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„Literatur ist unser Gewinn“
Dienstag, 8. April 2008
Eine engagierte Grazer Philologin und Text-Werkerin sagt dem Verlagssterben den Kampf an und gründet ihre eigene Edition – mit einem ungewöhnlichen Unternehmensleitbild.

Small is beautiful: Die Lust an der nicht entfremdeten Arbeit. Mit ihrem eigentlichen Broterwerb – der redaktionellen Erstellung und dem Lektorat von Texten aller Art – ist Anita Keiper zwar ausgelastet, aber zu wenig herausgefordert; Literaturliebhaberin war sie schon immer; die Probleme von AutorInnen mit herkömmlichen Verlagen waren ihr wohlbekannt – „und so entstand die Idee der Gründung eines etwas anderen Verlages.“ ,Etwas anders‘ heißt heute: Mit jenen Features, die Verlage eigentlich bieten sollten, deren sie sich aber wegen zunehmenden Konkurrenzdrucks, Orientierung an marktgängiger Verwertbarkeit und zum Teil auch wegen schwindenden Know-hows in den Häusern selbst schrittweise entledigt haben. „Wir bieten sämtliche Serviceleistungen für AutorInnen“, sagt Keiper – vom Lektorat über die Produktion bis zu Werbung und Vertrieb – „und natürlich bekommen die Autoren auch Tantiemen.“ Letzteres ist in Zeiten, wo auch größere Verlagshäuser vor der Produktion einer Publikation vom Autor zunächst einmal einen Zuschuss verlangen (um sich dann, weil sie ohnehin kein Risiko mehr tragen, auch bei der Bewerbung eher zurückzuhalten) beileibe keine Selbstverständlichkeit; möglich ist dies auch nur durch Quersubventionen aus Keipers „Textzentrum“ und die ehrenamtliche Unterstützung durch Keipers MitarbeiterInnen, die von der Idee ebenso begeistert sind wie sie selbst.
Die geschilderte Konstruktion beschränkt natürlich auch das Volumen der editorischen Vorhaben: Ziel ist die Herausgabe von vier bis fünf Werken pro Jahr – „mehr sollen es nicht werden“, sagt Keiper, „so bleiben wir ganz nah am Autor und am Produkt – wenn wir mehr Bücher herausbrächten, wären wir ja nur mehr Administratoren, die eigentliche Arbeit müssten andere tun.“

Die Tagebücher eines Emigranten. Wichtig ist Keiper vor allem die Qualität der Produkte. Wenn das Motto des Verlages auch lautet: „Literatur ist unser Gewinn“, so schließt dies bestimmte kommerzielle Überlegungen aber nicht gänzlich aus. So hat sie rechtzeitig zur WM Martin G. Wankos dramatischen Monolog „Die Wüste lebt“ herausgebracht, in dem Josef Hickersberger über seine „zweite Chance“ als Nationaltrainer sinniert (siehe dazu auch die Rezension in der vorliegenden Ausgabe). Als Highlight des Keiperschen Verlagsprogrammes im heurigen Gedenkjahr darf aber wohl mit Fug und Recht „Unter Hakenkreuz und Trikolore“ gelten, die 1938/39 verfassten Tagebücher des heute 88-jährigen jüdischen Emigranten Oscar Scherzer, der 1933 von Deutschland nach Österreich fliehen musste, 1938 nach dem Anschluss Österreichs nach Frankreich floh, 39 aus Frankreich in die USA ausreisen konnte und dort schließlich Karriere machte. Wie genau Keiper die verlegerische Arbeit nimmt, zeigt sich an ihrer Herangehensweise an diese einzigartigen Zeitdokumente: „Wir haben das bestehende Manuskript auf die Original-Tagebücher zurückgeführt und diese zusätzlich eingescannt und online verfügbar gemacht.“ Am 27. Mai wird es am Wiener Bundesgymnasium Zirkusgasse, wo Scherzer 1938 noch seine Matura machen durfte, eine „sentimental journey“ geben, zu der 700 ehemalige AbsolventInnen ihr Kommen zugesagt haben – darunter der Autor.

Neue Projekte. Mit der Herausgabe herkömmlicher Bücher allein will sich die ideensprühende Neo-Verlegerin aber nicht bescheiden – sie hat schon ein weiteres Projekt in petto: Am 6. Juni soll ein Roman online gehen, an dessen Abfassung sich – innerhalb eines vorgegebenen Plots – jede/r interessierte Internet-UserIn beteiligen kann. Thema und Titel stehen bereits fest: „Heimat bist du“ wird der Text heißen, in dessen Mittelpunkt das Schicksal einer Migrantenfamilie stehen soll.
Christian Stenner

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