Katholizismus keinen Platz. Auch die Frage, warum ausgerechnet Enrico, der Schurke der Geschichte, sang- und klanglos überlebt, bleibt offen. Der Musikfreund darf sich an einer Titelheldin freuen, die ihre Koloratursopran-Arien virtuos, wenn auch nicht übermäßig leidenschaftlich, meistert. Ihr geliebter Edgardo wird von Jean-François Borras mit Verve, aber auch mit lyrischen Tönen gesungen. Für die eigentlich ungreifbare Figur des Bruders Enrico wünschte man sich vom Bariton Javier Francos größere Tiefe und Umfang. Durchgehend kraftvoll der Bass Luciano Batinić als Pfarrer Raimondo und durchaus bemüht Taylan Mamioglu als Arturo. Willi Hengstler Unbedingt empfehlenswert für Freunde des Belcanto. In der Grazer Oper noch am 10. und 24. April und 4. (18 Uhr!) 17., 24. und 28. Mai.
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