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Open music - Trio Sydney / Graz / Berlin: frei, atonal, rockig
Mittwoch, 12. Dezember 2007
Zwischen Free Jazz und avantgardistischer E-Musik bewegen sich die Improvisationen des Trios Sydney / Graz / Berlin, zu Gehör gebracht am 12. November im Moxx (Wist-Heim).

Elisabeth Harnik (Klavier), Johannes Bauer (Posaune) und Clayton Thomas (Bass) gingen nicht nur an die Grenzen des dem jeweiligen Instrument Möglichen, sondern bestachen vor allem durch ein ungemein breites Klangspektrum – von subtil-lyrisch über perkussiv bis regelrecht symphonisch – und sich durch Metamorphosen hindurch bewegende und in sich stimmige Spannungsbögen. „Energetisch" ist hier nicht nur im rein klanglich-akustischen Sinne zu verstehen; vielmehr lässt das (strukturale) Wechselspiel zwischen individuellen Bewegungen und der sich in absoluter Harmonie treffenden Kommunikation der drei InstrumentalistInnen jeden Augenblick fühlbar vibrieren. Beinahe tänzerisch werden die Körper zu Instrumenten der Instrumente und umgekehrt.

Die Posaune von holzbläserisch bis gestisch stammelnd: eine Sprache, die nicht Wort wird, zu hastig, zu schnell, um verständlich zu werden, aber voll der Bedeutung und des Ausdrucks. Das Klavier – brillant bis brutal – malt, schreit und singt, den Weg durchs Chaos findend. Der Bass, zwischen Klangteppich, Geräuschkulisse und Schlagwerk wechselnd, überrascht durch diverse Schlag- und Streichwerkzeuge.

Musikverständnis wird hier auf seine wesentlichen Merkmale „reduziert", in Stimmungsvielfalt mündend: Kommunikation, Expression, Toleranz, Verstehen, Sprache, Gestik, Wiederholung und Variation – der Zeitpunkt und die Zeit.

 

 

Weit jenseits von Beliebigkeit eröffnen Sydney / Graz / Berlin einen musikalischen Horizont, den man sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht spannender denken könnte.

Elisabeth Harnik (A), geb. 1970 in Graz, studierte klassisches Klavier, Komposition und Musiktheorie sowie Komposition-Musiktheater bei Beat Furrer. Zahlreiche Stipendien und Auszeichnungen, Mitwirkung bei diversen Formationen als Pianistin und Sängerin, internationale und nationale Festivalauftritte, CD-Einspielungen, Auftragskompositionen, Theatermusik.


 

 

Clayton Thomas (AUS), geb. 1976, ist in Australien eine der zentralen Persönlichkeiten im Bereich der improvisierten Musik. Zusammenarbeit u. a. mit Alexander von Schlippenbach, Marilyn Crispell, Jon Rose. Mitbegründer des NOWnow Festivals, Leiter des Orchesters The Splinter Orchestra.


 

 

Johannes Bauer (D), geb. 1954 in Halle/Saale, erhielt im Alter von zehn Jahren den ersten Posauneunterricht und arbeitet seit 1979 – nach seinem Musikstudium in Berlin – als freischaffender Improvisateur. Mitbegründer der Gruppen Doppelmoppel, Slawterhaus, The Tradition Trio u. a. Zusammenarbeit u. a. mit Peter Brötzmann und Fred Van Hove, seit 2000 Mitglied von BARRY GUY NEW ORCHESTRA.


 

 

Thermal: elektronische Wellen. Am 17.11. traten im Rahmen von Open Music drei Größen der Improvisationsmusik erstmals in Graz gemeinsam auf. Thomas Lehn (Analog-Synthesizer), geboren 1958 in Frödenberg (Deutschland), ist studierter Klassik- und Jazzpianist und begann 1990 mit seiner Arbeit im Bereich der Live-Elektronik. Seit 1994 improvisiert Thomas Lehn auf einem EMS Synthi A aus den Sechzigern, kombiniert und modifiziert damit einzelne Parameter elektronischer Klänge auf faszinierend virtuose und subtile Art und Weise. John Butcher (Tenor- und Sopransaxofon), geboren in Brighton (England), entwickelte seinen Stil vom Rock über den Jazz hin zur Freien Improvisation und elektronischen Musik, der er sich seit der Zusammenarbeit mit Phil Durrant im Jahr 1997 vermehrt verschrieben hat. Andy Moor (E-Gitarre), bekannt als langjähriges Mitglied der niederländischen Punk-Gruppe The Ex, hat sich erst in den letzten Jahren u. a. durch Projekte mit Kaffe Matthews und Cor Fuhler dem Bereich Improvisation und Elektronik zugewandt.

Klangwelten und Nuancenreichtum, zum Teil durch Feedback und einen über die sechs Boxen vermittelten Raumklang erzeugt, wären wohl zwei der Begriffe, mit denen man die Improvisationen von Thermal auf den Punkt bringen könnte. Stilistisch sind Elemente aus Rock (Moor), Jazz (Butcher) und Elektronik (Lehn) festzumachen, die durch spontane Kommunikation – oft durch den Synthesizer vermittelt – zu einer von zaghaft zu monumental reichenden Klangwelle verschmelzen.

Mit Glockentönen der Gitarre, „gestört" durch das Kratzen und Knacksen seines Stromkabels, eröffnete Andy Moor das Konzert. Das Sax imitiert und zwitschert, der Synthesizer gibt den Puls – aber nicht lange, werden strukturgebende Elemente doch sofort nach deren – man hat das Gefühl zufälligem – Entstehen zerstört. Frei von Wiederholung(szwang) gleicht kein Sound dem anderen. Lediglich John Butcher bricht aus der auferlegten Freiheit von Zeit zu Zeit durch melancholisch-singende Melodiefragmente, die er aus von der Gitarre aufgeschnappten Motiven entwickelt, aus.

Andy Moor, umso konsequenter, huldigt neben Rock-Riffs der kontinuierlichen Tonhöhe und setzt traditionelle musikalische Parameter beflissentlich außer Kraft. Seine klanglichen, gemeinsam mit Thomas Lehn formierten Steigerungen machen sich beim Publikum physisch bemerkbar. Von diesen unerwarteten, stets im Bereich des Angenehmen bleibenden Fluten, werden hier auch Nicht-Impro- oder Elektronik-Erprobte überwältigt.

Thomas Lehns Schlussimprovisation, in der er Klänge seiner Kollegen zum Teil als Soundsynthese-Grundlage verwendete, war mehr als überzeugend. Schraubend und mit Nadeln und Platten stechend lieferte er das Resümee: Virtuosität, Kunstanspruch und Hedonismus funktionieren auch ohne Schubladen.

 


Annekatrin Kessler

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