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Nanotechnologie: Unsichtbare Gefahren minimieren |
Dienstag, 11. März 2008 | |
Winzigste Partikel mit dem zigtausendstel Durchmesser eines Haares kreisen als Vehikel für pharmazeutische Wirkstoffe im menschlichen Körper oder dienen zur hochbelastbaren Versiegelung von empfindlichen Oberflächen: High-Tech-Anwendungen, die noch vor wenigen Jahren im Reich der Science Fiction anzusiedeln waren, beginnen nicht nur in den Forschungslabors reale Gestalt anzunehmen, sondern haben bereits in einigen Bereichen Einzug gehalten und eine Fülle von weiteren innovativen Produkten drängt auf den Markt. Wissenschaftler warnen jedoch angesichts der noch wenig erforschten Nebenwirkungen vor übergroßem Optimismus. Virtuelle Plattform für Risikobekämpfung. Wie jede neue Technologie bergen die Nanostrukturen im alltäglichen Praxiseinsatz Gefahren, die sich nicht immer auf den ersten Blick erschließen, wie die Erfahrung in der Vergangenheit schon mehrfach schmerzlich gelehrt hat. Vor jeder Anwendung von Nano-Substanzen sollte eine gründliche Abwägung der Risiken stattfinden, bislang fehlen jedoch noch weitgehend geeignete wissenschaftliche Instrumente für eine umfassende Risikoanalyse. Die kürzlich gegründete österreichische Plattform EURO-NanoTOX, die mit Anfang des Jahres ihre Homepage online gestellt hat, widmet sich angesichts dieser Herausforderungen der Erforschung und Dokumentation von Risken aus Anwendungen der Nanotechnologie. Hinter der Institution steht die BioNanoNet Forschungsgesellschaft, an der die Forschungsgesellschaft Joanneum Research (JR) federführend beteiligt ist. Ein Ziel der virtuellen Plattform, betont der Geschäftsführer der BioNanoNet Dr. Frank Sinner, ist es, sich als österreichischer Knotenpunkt für die Industrie und die Wissenschaft zu positionieren, um eine Wissensdatenbank sowie toxikologische in-vitro- und in-vivo-Tests für nanostrukturierte Materialien anzubieten: „Die Expertisen aus dem In- und Ausland sollen zusammengeführt, strukturiert und systematisch weiterentwickelt werden. Diese Aktivitäten sollen auf europäischer Ebene korreliert werden, um so ein Portfolio aus standardisierten Tests sowie Literaturwissen aufzubauen und diesen Service der Industrie sowie der akademischen Welt anzubieten.“ Forschungsknotenpunkt für gesundheitliche Risiken. Entscheidend für den Erfolg ist die Einbettung der Initiative in das Forschungsnetzwerk der Universitäten sowie der Industrie: In der Nanotoxikologie arbeiten Chemiker, Biologen und Mediziner interdisziplinär zusammen, um den Bogen der Anforderungen abzudecken. Am EURO-NanoTOX sind JR, das Institut für Pharmazeutische Technologie der Universität Graz sowie das Zentrum für Medizinische Grundlagenforschung an der MedUni Graz beteiligt. Erste Projekte auf dem Gebiet werden bereits durchgeführt, so erklärt Sinner: „Gemeinsam mit dem Institut für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften bauen wir im Projekt Nano-Trust eine kommentierte Literaturdatenbank auf. Als Querschnittsmaterie muss man die Nanotoxikologie sehr differenziert betrachten. Wir haben eine Reihe von Ansprechpartnern auf EU-Ebene, mit denen wir gemeinsame Forschungsprojekte durchführen und Informationen austauschen wollen. So haben wir gerade ein internationales Konsortium für einen EU-Forschungsantrag zusammengestellt, das Anfang März 2008 eingereicht wird. In diesem Projekt geht es um die Kausalität von physio-chemischen Einzelparametern von Nanopartikeln auf die Toxizität.“ Mehr Sicherheit im Umgang mit Nanopartikeln. Die Nanotechnologie gilt gegenwärtig als eines der größten Hoffnungsfelder für innovative Anwendungen in den verschiedensten Sparten von der Humanmedizin über Beschichtungen bis hin zur Lebensmittelindustrie. Dass die Besorgnis vor negativen Auswirkungen auf die Gesundheit nicht unbegründet ist, zeigt ein 2004 erschienener Report des Rückversicherers Swiss Re, in dem die Befürchtung geäußert wird, dass Nanotubes ähnlich negative Folgen zeitigen könnten wie Asbest. Damit rücken neue Gefahren in den Fokus, denn selbst scheinbar harmlose Stoffe können in feinster Form negative gesundheitliche Auswirkungen hervorrufen. Sowohl die Eintrittswege in den Körper als auch ihr Effekt im Körper müssen unter die Lupe genommen werden, um Gefahren zu erkennen bzw. teure Fehlentwicklungen zu verhindern. „Dabei ist noch abzuwarten, in welche Richtung sich die Nanotechnologie weiterentwickelt, denn es kommen zunehmend alltägliche Produkte in den Verkauf.“ Dies alles sollte aber vor dem Hintergrund gesehen werden, dass über 99 % der Nanopartikel, denen wir ausgesetzt sind, aus Verbrennungsprozessen (Autoabgase etc.) herrühren, d.h. fast alle Nanopartikel, die wir einatmen, aus diesen „nichtgewollten“ Prozessen kommen. In der Forschung zu dieser Materie baut man auf den bewährten Methoden der Toxikologie auf, erklärt Sinner: „Die potenzielle Giftigkeit von Nano-Stoffen hängt von verschiedenen Parametern ab, die noch viel besser erforscht werden müssen. Ein Beispiel für die sich verändernden Eigenschaften ist Gold, welches normalerweise chemisch inaktiv und toxikologisch unbedenklich ist. Im Nanometer-Bereich ändert es jedoch seine Eigenschaften und wird katalytisch aktiv, was zur Zellschädigung führen kann.“ Medizinische Anwendungen als Versuchsfeld. Die Medizin spielt in der Erforschungen dieser Auswirkungen eine Schlüsselrolle, denn Nanopartikel, die in diesem Bereich eingesetzt werden, müssen genau geprüft werden, „daraus kann man aber auch sehr viel für den Einsatz von Nanopartikeln im Nicht-Medizin-Bereich lernen“, meint Sinner: „Die Medizin wird sich durch Nanotechnologie zweifellos ändern, aber das kann noch Jahrzehnte dauern. Derzeit arbeiten wir an Testreihen, in welchen verschiedene Nanopartikel, die in nur einem einzigen Parameter verändert wurden, getestet werden.“ Das Verfahren erläutert die am Grazer ZMF tätige Medizinerin Prof.in Dr.in Eleonore Fröhlich: „Ausgegangen sind wir von den Schäden, die von Feinstaub aus der Umwelt verursacht werden. Durch Studien wurde belegt, dass dieser für Herzkreislauferkrankungen und Allergien verantwortlich ist.“ Um die wichtigsten Ziele akuter Toxizität zu erfassen, werden Zellschädigungen in kultivierten Zellen erfasst. In einem weiteren Schritt werden diese durch Tierversuche ergänzt, um die Aussagekraft zu erhöhen. Trotzdem versucht man deren Zahl durch verbesserte Testmethoden so gering wie möglich zu halten. Ein durchaus gewollter schädigender Effekt ist die gezielte Anwendung von Medikamenten (targeted drug delivery) im Bereich der Tumortherapie. Kleine Kügelchen können mit Medikamenten beladen und an ihrer Oberfläche mit bestimmten Antikörpern bestückt werden, die an den vom Krebs befallenen Zellen andocken und diese gezielt abtöten. Auch hier ist es wichtig zu wissen, welche negativen Nebenwirkungen bei dem Einsatz dieser Medikamente auftreten können, die spezifisch auf die Eigenschaft ihrer geringen Größe zurückzuführen sind. Abwägung der Heilungschancen entscheidend. Bei der Zersetzung von pharmazeutischen Nano-Zubereitungen, aber z.B. auch beim Abrieb von Prothesenmaterial, kann es zur Bildung von Abbauprodukten kommen, die in Form von winzigsten Partikeln in die gesunden Zellen eindringen und diese dadurch schädigen können. Entscheidend ist dabei, dass sich durch die geringe Größe von 20 bis 30 Nanometern die Eigenschaften von vielen Substanzen verändern (zum Vergleich: PM10-Feinstaub ist rund 50 Mal größer). Durch die stark vergrößerten Oberflächen lösen diese kleinsten Partikel durch ihre Reaktivität freie Radikale und oxidativen Stress in der Zelle aus. Die toxischen Effekte reichen dabei von Entzündungsprozessen bis hin zur Störung der Zellteilung. Durch Stimulierung der Blutgerinnung können auch Gefäßverstopfungen auftreten, die Schlaganfälle auslösen. Da aber die negative Wirkungen nach bisherigen Erkenntnissen nicht unbedingt die Regel sind, sieht Fröhlich die Chancen für die Zukunft der Nanomedizin insgesamt optimistisch: „Die Wahrheit liegt immer irgendwo in der Mitte. Ähnlich wie seinerzeit bei der Röntgentechnologie wird man bei neuen Technologien in Zukunft lernen, die Risiken zu minimieren, bessere Partikel zu entwickeln und im Interesse der Patienten eine Abwägung zwischen Nutzen und möglichen Nebenwirkungen vorzunehmen.“ Infos: www.euro-nanotox.at, www.bionanonet.at Josef Schiffer
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