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Danny Schechter: "Die Situation im Irak wird durch die Medien verzerrt"
Mittwoch, 12. Dezember 2007
Den Nährboden für demokratische Systeme bilden Medien-Vielfalt und Unabhängigkeit der Berichterstattung. Bei der ELEVATE-Podiumsdiskussion „Medien & Demokratie" debattierte der US-Medienkritiker Danny Schechter u.a. mit dem Filmemacher Ian Inaba und dem dänischen Dokumentarfilmer Karsten Kjaer über die Konzentration und Verödung der Medienlandschaft, die nicht nur in den USA stattfindet, sowie über praktikable Gegenkonzepte zu dieser Entwicklung.

Schechter war als TV-Journalist für ABC und CNN tätig, bevor er sich vor zwanzig Jahren auf die „andere" Seite schlug und die unabhängige Medienplattform mediachannel.org gründete. Er drehte mehrere kritische Dokumentationen, die leider kaum ihren Weg nach Europa gefunden haben. Josef Schiffer sprach für KORSO mit dem Medienkritiker, der unter dem Nick News Dissector als eine Art Karl Kraus des Internet-Zeitalters ein tägliches Blog führt und aktuelle Storys ebenso wie den Strukturwandel in der Medien-Industrie kommentiert (www.newsdissector.com/blog/).

 

 

Wie hat sich der Charakter der Medien verändert?

Heute ist viel von der Zensur in China und Russland die Rede, aber die Konzentration hat den Charakter der Medien insgesamt in Richtung Newsbiz verändert. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Medienspektrum in den USA durch Fusionen von ungefähr 50 Firmen auf fünf Konzerne konzentriert. Die Landschaft hat sich auch durch das Internet grundlegend gewandelt: vor fünf Jahren war Google noch fast unbekannt, heute ist es eine der Dominanten im Werbemarkt. Zunehmende Unsicherheit bestimmt die Entwicklung, rund die Hälfte der Leute informiert sich schon über das neue Medium Internet, deswegen strahlen die großen Sender über Internet-Streams aus. Der wirtschaftliche Druck zwingt die Menschen mehr zu arbeiten, in der Folge haben sie weniger Zeit sich zu informieren und die Zeitungen wie USA Today haben den Charakter von Fernsehnachrichten übernommen.

 

 

Was sind die Folgen dieser Entwicklungen in der Medienwelt?

Es kam zu einem massiven Dumbing-down der seriösen Presse: In Österreich haben die Qualitätszeitungen einen Marktanteil von 7,4%, während die New York Times gerade mal auf 2,4% kommt. Politiker werden, ähnlich wie hierzulande Haider, als jugendliche Strahlemänner verkauft; bestes Bespiel ist Arnold Schwarzenegger, der aus dem Showbiz kommt. Beim Fernsehen haben die mächtigen Kabelkonzerne das Sagen, der Trend geht immer mehr dazu, vorwiegend Kommentare und meinungsbildende Diskussionen zu machen, weil diese billig zu produzieren sind. Die Medienlandschaft verändert sich noch immer, Konzerne wie News Corp versuchen in neue Bereiche vorzustoßen, kürzlich wurde etwa My Space gekauft. So kommt immer mehr Macht in weniger Hände. Die Konzentration der Konzerne hatte viele üble Folgen, wie das Beispiel der Telefongesellschaften zeigt, die ohne weiteres die Daten ihrer Kunden an die Geheimdienste weitergegeben haben.

Das Internet andererseits kann nicht vollständig von kommerziellen Interessen kontrolliert werden und dort erhält man noch Zugang zu einer Vielfalt an Meinungen. Menschen und Gruppen, die aus der politischen Debatte verdrängt wurden, nutzen heute das Internet, um sich neu zu formieren, wie MoveOn, das 4 Millionen Mitglieder zählt und eine sehr effektive E-mail-Kommunikation aufgezogen hat.

 

 

Sind die Amerikaner überhaupt noch an den politischen Vorgängen interessiert?

Demokratie kann nicht funktionieren, ohne dass die Menschen ausgewogene Informationen erhalten. Das Land ist politisch immer noch sehr gespalten, seit der Oberste Gerichtshof Bush 2000 zum Wahlsieg verholfen hat. In meinem Film „Weapons of Mass Deception" habe ich die Rolle der Medien im Irakkrieg dargestellt. Von 800 Experten, die über den Krieg berichteten, haben sich nur sechs dagegen ausgesprochen. Alle haben an die Existenz von Massenvernichtungswaffen geglaubt. Andererseits hat man durchaus sehr subtile Methoden angewendet, die aus den Marketingstrategien der Geschäftswelt abgeleitet wurden. Der Krieg wird in der Berichterstattung auch steril, sodass er in den Sehern keine negativen Emotionen gegenüber Gewalt auslöst. Alles war perfekt inszeniert, so wie der Sturz der Saddam-Statue, der von einer US-Propagandaeinheit gemanagt wurde. Aus PR wurde PM (Perception Management), man appellierte an ganz simpel gestrickte Stereotype, wie „Osama bin Laden spricht Arabisch und hasst Amerika, also muss es sich bei Saddam Hussein ebenso verhalten". Die US-Medien berichten nur über die Situation der amerikanischen Soldaten und nicht über die Befindlichkeit und das Denken der Iraker.

 

 

Es gibt scheinbar nur wenige Politiker, die das System offen zu kritisieren wagen?

Eine dieser Ausnahmen ist Cynthia McKinney, die als unabhängige Kandidatin Fragen gestellt hat, als die Atmosphäre von Kriegsbegeisterung aufgeheizt war. Ihre Kritik an der Israel-Politik der USA wurde als Antisemitismus gegeißelt und sie war wohl etwas zu naiv in Hinsicht darauf, mit wem sie sich angelegt hatte, als sie Vorgänge um den 11. September 2001 kritisch thematisierte. Die Regierung wollte keine Untersuchung der ganzen Angelegenheit, denn es ist zweifellos wahr, dass hinter der Bush-Regierung Konzerne stehen, die Interessen wahren wollten, um ihre Geschäfte nicht zu gefährden, während Präsident Eisenhower noch in den fünfziger Jahren vor der Macht des militärisch-industriellen Komplexes gewarnt hat.

 

 

Wie sind Sie auf die Idee zu ihrem jüngsten Film gekommen?

Heute ist der Konsum der treibende Faktor des Systems, der durch Schuldenmachen vonseiten der Regierung als auch der Privaten in die Höhe getrieben wird. Der Krieg im Irak verursacht explodierende Kosten, von ursprünglich projektierten 50 Billionen auf über 2 Trillionen Dollar. Das wird und muss ernste Konsequenzen haben. Die chinesische Wirtschaft wächst, während die USA in die Krise laufen, was zur absurden Situation führt, dass der Kommunismus Chinas den Kapitalismus der USA finanziert. Hier liegt auch die Ursache für die derzeitige Schuldenkrise, die das Finanzsystem der USA erschüttert. Das behandelt mein Film „In Debt We Trust", der dieses brisante Thema aufgriff, bevor die Blase heuer im Sommer wirklich geplatzt war.

Die Immobilienkredite, die jetzt faul werden, sind das Produkt leichtsinniger Kreditvergabe, die niedrige Einstiegszinsen bietet, die später angehoben werden. Hunderttausende Menschen verlieren dadurch ihre Häuser, was kaum thematisiert wurde, während die Brände in Kalifornien die Presse wochenlang in Atem gehalten haben. So funktionieren die Medien heute – Spektakuläres wie Tsunamis und Brände füllt die Titelseiten, aber niemand will über jene komplexen Zusammenhänge berichten, die zu einer globalen Wirtschaftsdepression führen könnten.

Es gibt heute zwar keine Zensur, aber es ist schwierig, Low-Budget-Produktionen in die Kinos zu bekommen, denn wirtschaftliche Themen stoßen auf wenig Gegenliebe, während jedermann begeistert Sportereignisse wie die Baseball-Series verfolgt. Leider scheine ich bei meinen Themen immer meiner Zeit voraus zu sein, das war auch bei den Themen Südafrika und Propagandakrieg der USA im Irak der Fall.

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