Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Metropolis Istanbul
Mittwoch, 12. März 2008
KLOOS UP - Luise Kloos blickt auf internationale Kulturereignisse

Istanbul – größte Stadt in Europa – eine Stadt, die förmlich aus ihren Nähten platzt, in die jährlich 500.000 Menschen aus Anatolien hinzuziehen und selbst die größte Bank des Landes nun von Ankara nach Istanbul übersiedelt, in der aktuell 20 Millionen Menschen leben, das ist Istanbul zu Beginn des Jahres 2008. Viele illegale Bauten werden errichtet: Gecekondu – „Über-Nacht-gebaut“ Siedlungen, die rund die Hälfte aller Bauten von Istanbul ausmachen. Das islamische Recht verbietet den Abriss von Häusern, die in einer Nacht so weit erbaut wurden, dass ihre Wände ein Dach tragen. Danach wird einfach weitergebaut. Selbst das unübersehbare Hotel Ritz ist auf diese Weise entstanden. Und es gibt absolut keine öffentliche Unterstützung für Kunst und Kultur. Diese Situation fordert das Kulturfeld.

Die jungen KünstlerInnen hatten bis vor kurzer Zeit überhaupt keine Möglichkeiten, sie mussten wenigstens einmal im Jahr ins Ausland verreisen und knüpften ausländische Kontakte. Ende der 90er Jahre haben sich die Dinge geändert. „Plattform Garanti“, ein international höchst renommierter Kunstbetrieb, wurde 2001 gegründet, 2004 kam „Istanbul Modern“, danach das „Theater Dot“ und viele andere Initiativen.
Jetzt ist Istanbul ein Magnet – aber was bedeutet das, fragen sich die Kulturschaffenden. Sie antworten lapidar: „Viele Plätze waren Magnete, ganz Indien ist ein Magnet, Tirana war vor 40 Jahren ein Magnet ...“
Die KünstlerInnen sagen in Istanbul: „Future Economy ist Service Economy und das ist Art Economy.“ Sie wissen, dass Städte über Kunst eine große Bekanntheit erlangen wollen. Aber es ist ihnen egal, welchen Effekt es auf die Stadt hat. Die vielen Institutionen in Istanbul haben unterschiedliche Ziele, viele sind am kurzzeitigen Effekt interessiert.
In Istanbul ist die Peripherie innerhalb der Stadt, interdisziplinäre Studien fragen sich, wie die urbane Transformation vor sich geht, alles ist sehr schnell. Kulturelle Praxis ist wie ein Orkan und kann für die urbane Transformation instrumentalisiert werden – das ist eine Gefahr.
Einige Organisationen fragen sich, wie man ein Projekt ohne Budget und immaterielle Arbeitsleistung realisieren kann – diese Stadt gibt einem die Chance dazu!
„Plattform Garanti“ war und ist an Nachhaltigkeit orientiert, ändert strukturell und orientiert sich am internationalen Niveau. Es gibt dort Ausstellungen, ein artists in residence Programm, ein Archiv und eine Bibliothek – die Stadt selbst hat keine Bibliotheken. So kommen viele Menschen, um dieses Angebot zu nutzen. Und Kuratoren aus aller Welt reisen nach Istanbul.
2010 wird Istanbul Europäische Kulturhauptstadt sein. Hierzulande wird diskutiert, ob die Türkei zur Europäischen Union kommen soll. Beobachtet man die Ergebnisse der zeitgenössischen Kunstproduktionen als Parameter für zukünftige Entwicklungen, dann wird kein Weg daran vorbeiführen.
„Sie sind nicht europäisch, sie sind nicht fähig zur EU zu kommen, das Land ist zu groß, sie haben nicht die Strukturen, sie werden die Balance zerstören...“
Das sagte Frankreichs Präsident 1963 über Großbritannien.

Luise Kloos - www.luisekloos.at

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