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Datenschützer-Kritik am Wiener „Terroristenprozess“
Montag, 7. April 2008
Vier Jahre Haft für Mohammed M. und 22 Monate für Mona S., so lauten die – noch nicht rechtskräftigen – Urteile im jüngsten Wiener „Terroristenprozess“.

Im Verfahren stützte sich das Gericht hauptsächlich auf Material, das die Ermittlungsbehörden aus der Überwachung des Computers des Angeklagten sowie aus Aufzeichnungen seiner Aktivitäten im Internet gewannen. Für KORSO sprach Jogi Hofmüller mit Dr. Hans Zeger (ARGE Daten, Mitglied des Datnschutzrates im BKA) anlässlich eines Vortrages in Graz über die Bedeutung der Urteile und der Beweisführung im Verfahren.

Obwohl derzeit in Österreich noch nicht explizit erlaubt, akzeptierte das Gericht Beweise, die die Ermittlungsbehörden durch Anzapfen des Computers des Angeklagten lieferten.  Die Abhörspezialisten installierten auf dem Rechner von Mohammed M. und Mona S. ein Spy-Ware-Programm, das Tastatureingaben aufzeichnete und in regelmäßigen Abständen Screen-Shots erstellte. Zusammen mit den beim Internetprovider der Angeklagten aufgezeichneten Daten präsentieren die Behörden dem Gericht somit rund 98 GigaByte an Information als Beweise für die zur Last gelegten Delikte.  Dass ein Großteil der Internetdaten verschlüsselt ist und sich deren Inhalt deswegen nicht rekonstruieren ließ, tat der Beweiskraft keinen Abbruch.  Richter Gerstenberger qualifizierte tausende Seiten elektronischer Überwachung als unverständlich und überließ es den Geschworenen, das Material der „freien Beweiswürdigung“ zu unterziehen.
Zeger sieht „problematische Zeiten bevorstehen“, wenn „Menge Inhalt Beweismittel ersetzt“.

Schlampig und eine Überschreitung der Befugnisse. „Bei der Analyse des aufgezeichneten Datenverkehrs wurde teilweise nicht einmal zwischen Upload und Download von Dateien unterschieden“, so Zeger. Eine genauere Betrachtung der Beweisführung lässt die zeitliche Rekonstruktion bestimmter Daten vermissen, die jedoch für die Darstellung von Sachverhalten  unabdingbar ist. Auf die Verwendung von Techniken, die die nachträgliche Manipulation von Beweismaterial verhindern, wurde ebenfalls verzichtet. Ein Ermittlungsbeamter stellte Zeger gegenüber fest, „OpenVPN und Proxyserver, welche Privatperson verwendet das schon, so jemand muss doch was zu verbergen haben!“ – ein klarer Verstoß gegen die Unschuldsvermutung. Zeger kommt zum Schluss, dass die „demokratische Gesellschaft (noch) nicht auf einen Medienraum vorbereitet in dem jeder ist jede nur denkbare einseitige Meinung propagieren kann“.

Ein politischer Diskurs über die Befugnisse ist nötig. Wurde die Sicherheitslage in Österreich durch den Urteilsspruch in irgendeiner Weise verbessert?  Wohl kaum.  Näher liegt die Vermutung, dass der „Erfolg“ des Terrorismusprozesses als Legitimation für bestehende und bevorstehende Überwachungsmethoden dienen wird, ungeachtet der Tatsache, dass vom ursprünglichen Vorwurf der Erstellung eines Drohvideos am Ende kaum mehr die Rede war. „Es bedarf eines politischen Diskurses zur Definition der sicherheitspolizeilichen Befugnisse“, meint Zeger. Doch stattdessen müssen die Datenschützer sich mit den neuesten Begehrlichkeiten der Ermittler auseinander setzen, steht doch die Einführung der Vorratsdatenspeicherung im Raum.
Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass prinzipiell jede und jeder nicht nur in das Visier der Fahnder geraten kann, sondern auch mit einer Verurteilung rechnen muss. Zum Schutz der digitalen Privatsphäre bleibt nur noch, den Ratschlägen des Datenschützers Zeger zu folgen: „Festplatten verschlüsseln, Computer von CD/USB-Stick booten, Verschlüsselung und Anonymisierungsdienste im Internet verwenden.“

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