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Die Zeitung hat ein zweites Leben |
Sonntag, 10. Februar 2008 | |
Kopfzeile von Martin Novak Sie weiß nur wenig damit anzufangen. Auch Zeitungen haben ein zweites Leben. Wir reden hier nicht von der Verwendung als alternative Geschenksverpackung oder Hygienepapier in Selbstversorgerhütten.Diese Nutzung ist ja sowieso sehr zweifelhaft. Wir reden von den Zeitungen und Zeitschriften die im „Second Life“ den Leserinnen und Lesern angeboten werden. In der virtuellen Welt des „SL“ ist manches möglich, was manche im wirklichen, realen Leben („RL“) gerne könnten: fliegen ohne technische Hilfsmittel beispielsweise, teleportieren, ohne Zuhilfnahme plastischer Chirurgie die äußere Gestalt wechseln, niemals schlafen, hungern und dürsten. In dieser virtuellen Alles-Party-Spaß-Welt gibt es auch Zeitungen. Und weil in dieser Welt so vieles denkbar ist, sind auch Medien vorstellbar, die im RL an technischen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Hürden scheitern müssten. Tatsächlich gibt es im SL Medien, in erster Linie ganz normale Zeitungen, Zeitschriften, Magazine. Lassen wir die Realmedien weg, die ein zweites, virtuelles Leben leben – die es wie viele reale Unternehmen von Apple bis Fujitsu Siemens und Nike bis Sony schick finden, einfach nur hier zu sein. Reden wir nicht von CNN, Reuters und Facts (einem Schweizer Magazin), deren ernsthafter Journalismus in dieser Welt ziemlich deplatziert wirkt. Reden wir von jenen Medien, die eigens für das zweite Leben geschaffen wurden. Begeben wir uns zu diesem Zweck an einen gut sortierten, geSIMSten Zeitungsstand. Da finden wir ein paar sehr klassische Tageszeitungen, die sehr an englische oder amerikanische Vorbilder gemahnen. Sie tragen so hübsche Namen wie „The Second Life Enquirer“, „The Seventh Sun“ oder „The Washtown Wave“ – und sie schauen auch so aus: Zeitungstitel in Frakturschrift, klassisches Layout. Natürlich gibt es auch Magazine: Die überwiegende Zahl hat eine knapp bekleidete, ziemlich schlanke, junge Frau am Cover. Sie heißen dann „Aspire“ „Essence“, „second Style“ oder „First Touch“. Der Inhalt entspricht den Erwartungen, die solche Namen. Fashion in Werbung, Bild und sehr wenig Text, kurz sie schauen hundsnormal aus, als ob sie „Vanity Fair oder „Another“ wären, vielleicht auch „1st“ oder „Madonna“ an unseren realen Zeitschriftenkiosken. Die bekannteste deutsche Zeitung heißt „Avastar“ – ein Wortspiel mit „Avatar“, der Bezeichnung für die virtuellen Personen, die sich im SL und anderen Computerspielen tummeln. Der „Avastar“ ist ein Bastard. Er ist kein reinrassiges Kind des SL, geschaffen für die virtuelle Welt hat ihn die Redaktion der „Bild“-Zeitung. Was man schon an den Titeln erkennt: „VAT A MESS“ heißt die Schlagzeile einer Story in der englischsprachigen Ausgabe, die sich über die realen Auswirkungen des europäischen Steuerrechts auf das künstliche Second Life echauffiert. Medien, das können wir für das wirkliche Leben lernen, die nur auf Mehrheitsfähigkeit aus sind, schauen von Anfang an ziemlich alt aus, auch wenn unbeschränkte Ressourcen zur Verfügung haben oder wenige brauchen. Was sie tatsächlich benötigen würden fehlt offenbar: Human Ressources, auf deutsch: Menschen, die über das Gewohnte hinausdenken. Wobei man einschränken muss: Dass der Avastar 35 oder 39 Seiten hat und die vierte Umschlagseite des Aspire werbefrei schwarz ist, stellt eine echte Innovation dar. Das wäre in unserer Welt nur schwer zu realisieren.
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