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Die Revolution und ihre Kinder - Ernesto Salmerón in den Minoriten Galerien |
Mittwoch, 12. Dezember 2007 | |
Beim Eintritt in die Ausstellungsräume der Minoriten Galerien bereiten die großflächigen Wandfarben Pink und grelles Gelb beinahe Schmerzen. Zwar von diesen Farben überdeckt, bleiben mit schwarzem Spray an den Wänden aufgebrachte Parolen der Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront Nicaraguas (FSLN), Zitate aus Gedichten und Selbstbezichtigungen dennoch lesbar, als sei hier der Versuch unternommen worden, die öffentlichen Manifestationen der gescheiterten Revolution unter den Farben einer neuen Propaganda verschwinden zu lassen. „From the Mountains to the Gallery". Auras de Guerra nennt der 1977 in Managua geborene Nicaraguaner Ernesto Salmerón sein Langzeitprojekt, das er mit Fotografien im Jahr 1996 begann und das inzwischen über Recherche, Video, Installation und Performance zu einer Art von Makro-Objet-trouvé angewachsen ist, mittels dem er die historische und gegenwärtige politische und soziale Situation Nicaraguas in einen internationalen Diskurs bringt. Vornehmlich tritt Salmerón mit diesen Dokumenten persönlicher Auseinandersetzung mit der soziopolitischen Lage in Nicaragua im Kunstkontext auf, wie auf der diesjährigen Biennale in Venedig. Im Arsenal stand ein Lkw, der während des Contrakrieges in einer Solidaraktion aus der DDR nach Nicaragua gebracht worden war. Auf seiner Ladefläche ein Mauerstück, das aus einem Haus in Granada, Nicragua, stammt und auf dem sich ein verwittertes Graffito des liberalen Guerillaführers im Bürgerkrieg 1926/27, Augusto César Sandino, zeigte. „Bewacht" wurde diese Installation von zwei Kriegsveteranen, ehemaligen Gegnern im Contrakrieg.
„Patria o Muerte". Um den Tag der Revolution zu feiern, an dem im Jahr 1979 die Sandinisten die Hauptstadt Managua einnahmen und Somozas Regime stürzten, kommen jedes Jahr am 19. Juli Tausende Anhänger der sandinistischen Bewegung nach Managua. Ernesto Salmerón fotografierte diese Menschen seit 1997 und vor allem im Jahr 2000 an einem Ort zwischen dem Platz der Revolution und dem Johannes Pauls II. Vor einem provisorisch aufgebauten Vorhang, entsprechend der Arbeitsweise lateinamerikanischer Porträtfotografen, inszeniert Salmerón Bilder der Feier einer Revolution, deren Folgen – auch mit dem seit 2006 erneuten Präsidentenamt von Manuel Ortega – sich als Machtbehauptung, Korruption und Manipulation der Bevölkerung abzeichnen. Diese „Vorhangfotografien" sind nun in der Ausstellung der Minoriten Galerien zu sehen. Im Jahr 2004, zum 25. Jahrestag der Revolution, ließ Ernesto Salmerón 5.000 Plakate drucken, die auf einer Seite jene Fotos aus dem Jahr 2000 zeigten und auf der Rückseite das Foto des Graffitos von Sandino, das mitsamt dem originalen Mauerteil später nach Venedig gebracht werden sollte. In einer Videodokumentation und ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sind die Herstellung der Plakate, deren Verteilung und vor allem die Konfrontationen mit den feiernden Menschen, die sich oft brüskiert zeigten, weil Salmerón eine Ortsbeschreibung auf dem Plakat als Ex-Platz der Revolution ausgewiesen hatte.
Gelöschte Geschichte der Revolution. Mit der eingangs beschriebenen Farbgestaltung der Ausstellungsräume spielt Ernesto Salmerón auf die aktuelle Öffentlichkeitsstrategie der Partei von Präsident Ortega an, der mit den neuen Farben versucht, die revolutionäre Vergangenheit der FSLN und deren Farben Rot und Schwarz „auszulöschen", wie Salmerón im Gespräch mit KORSO erzählt. Zugleich gibt sich Ortega, der vor seiner Wahl zum Präsidenten mit den Rechtskonservativen Arnoldo Alemán und Enrique Bolaños einen Zweiparteienstaat errichten wollte, in seinen öffentlichen Auftritten das Image einer Reinkarnation von Sandino. „Nach 16 Jahren kam Daniel Ortega 2006 wieder an die Macht. Das Gesicht der sandinistischen Partei hat sich gegenüber dem der 1980er Jahre geändert", beschreibt Ernesto Salmerón seine Sicht der Situation. „Die neue Regierung ist keine sozialistische oder kommunistische, ich denke vielmehr, es handelt sich hier um eine sehr gefährliche Mischung aus Populismus und Kapitalismus. Nach wie vor gibt es in Nicaragua kein Schul- und Bildungssystem, aus dem kritische Bürger hervorgehen könnten. Die Bevölkerung Nicaraguas ist deshalb leicht zu manipulieren. In Nicaragua werde ich nicht als kritischer Künstler akzeptiert, im Vorjahr wurde eine Ausstellung zensuriert und noch am Eröffnungstag geschlossen. Dagegen wurde ich gleich darauf auf der Biennale in San Salvador für dieselbe Ausstellung ausgezeichnet. In Nicaragua hält man mich für konterrevolutionär, weil ich mich kritisch mit Politik auseinandersetze."
Die Ausstellung Auras de Guerra von Ernesto Salmerón ist Teil des Projektes FUSION, einer Zusammenarbeit des Afro-Asiatischen Instituts Graz, der Kulturabteilung des Landes Steiermark und der Stiftung Casa de los Tres Mundos in Nicaragua. Zu sehen bis zum 18. Jänner in den Minoriten Galerien, Mariahilferplatz 2, 8020 Graz. Informationen unter www.minoritenkulturgraz.at
Wenzel Mraček
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