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„Der Abschwung kommt wie das Amen im Gebet“
Dienstag, 11. März 2008
LUNAPARK21 ist der Name einer neuen deutschsprachigen Vierteljahresschrift, die sich die Kritik der globalisierten Ökonomie zur Aufgabe gemacht hat und sich die berühmten französischen „Alternatives Economiques“ zum Vorbild nimmt. Der ständigen Redaktion gehören unter anderem der Politikwissenschafter und Historiker Georg Fülberth, der Wirtschaftshistoriker Thomas Kuczynski, der Wiener Autor und Verleger Hannes Hofbauer und Lucas Zeise, Star-Kolumnist der Financial Times Deutschland, an. Anlässlich des Erscheinens der ersten Ausgabe sprach Christian Stenner mit LUNAPARK21-Chefredakteur Winfried Wolf.

Lunapark21 hat angesichts der beginnenden Weltwirtschaftskrise „eine Punktlandung hingelegt“, heißt es auf der Homepage des neuen Mediums. Gleichzeitig bezweifelt die Redaktion die landläufige Erklärung, alleiniger Auslöser dieser Krise sei der US-amerikanische Subprime-Crash.
Die übliche Reaktion bei alle Wirtschaftskrisen ist, dass Einzelphänomene als Ursachen identifiziert werden: In Holland war es vor drei, vierhundert Jahren die Tulpenkrise, 1971 die Ölkrise, 79/80 eine Rohstoffpreiskrise.
Wir streiten nicht die Existenz der Subprime-Crisis ab, aber wir geben zu bedenken, dass die ganze lange Geschichte des Kapitalismus aus Zyklen besteht; im 19. Jahrhundert währten sie jeweils sieben bis acht Jahre, im 20. Jahrhundert waren sie in der Regel fünf- bis sechsjährig, am Ende des vergangenen Jahrhunderts bis zu neunjährig. Die Zyklen gehen an ihrem Ende in einen Abschwung über und münden in eine Rezession oder zumindest in niedrigeres Wachstum. Wir hatten 1974, 82, 91, 2000/01 weltweite Krisen, und die Subprime-Krise spielt nur insofern eine Rolle, als sie den Abschwung vielleicht beschleunigt hat, aber dass er kommt, ist so sicher wie das Amen in den katholischen Riten.

Diese kurzfristigen Zyklen werden von noch längeren überlagert – tauchen wir jetzt in die „50 dunklen Jahre“ ein, wie etwa Immanuel Wallerstein prognostiziert?
Ich war früher auch ein Anhänger der Theorie der langen Konjunkturzyklen, die von Kondratieff stammt und von Schumpeter, Parvus und Mandel weiter entwickelt wurde. Danach habe mit den 70er Jahren eine Phase mit abnehmendem und depressivem Grundton begonnen. Seit der Erholung nach der Börsenkrise 2000/01 werden aber wieder recht hohe Profite gemacht, das passt nicht so recht in diese Theorie.

Das mag aber damit zusammenhängen, dass sich die Verwertungsbedingungen des Kapitals durch die Wende im Osten und die neoliberalen Reformen im Westen entscheidend verbessert haben.
Richtig, im Wesentlichen haben acht Faktoren zum Aufschwung der letzten 15 bis 17 Jahre beigetragen: Die verstärkte Ausbeutung der Arbeitskraft durch sinkende Reallöhne, längere Arbeitszeiten; Transportpreise, die innerhalb der letzten 20 Jahre um ein Viertel gesunken sind; steigende Rüstungsausgaben seit Mitte der 90er – eine Art Militärkeynesianismus; Privatisierungen, die öffentliches Gut der Kontrolle des privaten Kapitals zuführten; die Ausweitung der Kredite durch Niedrigzinsphasen; die Spekulation im Immobiliensektor; der Anstieg der Finanz- und Börsenspekulation und eben an allererster Stelle die Ausweitung der Märkte, der direkte Zugriff auf Rohstoffresourcen und die Integration von 1,8 Mrd MehrwertproduzentInnen in das kapitalistische System durch die Wende von 1989/90. Die Dynamik dieses in der Geschichte des Kapitalismus nur mit dem Kolonialismus vergleichbaren Ereignisses ist aber bereits im Schwinden begriffen.

Sogar Dominique Strauss-Kahn, Präsident des Internationalen Währungsfonds, hat die Umsetzung keynesianischer Maßnahmen als Mittel gegen den beginnenden Abschwung empfohlen. Wie soll das funktionieren, wenn gleichzeitig keine Defizite gemacht werden sollen?
Es gibt jedenfalls einen eklatanten Unterschied in der Krisenbewältigungsstrategie der USA und jener der EU. Die USA begegnen der Krise pragmatisch und legen ein 170-Mrd-Dollar-Programm öffentlicher Ausgaben auf, in der BRD will Steinbrück stattdessen gerade jetzt ein ausgeglichenes Budget erreichen. Das ist genau der gleiche Fehler, der in der großen Wirtschaftskrise Anfang der dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts gemacht wurde: Damals hat der US-amerikanische Präsident Hoover die Krise 30/31 durch Austeritätspolitik massiv verschärft; durch Roosevelts keynesianisch inspirierten New Deal konnte sie dann 33/34 erfolgreich bekämpft werden.
Der Hauptgrund, wieso die EU diesen Weg nicht einschlägt, liegt wohl darin, dass Keynesianismus nur in einem relativ geschlossenen System funktioniert; einzelne EU-Staaten wären dazu nicht in der Lage. Sogar ein Land wie Deutschland hätte dabei Schwierigkeiten, weil inzwischen nahezu die Hälfte des BIP in den Export geht. Wenn allerdings die Union selbst ein keynesianisches Programm auflegen würde – wenn also z.B. alle Mitgliedstaaten ihre öffentlichen Ausgaben im Gleichklang um 10% erhöhen würden – dann wäre das sehr wirksam.

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