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Hier ist es schön - Grazer Ansichtskarten im Grazer Stadtmuseum
Mittwoch, 12. Dezember 2007
„Es gibt viele Menschen, die sich von ihren Vergnügungsreisen an berühmte Orte führen lassen. Sie trinken in ihrem Hotelgarten Bier, und wenn sie dazu angenehme Bekanntschaften machen, freuen sie sich schon auf die Erinnerung. Am letzten Tag gehen sie bis zum nächsten Papierladen; dort kaufen sie Ansichtskarten. […] Die Ansichtskarten, welche diese Menschen kaufen, sehen in der ganzen Welt einander ähnlich. Sie sind koloriert; die Felsen sind grau und rot, die Häuser haben ein geradezu schmerzendes Relief, als könnten sie jeden Augenblick aus der Fassade fahren," schrieb dereinst Robert Musil in „Hier ist es schön".

„Hier ist es schön" ist auch der Titel der aktuellen Ausstellung von Ansichtskarten aus der Sammlung des Grazer Stadtmuseums, die von Mag.a Eva Tropper und DI Margreth Otti konzipiert und kuratiert wurde und die noch bis 6. April 2008 zu sehen ist.

 

 

Blicke auf Graz. Anders als in Ausstellungen mit Ansichten einer Stadt und anders als in den beliebten Büchern der Reihe Archivbilder, wo Ansichtskarten und Fotos der letzten hundert Jahre als Illustration eine Geschichte zur abgebildeten Stadt erzählen sollen, sind in der Ausstellung „Hier ist es schön" die Ansichtskarten die Geschichtsträger für sich. Was sie in ihrer Menge erzählen, ist nicht weniger, als wie im Laufe der Jahre und Jahrzehnte Graz sich öffentlich präsentiert hat.

Seit über 100 Jahren – die älteste Karte, die zu sehen ist, stammt vom Ende des 19. Jahrhunderts – zeigen die Ansichtskarten, was im Laufe der Zeit als sehenswert gegolten hat und was letztlich auch besuchenswert war und ist. Die Ausstellung zeigt also neben Panoramablicken auf Graz und neben Grazer Straßen, Gassen und Plätzen, die vor 60 oder 70 Jahren noch würdig waren, auf Ansichtskarten abgebildet zu werden, auch und vor allem eine Geschichte des Sehens.

In der Ausstellung werden zudem noch die Geschichte des Kommunikationsmediums Ansichtskarte und die Texte der Rückseite erzählt und präsentiert. Die einst Correspondenzkarte genannte Karte wurde ursprünglich noch auf der Bildseite beschrieben, da die Rückseite allein der Adresse vorbehalten war. Erst 1905 kam es mit der von der Postverwaltung verfügten Zweiteilung der Rückseite in eine Adress- und Schreibhälfte zur uns bekannten Postkarte. Damit eroberte das Bild, das bis dahin durch einen Text überlagert war, die Postkarte.

 

 

Vom Motiv zum Icon. Wenn Musil schreibt, alle Ansichtskarten sehen auf der ganzen Welt ähnlich aus, so spricht er den Massenartikel an, dessen Anspruch nicht die Originalität, die künstlerische Qualität und Innovation ist, sondern schlicht die Wiedererkennbarkeit. Graz ist Uhrturm. Diesem Motiv – dem Grazer Uhrturm – und dem Wandel in seiner Abbildung ist der erste Raum gewidmet. Im Laufe der Jahre – das zeigen hunderte Bilder – änderte sich der Blick von einem Panoramabild mit dem Uhrturm im Querformat, damit für den Hintergrund noch genügend Platz ist, zu einem Uhrturmbild im Hochformat ohne Hintergrund, sodass heute der Uhrturm zum Icon wird, das die Stadt im Bild nicht mehr benötigt. Uhrturm ist Graz.

Dass Graz aber bis in die 1950er Jahre auch anders wahrnehmbar war, als als touristisches Wiedererkennungsbild, zeigen die Blicke auf Graz vom Umland, vom Zentrum ins Umland und die Blicke auf die vielen Gassen und Straßen außerhalb des Stadtzentrums. Die panoramatischen Blicke von den Hügeln – vom Rainerkogel, von der Kanzel, dem Plabutsch usw. – auf Graz sind heute aus mehrerlei Gründen verschwunden. Touristen etwa nähern sich nicht mehr von den Rändern her der Stadt. Graz in zwei Tagen heißt Schlossberg und Herrengasse, Zeughaus und Kunsthaus – das neuerdings als Postkartenmotiv neben dem Uhrturm zu den Graz-Motiven zählt. Da ist für eine Landpartie, einen Panoramablick von den Rändern aufs Zentrum, keine Zeit mehr, wie dies die Reiseführer in den 30er Jahren noch geraten haben.

 

 

Von der Vielfalt zum „Wiedererkennungswert". Verschwunden ist im Laufe der Jahrzehnte aber auch der schweifende Blick in die Ferne, bei dem das Wachsen einer Stadt seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Horizont hin beobachten werden konnte. Waren in den 30er Jahren noch Bilder üblich, die Graz mit gewaltigen Gebirgslandschaften und schneebedeckten Gipfeln mittig ins Bild rückten, so verschwanden diese Bilder bald ganz zugunsten der Motive mit Wiedererkennfaktor – Uhrturm am Schlossberg, Schlossberg von Süden mit Franziskanerkirche und Kunsthaus mit Schlossberg.

Im zweiten Raum der Ausstellung sind diese einstigen Blicke von der Peripherie auf das urbane Graz sowie jene vom Zentrum in die Peripherie mit Texten aus historischen Reiseführern zu sehen. Dass in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts Ansichtskarten alles ins Bild gerückt haben, den Hauptplatz genau so wie die Elisabethstraße oder die Bergmanngasse, wird im dritten Raum gezeigt.

Daher: Hingehen und den Blick schweifen lassen.

 

Heimo Halbrainer

 

Ausstellung: Hier ist es schön

Stadtmuseum Graz, Sackstraße 18, 8010 Graz

Ausstellungsdauer: 05. Oktober 2007 – 06. April 2008

Öffnungszeiten: Di-So: 10-18 Uhr

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