Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Mehr Mut zur Bioenergie-Wende für Klimaschutz und Energiesicherheit
Sonntag, 10. Februar 2008
Die Steiermark hat sich in den vergangenen Jahrzehnten einen international hervorragenden Ruf bei der Entwicklung von Technologien und Netzwerken für Erneuerbare Energien erworben.

Eine Schlüsselrolle spielt gerade im waldreichsten Bundesland die energetische Nutzung von Biomasse für die Wärmeerzeugung – diese wird zunehmend für Privathaushalte interessant, nicht zuletzt um der dramatischen Verteuerung fossiler Ressourcen zu begegnen. Daneben nehmen die biogenen Treibstoffe vom Acker – sei es aus heimischem Anbau oder aus Überseeimporten – in der gegenwärtigen Diskussion einen immer breiteren Raum ein, auch wenn ihr Einsatz von Experten durchaus zwiespältig bewertet wird.
Unter diesen Gesichtspunkten ist es nur folgerichtig, dass mittlerweile eines der weltweit wichtigsten Foren zu wissenschaftlichen und ökonomischen Aspekten der Bioenergie in der steirischen Landeshauptstadt stattfindet.

Großkonferenz als Plattform für Austausch von Know-how. Bereits mit dem 2005 vom Biomasseverband Österreich und der steirischen Landwirtschaftskammer erstmals abgehaltenen Symposium für Bioenergien konnte ein durchschlagender Erfolg verbucht werden. Mitte Jänner dieses Jahres diskutierten im Rahmen der 2. Mitteleuropäischen Biomasse-Konferenz wiederum Fachleute und Vertreter der Wirtschaft aus allen Teilen der Welt über die aktuellsten Entwicklungen und Neuigkeiten auf dem Feld der Bioenergie. „Die Biomassekonferenz, die parallel zur Häuslbauermesse stattfindet, soll dazu beitragen, den Ausbau von Biowärme, Ökostrom und Biotreibstoffen in Europa massiv voranzutreiben“, betonte von Seiten der Veranstalter DI Winfried Eberl, Direktor der Landwirtschaftskammer Steiermark.
Das thematisch breit gefächerte Fachsymposium an der Grazer Messe erstreckte sich über vier Tage und lockte mit rund 80 Vorträgen sowie Exkursionen zu zahlreichen steirischen Vorzeigeprojekten mehr als 1000 Teilnehmer aus rund fünfzig Ländern in die Steiermark: „Diesmal sind Besucher aus mehr als doppelt so vielen Ländern an als vor drei Jahren angereist“, bilanzierte zufrieden Dr. Heinz Kopetz, Präsident des Österreichischen Biomasse-Verbandes. Neben Teilnehmern aus den Staaten Mittel-, Süd- und Osteuropas waren zahlreiche Experten aus China, Indien, Kanada, Brasilien und etlichen afrikanischen Staaten wie Nigeria, Ägypten, Ghana und dem Sudan anwesend. Zur Erleichterung des Wissensaustauschs wurden die Referate simultan in fünf Sprachen übersetzt.

Nachhaltige Energienutzung und globale Gerechtigkeit. Die notwendige umfassende Neugestaltung der globalen Energiesysteme bildete einen zentralen Schwerpunkt der diesjährigen Tagung: Gegenwärtig werden trotz des ansehnlichen Wachstums bei den Erneuerbaren Energien fast 80% des weltweiten Energieverbrauchs noch immer aus fossilen Quellen erzeugt, wozu auch das Wachstum in den aufstrebenden Volkswirtschaften Chinas und Indiens beiträgt.
„Die Folgen des durch vermehrte CO2-Emissionen hervorgerufenen Klimawandels stellen insbesondere für die ohnehin schon ärmsten Regionen der Erde eine ernste Bedrohung dar“, betonten die beiden renommierten Klimaforscher Dr. Ottmar Edenhofer (Potsdam Institut für Klimaforschung) und Christopher Flavin (Präsident des World Watch Institute, Washington) zum Auftakt der Konferenz. Sie warnten in diesem Zusammenhang auch vor den dramatischen Auswirkungen der Klimaveränderungen auf das Wirtschaftswachstum in Industriestaaten wie Entwicklungsländern. Edenhofer plädiert auf Grundlage der vorhandenen Befunde für eine möglichst rasche Ausweitung des globalen Emissionshandels, die den weniger entwickelten Ländern bei Investitionen in ihre Energiesysteme zugute kommen soll: „In den Industrieländern braucht es dafür nicht nur die Forcierung der Bioenergie, sondern auch Anstrengungen um die Effizienz der Energiesysteme weiter zu erhöhen. Flavin sieht für viele Länder der Dritten Welt eine Chance in der Produktion von Bioenergie, „um ihre Abhängigkeit von Erdölimporten drastisch zu reduzieren“. Dafür brauche es allerdings die konsequente Umsetzung von politischen Strategien, etwa durch steuerliche Anreize, wie es in Brasilien geschehen sei.

Ambitionierte Aufbruchstimmung in China. Die Aufbruchstimmung bei den Erneuerbaren Energien hat inzwischen längst auch den fernen Osten erfasst. In China hat man von Seiten der Politik die Problematik der Umweltgefährdung durch Treibhausgase zur Kenntnis genommen und daher soll bis 2020 der Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtverbrauch von sieben auf 15 Prozent gesteigert werden, erklärte Xiaokang Wang, Präsident der China Energy Conservation Investment Corporation (CECIC): „In den Jahren bis 2020 sollen rund insgesamt 150 Milliarden Euro in Wasserkraft, Windkraft, Solarenergie und Biomasse investiert werden.“ Durch den Aufbau dieser Infratsruktur werden in sehr kurzer Zeit hunderttausende Biogasanlagen in ländlichen Regionen sowie Millionen von Solaranlagen entstehen, was für die europäischen Umwelttechnikfirmen bedeutende Exportchancen eröffnet.

Grazer Erklärung und EU-Aktionsplan Energie. Die Konferenz schloss mit einem klaren Bekenntnis zu den ehrgeizigen Energiezielen der Europäischen Union. Kernpunkt des neuen EU-Aktionsplans ist die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, den Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch bis 2020 auf mindestens 20 Prozent zu erhöhen. Gleichzeitig soll parallel dazu der für denselben Zeitraum prognostizierte Energieverbrauch durch Effizienzmaßnahmen um 20 Prozent gesenkt werden. Die Priorisierung von wirksamen Energieeinsparungen, z.B. durch geförderte Sanierungen beim Altgebäudebestand, mit dem klaren Bekenntnis zur Förderung erneuerbarer Energien stellt ein wichtiges Signal an die Energiemärkte dar, in nachhaltige und innovative Energien zu investieren. In der abschließenden Grazer Erklärung hoben die Veranstalter hervor, dass durch die Forcierung erneuerbarer Energien von Seiten der Politik große Potenziale für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum liegen, die durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Erschließung neuer Exportmärkte dazu beitragen werden, den Wohlstand in Europa zu sichern.

Josef Schiffer

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