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Globalisierung des Tempowahns
Sonntag, 10. Februar 2008
Das Wachstum der Verkehrsströme hat sich in den vergangenen Jahrzehnten weltweit in einem geradezu irrsinnigen Tempo beschleunigt.

Der deutsche Verkehrsexperte Dr. Winfried Wolf fordert angesichts der daraus resultierenden Bedrohungen für Mensch und Umwelt einen politischen Kurswechsel, der die Auswüchse der gesellschaftlichen Mobilisierung wieder radikal eindämmt: „Dieses ausufernde Wachstum trägt nicht nur einen erklecklichen Anteil zum Klimawandel bei, sondern hat im Rahmen der Globalisierung – deren Erfolg nicht zuletzt auf billigen Transportmitteln basiert – auch zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wirtschaftssysteme geführt.“

Moloch Verkehr. Wolfs neues Buch „Verkehr.Umwelt.Klima“ wurde Mitte Dezember in der Steirischen Arbeiterkammer – in Kooperation mit der Grünen Akademie und KORSO – vor einer großen Schar von Interessenten präsentiert. „Es handelt sich um ein radikal ökologisches und systemkritisches Buch“, betonte Moderator Mag. Christian Stenner (Korso), „das die Segnungen des Mobilitätswahnes in Frage stellt und aufzeigt, dass der enorme Anstieg des Verkehrs mit der Entwicklung des kapitalistischen Systems eng verbunden ist“.
„In der westlichen Welt hat sich ein beispielloser Vorgang der Motorisierung abgespielt, dort sind heute über 70% aller Pkws konzentriert“, erklärte Wolf: „Wenn die Schwellenländer wie China und Indien diesem Beispiel folgen, ist eine galoppierende Verknappung der Erdölreserven mit allen ihren Folgen absehbar.“ Einzig mögliche Konsequenz, so Wolf: „Bei allen scheinbaren kurzfristigen Vorteilen ist ein Umdenken unausweichlich, wenn wir die Lebensqualität künftiger Generationen sichern wollen.“ Voraussetzung dafür sei, dass die Kostenwahrheit bei den massiv subventionierten Autobahnen und im Warentransport auf der Straße an die wahren Verursacher weitergegeben werde.

Wege zurück zu sanfter Mobilität. In der anschließenden Podiumsdiskussion debattierte Wolf mit dem Grünen LAbg. Peter Hagenauer, Franz Xaver Fromm, Verkehrsreferent der steirischen AK und Andreas Wabl, Klimabeauftragten des Bundeskanzlers. Wabl zeigte sich zuversichtlich, dass zumindest in der EU sich ein Umdenken abzuzeichnen beginne, indem die Notwendigkeit einer Autarkie von fossilen Energien zunehmend erkannt wird.
In der Steiermark seien schwerwiegende Fehler in der Infrastrukturplanung gemacht worden, kritisierte Hagenauer, die Zersiedelung und die beliebige Ansiedlung von Gewerbezonen habe ein schrankenloses Wachstum des Individualverkehrs gefördert. Hier gelte es insbesondere die Modelle der Wohnbauförderung zu überdenken, da die Infrastrukturkosten in zersiedelten Regionen explodieren.
Besonders betroffen von den Verkehrsströmen seien gerade ärmere Schichten, konstatierte Fromm, weil diese es sich nicht leisten können, in „grüne Wohnlagen zu ziehen“. Da die Wirtschaft immer stärker von der Mobilität von Menschen und Gütern abhängig sei, gelte es, die Schiene und den öffentlichen Verkehr endlich massiv auszubauen. Wolf führte als Beispiel die Schweiz an, wo auf Grundlage demokratischer Prozesse durch Schnellbahnanbindungen und andere regulative Maßnahmen in Städten wie Zürich eine massive Verkehrentlastung erreicht worden sei.
Josef Schiffer

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