Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Voves, ich komme! Hmmm - Oder doch nicht?
Mittwoch, 12. Dezember 2007
WoWagners Gartenlaube fortschrittlichen Schrifttums


Als ich die ersten Kapitel von Lester Browns „Plan B 2.0, Mobilmachung zur Rettung der Zivilisation" las, dachte ich: „Das muss ich dringend einem wichtigen Entscheidungsträger geben!"

Ich war Feuer und Flamme, wenngleich doch ein wenig gebremst von dem Hinweis im Vorwort, dass Ted Turner allein „3569 Exemplare bestellt hatte, um sie an Staatschefs" u. ä. weiterzugeben (S. 12). Ich sah mich schon vor Voves stehen. An diesem Punkt erlitt mein Enthusiasmus einen weiteren Einbruch. Der Landeshauptmann musterte mich in meiner Vorstellung sehr skeptisch. Nicht wegen meiner langen Haare, oder weil ich dem Klischee vom schrägen Vogel doch ein wenig entspreche, sondern aus natürlichem Misstrauen. Ich könnte ja von einer obskuren Sekte kommen, irrwitzigen Verschwörungstheorien nachhängen oder sonstwie schlimm danebenstehen.

Was nun hatte mich an dem Buch trotz des sonderbaren Titels so begeistert? Die ersten Kapitel führen uns eindringlich vor Augen, dass es mit unserem Planeten und mithin auch mit uns demnächst noch rapider, als wir es inzwischen schon fast gewohnt sind, bergab gehen könnte.

Die „natürlichen Stützsysteme" brechen mit verblüffender Geschwindigkeit zusammen. Brown beruft sich auf eine fundierte Datenlage, die schon die Berichte seines „Worldwatch-Institute" auszeichnete. Ohne radikale Umstellungen gibt es keinen Weg, der nicht in der Katastrophe endet.

Im zweiten Teil des Buches führt er die möglichen Schritte vor, die eine Weiterführung der Zivilisationen erlauben, präsentiert Schätzungen der Kosten und zeigt positive Beispiele auf.

Grob zusammengefasst sind folgende Schritte nötig: Stabilisierung der Weltbevölkerung und des Klimas, Sanierung des Planeten von Wiederbewaldung bis zur Rettung der Meere, Aufbau ökologischer Städte und Aufbau einer neuen Wirtschaft. Leider stieß mir in der zweiten Hälfte des Buches die zeitweise bemüht technokratische Wortwahl ungut auf, wodurch mein Bedürfnis, es dem Landeshauptmann in die Hand zu drücken, noch weiter abnahm. Mir wird ganz übel, wenn dieser vom „Holzcluster" zu reden beginnt. Browns Begriffe klingen teilweise ähnlich: Effizienz ist das Zauberwort schlechthin. Andere sprachliche Missbildungen sind: Humanressourcen, Biomasse, Proteinproduktion usw. All diese Worte erinnern mich an das unsägliche „Robbenernte", ein Musterbegriff der kalten Sprache der Gewalt. Trotzdem: Das Buch ist wichtig! Ich ende hier mit einem aufbauenden Zitat, das gut in die Vorwahlzeit passt. Der Bürgermeister von Bogota, Penalosa, stellte sich nach seiner Amtsübernahme 1998 „nicht die Frage, wie man das Leben der 30 Prozent der Einwohner, die ein Auto besaßen, verbessern könnte; er wollte wissen, was man für die 70 Prozent ... tun kann, die kein Auto hatten. Penalosa erkannte, dass eine Stadt, in der sich Kinder und ältere Menschen wohlfühlen, für jedermann ein angenehmer Wohnort wäre ... Unter seiner Führung wurde verboten, in der Stadt auf Fußwegen zu parken, es wurden 1200 Parks geschaffen, ... hunderte Kilometer Radwege und Fußgängerstraßen angelegt, das Verkehrsaufkommen zur Rush Hour um 40 Prozent gesenkt und 100.000 Bäume gepflanzt. Außerdem band er die Einwohner der Stadt direkt mit ein in die Verbesserungen in ihren Wohngegenden." (S. 291)

Wo steht Graz? Wo wird Graz stehen?

 

 

Lester R. Brown, gründete 1974 das Worldwatch Institute und ist heute Präsident des im Mai 2001 von ihm gegründeten „Earth Policy Institute", eines gemeinnützigen, interdisziplinären Forschungsinstituts in Washingthon D.C.

 

 

Lester Brown: Plan B 2.0, Mobilmachung zur Rettung der Zivilisation, Kai Homilius Verlag (Globale Analysen Bd. 7), 2007, Preis: 20,50 Euro.

 

 

Mag. Wolfgang Wagner, Jg. 1963, Germanist, Autor, Aktivist und Sozialpädagoge führt seit Juli 2006 den Buchladen „Wendepunkt" in der Josefigasse 1, 8010 Graz, Tel/Fax 0316/ 76 52 44, WoWagner@gmx.at

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