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Widerständige SteirerInnen |
Mittwoch, 12. Dezember 2007 | |
Nach seiner „Heiteren Steiermark" legt der oststeirische Autor, grüne Gemeinderat und Amateurhistoriker Engelbert Kremshofer mit der „Mutigen Steiermark" ein weiteres themenzentriertes Buch zur Lokalgeschichte vor – und bringt darin fast vergessene Ereignisse ans Tageslicht. Im Mittelpunkt des Buches stehen jene, die von der offiziellen Geschichtsschreibung bis vor nicht allzu langer Zeit gerne vergessen wurden: Widerständige aller Art – von den Meuterern und Streikenden der letzten Tage des Ersten Weltkrieges über Bauern, die sich gegen die Lebensmittelaufbringungen zur Wehr setzten, über Wehrmachtsdeserteure und Widerstandskämpfer bis hin zu jenem Thondorfer Bürgermeister, der gemeinsam mit seiner Frau acht Juden versteckte, die auf dem Todesmarsch durch seine Gemeinde getrieben wurden. Aber auch Wilderer und Schmuggler – die auch schon mal dem Ferkel, das sie illegal über die Grenze bringen, Rotwein einflößen, damit es sie nicht durch Grunzen verrät – haben ihren Platz in Kremshofers Buch, genau so wie die (wenigen) Grazer „Achtundsechziger". Ganz nebenbei gelingt es dem Autor auch ein wenig Licht in manche von der offiziellen Geschichtswissenschaft eher vernachlässigte Kapitel der Lokalhistorie zu bringen.
Zu heiß. Das sei auch sein wichtigstes Motiv gewesen, verrät Kremshofer, „dass so wichtige Dinge nicht verloren gehen" – wie etwa die Passagen, die von jenen Menschen handeln, die aus Wehrmacht und Volkssturm desertierten – und vor allem von jenen Mutigen, die ihnen halfen sich vor dem Zugriff der NS-Schergen zu verstecken. „Stefan Karner hat in seinem Buch über den Nationalsozialismus in der Steiermark dieses Thema genau so wenig berührt wie den Todesmarsch der ungarischen Juden", übt Kremshofer Kritik. Und so blieb es dem Amateur-Chronisten vorbehalten, eine der berührendsten Episoden der letzten Kriegstage ans Licht zu holen. „Ich hab’ in einem Buch gelesen, dass in Fladnitz an der Teichalm Eltern sich geweigert haben, ihre Buben zum Volkssturm zu schicken und bin dann hingefahren, um mit den Überlebenden zu sprechen. Die erzählten mir nicht nur ihre eigene Geschichte, sondern berichteten auch von einem Gefecht, das am 26. April 1945 am Hochlantsch zwischen Deserteuren und der SS stattgefunden hat. Auch dort hab’ ich vor Ort recherchiert und erfahren, dass ein Bauer und Waldbesitzer – Peter Griesenhofer vulgo Zach – 45 Deserteure in einer Höhle auf seinem Grund versteckt hat. Nachdem das Versteck von der SS ausgehoben zu werden drohte, verbarg ein weiterer Bauer, Johann Ebner, obwohl er NS-Ortsbauernführer war, zehn der Flüchtigen auf seinem Hof." Der gesamte Fall war bis jetzt nicht dokumentiert, der Chronist, Bürgermeister und Schuldirektor Franz Seidl habe zwar Kenntnis davon gehabt, habe sich aber „nicht drübergetraut", erzählt Kremshofer, weil ihm die Sache nach eigenen Worten „zu heiß" war.
Berührendes und Empörendes. Tiefer als die herrschende Aktenlage erlaubt ist Kremshofer auch in den Fall der 1948 an der slowenischen Grenze ermordeten Gendarmen und in die Aktivitäten von slowenischen Weißgardisten im Grenzgebiet eingedrungen, bei der Recherche des Falles von Weißgardisten wegen angeblicher Spionagetätigkeit für den jugoslawischen Geheimdienst ermordeter junger Steirerinnen hat er vielleicht sogar einiges an persönlichem Risiko auf sich genommen – denn einige der Beteiligten, die niemals zur Verantwortung gezogen wurden, leben noch, und Mord verjährt nicht … Dabei wollte er ja ursprünglich eigentlich ein heiteres Buch schreiben, gesteht der Ottendorfer. Und über weite Strecken ist das ja auch gelungen, wie etwa mit der Geschichte jenes antifaschistisch eingestellten Bauern, der seine beiden Ochsen „Adolf" und „Hermann" nannte und sie lautstark beschimpfte, wenn er sie durch den Ort trieb … oder mit dem Kapitel über den Schmuggel von zwei Schafen von Jugoslawien nach Österreich, der mit der – unwissentlichen – Hilfe von Grenzhütern organisiert wurde. So vereint Kremshofers Buch getreu der Vorlage, die ihm die Geschichte geboten hat, Lustiges und Trauriges, die Menschlichkeit Berührendes und sie Empörendes – und lohnt genau deswegen die Lektüre.
Christian Stenner
Engelbert Kremshofer: Mutige Steiermark. Ottendorf: Eigenverlag des Autors 2007. 224 Seiten, 18,--, zu bestellen unter kremshofer@gmx.net
KORSO verlost in Kooperation mit dem Autor drei Exemplare beim Kulturquiz unter www.korso.at
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