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Impulsgeberin ohne Attitüde: Christine Winkler |
Archiv - Art Box | |
Samstag, 8. April 2006 | |
Katholische Hochschulgemeinde, Foyer, 12. Jänner 2006. Das Publikum – Männer, viele Frauen und auch viele Kinder – bewegt sich dicht gedrängt durch den hohen klaren Foyerraum der Galerie in der Leechgasse 24. An den Wänden Blicke, Frauenblicke – Mütter und Töchter – quer durch alle Altersgruppen. Die Stimmung ist gut. Ein Mädchen ruft seine Mutter herbei, nachdem es sich auf einem Portrait wieder gefunden hat.
Mütter und Töchter – skin to skin – in einem Ausschnitt ihrer Gesichter, keine ganzen Köpfe, keine verlegen in die Kamera lächelnden Blicke. Eigentlich lächelt kaum jemand wirklich auf diesen Bildern und dennoch reagiert der Betrachter berührt, denn diese Bilder, diese Begegnung mit diesen Müttern und deren Töchtern ist zutiefst sinnlich und innig. Inmitten dieses Szenarios steht Christine Winkler mit ihren langen dunklen Haaren eher zurückhaltend als im Mittelpunkt, obwohl sie die Künstlerin des Abends ist. Doch wenn man genauer hinschaut, fällt es einem auf – Christine Winkler genießt diese Situation, erlebt das Geschehen der Interaktion der Ausstellungsbesucher mit ihren Bildern unglaublich präsent, freundlich und aufmerksam. Sie ist einfach da. Dass es beim obligatorischen Ausstellungseröffnungsimbiss nicht nur Brot und Wein sondern auch Oliven, Olivenpasten und Aufstriche gibt gehört zum „Design" dieses Abends, wenngleich dieses Wort „Design" vielleicht zu kühl für die Intention der Künstlerin ist, denn sie will die Intensität dieses Abends auskosten und dieses Erleben auch teilen.Ausbildung in Graz. Szenenwechsel, im Kaffeehaus am Kaiser-Josef-Markt – Ende März 2006. Auch hier wieder dieser Eindruck, wie schon in den Begegnungen davor, man hat es hier mit einer unglaublich präsenten Frau zu tun. Es gibt keine Hektik. Wenn Christine Winkler da ist, ist sie da. Völlig. Unbedeutend wird dabei das, was schon gewesen ist, unwichtig, was kommen wird. Nur langsam kommen wir ins Gespräch über die Anfänge, denn das sind längst vergangene Zeiten „tempi passati". Geboren 1972 in Hart bei Graz besuchte Christine Winkler die HTBLA für Bildnerische Gestaltung und Meisterschule für Kunst und Gestaltung in Graz. Auf die Frage, ob es da jemanden gegeben hat, der sie besonders gefördert hätte, nennt Christine Winkler ihren Meisterklassenlehrer Wolfram Orthacker, außerdem Richard Frankenberger und den jüngst verstorbenen Gerhard Lojen. Nach der Matura meinte Christine Winkler ihren Beruf, ihre Berufung gefunden zu haben und arbeitete für einige Zeit als Restauratorin. Auslandsaufenthalte folgten. Mit ihrem Lebensmann reiste Christine Winkler nach Indien und Ceylon. Damals stellte sie sich die Frage, was nun unmittelbar für sie – konkret als Frau – wichtig sein könnte, unmittelbar „anstehen würde". Sie wollte eine junge Mutter sein und wurde zu Belinda schwanger, die 1994 zur Welt kam. Zwei Jahre später kam Emily zur Welt. Diese Zeit der Reisen und der Geburten der Kinder erlebte Christine Winkler als Reise ins Schauen, in die Bewusstheit. Vielfältige Aufgaben. Nach der Meisterschule fotografierte Christine Winkler für das Diözesanmuseum im Zuge der Inventarisierung von Kirchenbeständen. Unglaublich Schönes bekam sie dabei zu sehen, ein Teil davon ist in dem Buch „Die Pfarrkirche von Mureck. Geschichte-Architektur – Kunst" herausgegeben von Heimo Kaindl und Franz Kügerl festgehalten worden. Wie so oft in diesem beruflichen Kontext war der Aufwand im Verhältnis zum Entgelt unvergleichlich hoch und somit existenziell nicht dauerhaft zu bewältigen. So kam Christine Winkler zum Grazer Kasperltheater, wo sie als Puppenspielerin auch das Bühnenbild machte und Puppen baute, bis 2004 ihre dritte Tochter Fiona auf die Welt kam. In diesen Jahren entstanden immer so „ein bis zwei Geschichten" wie es Christine Winkler nennt. 2001 etwa machte sie beim Wettbewerb zur Litfasssäulengestaltung der Gruppe 77 „Kunst auf Zeit" mit und erhielt den ersten Preis. 2002 wurde ihr der Förderungspreis der Stadt Graz für Fotografie zugestanden. Werner Fenz schrieb in der Jurybegründung: „Die zeitgenössischen fotografischen Ausdrucksmöglichkeiten sind durch eine besondere Vielfalt geprägt. In dem daraus abzuleitenden breiten Spektrum der qualitativen Orientierung nehmen die Arbeiten von Christine Winkler eine herausragende Stellung ein. Auf der einen Seite kann seit mehreren Jahren ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess verfolgt werden, auf der anderen Seite sprechen die Fotografien Themen an, die für eine aktuelle Positionierung dieses künstlerischen Mediums nicht nur relevant, sondern Impuls gebend sind." Mütter-Töchter-Bilder. Das Besondere an Christine Winklers Arbeiten ist zweifelsohne ihre Fähigkeit zu pointieren und so unkonventionelle Zugänge zur Wirklichkeit zu eröffnen. Dass sie damit oftmals gezielt Themen aufgreift, die gesellschaftlich mehr als nur relevant sind, passiert keineswegs zufällig. Hier sieht Christine Winkler sich selbst durchaus als Impulsgeberin um Bewusstsein bildende Prozesse anzuregen. In der Einladung zur Ausstellungseröffnung von Christine Winklers bislang letzter Arbeit „Dass ich eins und doppelt bin" schreibt Alois Kölbl in Anlehnung an einen Text von Miriam Porta: „Mit den technischen Möglichkeiten der Fotografie traten die Suche nach Selbstvergewisserung im Abbild, wie die Frage nach menschlicher Identität, aber auch nach Kontinuität und dem, was bleibt, in ein neues Stadium künstlerischen Diskurses. Im Werk der Foto-Künstlerin Christine Winkler treten sie in besonders intensiver wie poetisch offener Form zu Tage. Die Bilder von Mutter und Tochter, ganz buchstäblich in berührender Nähe gezeigt, machen in irritierender Intensität die Sehnsucht nach dem Einssein und gleichzeitig die Angst vor der Aufgabe eigener Individualität im Bild auf Augenhöhe und in Blickkontakt mit der Betrachterin/dem Betrachter bewusst." Es ist dieser poetisch offene Zugang der Künstlerin Christine Winkler, der sich durchzieht, der in der Betrachtung der Bilder unmittelbar erlebbar wird, der aber auch im Gespräch mit ihr lebt. Wenn Christine Winkler sich selbst beschreibt, bezeichnet sie sich als „einfach glücklich". Kein Klagen über Identitäts- oder Existenzkrisen, über die Frage der eigenen Rolle im künstlerischen Erlebnisprozess – persönlich wie sozial – nichts dergleichen. Kein Klagen über finanzielle Sorgen, nicht zu verwirklichende Projektideen, Schwierigkeiten einer Existenz als Mutter von drei Kindern ohne fixes Einkommen, nichts dergleichen. Christine Winkler ist glücklich, genießt ihr Leben und ihre Lieben, ihren Freundeskreis und ihr Arbeitsfeld, das sich zunehmend vernetzt. Zurzeit stellt Christine Winkler ein Portfolio zusammen und macht zwei „Geschichten" für das Forum Stadtpark. Eine davon ist, dass 10 FotokünstlerInnen sich mit drei Arbeiten quasi auf den Markt begeben haben und bei einem Casting von ihren Modellen ausgesucht werden können. Nähere Infos: Christine Winkler ist schon neugierig, welche Modelle sich für sie entscheiden werden und aus welcher Motivation sie das tun. Ein zweites Projekt, ein Foto-/Experimentier-/workshop mit Kindern – von 7 bis 12 Jahren –, ebenfalls im Forum Stadtpark, ist in Vorbereitung. Und man wird sehen, was sonst noch so geschieht in nächster Zeit. Astrid Polz-Watzenig Ausstellungen und Projekte 2006: Dass ich eins und doppelt bin., KHG Leechgasse 24, Graz2005: Kontra-Punkte, Pécs, Porec, Zagreb, Sarajevo, Ljubljana, Maribor, Belgrad etc. Photo_graz, Tratari Graz 2004: Technical Works, Siemens_artLab, Wien Schaukasten, Forum Stadtpark, Graz edition five, the smallest gallery, Graz 2003: Wo alles wahr ist, auch das Gegenteil, Diözesanpreisausstellung, Minoriten Galerien, Graz 2002: Fotografische Arbeiten, Retzhof, Leibnitz Graz intern, Forum Stadtpark, Graz Fortsetzung folgt_ IGS, Kaspar Harnisch, Graz 2001: Projekt Farbe, Raum 6.3.5., Ortweinschule Graz Kunst auf Zeit, Litfasssäulengestaltung der Gruppe 77, Graz (Preis) Farbe bekennen K.U.L.M. Steirisc[:her:]bst, Pischelsdorf Farbräume URANIA Fotogalerie, Graz PUBLIKATIONEN Camera Austria 81/2003, Forum, S. 50/51 Lichtungen 94/2003, IGS – Orte zur Kunst, S. 126 Kontakt: Christine Winkler Email: christine.winkler@gmx.at Astrid Polz-Watzenig ist Theologin und arbeitet als Bildungsreferentin in der Katholischen Hochschulgemeinde Graz sowie als Filmkonsulentin der Diözese-Graz-Seckau.
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