Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Jerusalem in Afrika
Mittwoch, 12. März 2008
WoWagners Gartenlaube fortschrittlichen Schrifttums

Nach langem Hin und Her, vier als untauglich beiseite gelegten Büchern und leicht irritiert von einer eisernen Klammer, die ein meuchlings aufgetretenes Fieber (oder was auch immer mich gerade zu Boden streckt) um meine Stirn legt, habe ich mich für das aufbauendste Buch entschieden, das mir in den letzten Monaten untergekommen ist. Ich habe es in kurzer Zeit drei Mal gelesen und mich jedes Mal darüber gefreut. Es handelt sich um einen Comic und es ist nun an mir zuzugeben, dass ich Comics nicht nur schätze, sondern für ein zentrales Medium der modernen Literatur halte.

Also: Vorhang auf für den großartigen fünften Band von Joann Sfars „Die Katze des Rabbiners“ und den funkelnden Zeilen des Vorworts von Sfar: „Lange Zeit dachte ich, dass es überflüssig wäre in meinen Alben explizit Stellung zum Rassismus zu beziehen … Die Zeiten haben sich geändert, wie es scheint.“ (Vgl. S. 4). Und genau darum geht es, um Vorurteile, Projektionen und Zuschreibungen, die über den Katalysator der sprechenden Katze offen zu Tage treten. Zum Hintergrund: Die „Besitzer“ der Katze sind ein jüdischer Rabbi und seine Tochter, die in Algier leben und dort Teil einer kleinen jüdischen Minderheit sind, deren beschauliches Leben, durch einen russischen jüdischen Maler gestört wird, der sich in einer Kiste mit religiösen Schriften versteckt hatte, um aus Russland nach Äthiopien zu fliehen. Natürlich versteht ihn kein Mensch, außer der Katze, die ihrerseits froh ist, endlich wieder verstanden zu werden. In den letzten Bänden wurde ihre klugen Aussagen nur mehr als triviales Miauen wahrgenommen. Abgesehen von dem einzigartigen Zeichenstil von Sfar, den ich hier nicht vermitteln kann, lassen mich die Dialoge in einen ständigen inneren Freudentanz ausbrechen. Beispiel eins: Katze: „Worüber lachst du?“ Russe: „Ich male ständig Tiere. Und das erste Wesen, das ich in Afrika treffe, ist eine russisch sprechende Katze.“ Katze: „Ich sprechen nicht Russisch.“ (S.14). Beispiel zwei: Schwiegersohne des Rabbi: „Stellen sie sich das vor Abraham, afrikanische Juden!“ Rabbi: „Aber mein Sohn, wir sind die afrikanischen Juden.“ Schwiegersohn: „Nein, ich meine Schwarzafrikaner.“ Rabbi: „Schwarze Juden? Mein Sohn, es ist eine Sünde das zu sagen.“ (S.37) Und darum geht es in der Story. Unsere Helden samt Katze und Esel brechen auf eine Suche nach dem legendären Jerusalem in Schwarzafrika auf. Um zu erfahren, was ihnen widerfährt und ob sie die Stadt finden, muss der  Band erworben werden – oder die Grazer Bibliotheken (inklusive Landesbibliothek) dazu motiviert werden, endlich eine der gravierendsten kulturellen Lücken vor Ort zu schließen und einen akzeptablen Comic-Bestand aufzubauen.

Joann Sfar: Die Katze des Rabbiners, 5. Jerusalem in Afrika, avant-verlag 2007, EUR 17,40.
Joann Sfar, 1971 in Nizza geboren, zählt zu den wichtigsten Autoren der neuen französischen Comic-Szene.

Mag. Wolfgang Wagner, Jg. 1963, Germanist, Autor, Aktivist und Sozialpädagoge führt seit Juli 2006 den Buchladen „Wendepunkt“ in der Josefigasse 1, 8010 Graz, Tel/Fax 0316/ 76 52 44, WoWagner@gmx.at

» Keine Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.
» Kommentar schreiben
Nur registrierte Benutzer können Kommentare schreiben.
Bitte melden Sie sich an oder registrieren Sie sich.
 
< zurück   weiter >