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"Mehr Tourismusangebote für Familien und Menschen mit besonderen besonderen Bedürfnissen" |
Mittwoch, 12. Dezember 2007 | |
KORSO-Herausgeber Christian Stenner unternahm eine tour d’horizon mit dem ersten LH-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer, zwei Themen standen im Mittelpunkt des Gesprächs: Die Bildungspolitik als einer jener Politikbereiche, in der Schützenhöfer und die steirische Volkspartei durch ihre Vorstöße für eine gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen eine deutlich fortschrittlichere Haltung einnehmen als die Bundespartei – und neue Initiativen im von Schützenhöfer verwalteten Tourismusressort des Landes. Herr Landeshauptmann, sind Sie ein Anhänger der gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen. Nun wären gerade in der Steiermark alle Landtagsparteien – die steirische Volkspartei eingeschlossen – bereit gewesen weit über den nun auf Bundesebene geschlossenen Kompromiss hinauszugehen. Sind Sie nicht auch ein wenig enttäuscht über das Ergebnis? Das bin ich. Die Volksschule als ausgezeichnet funktionierende Gesamtschule der Sechs-bis Zehnjährigen muss eine Fortsetzung in Form der gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen finden, alle Experten bestätigen ja, dass zu früh selektiert wird. Ich bin jetzt vor allem deswegen unzufrieden, weil ich glaube, dass mit diesen Schulversuchen die gemeinsame Schule nicht gelingen wird. Wir haben mitgestimmt, damit niemand sagen kann, wir wollen jetzt plötzlich die gemeinsame Schule nicht mehr, aber ich begreife nicht, warum man sich nicht ein Jahr länger Zeit genommen hat darüber zu reden, an welchen Standorten sie umgesetzt werden soll. Wenn man das gut vorbereitet gemacht hätte, wären die Erfolgschancen größer. Was soll es für einen Sinn machen, wenn in Graz in Hauptschulen, und zwar in solchen, die ohnehin schon Schwierigkeiten hatten, die Klassen zu füllen, nun auch ein AHS-Lehrer steht. Dennoch hoffe ich, dass diese Versuche gut ausgehen.
Sie haben auch gegenüber Ihrer Partei zur Versachlichung der Debatte gemahnt. Ja, weil die Frage der gemeinsamen Schule derzeit standes- und nicht sachpolitisch debattiert wird und weil es auch in der ÖVP viele gibt, die unter Gesamtschule vor allem Nivellierung verstehen. Integration und Leistungsförderung schließen sich aber nicht aus. Und noch etwas: Wir dürfen nicht am Bedarf der Menschen vorbei agieren. Ich war etwa kürzlich in Heiligenkreuz am Waasen bei der Eröffnung eines Hauptschulzubaus. Diese Schule zieht Schüler aus Graz an, weil sie eine Ganztagsschule ist. Wenn heute geklagt wird, dass es zu wenige Kinder im Land gibt, dann sage ich erstens: Es ist und bleibt die Entscheidung der jungen Menschen, ob sie mit oder ohne Trauschein zusammen leben und ob sie Kinder wollen. Aber wenn sie Kinder wollen, dann müssen sie von Vorneherein wissen, dass sie in Heiligenkreuz und überall und nicht nur in Wien und in Graz für den Fall, dass beide Eltern arbeiten und auch die Mutter recht rasch nach der Geburt wieder arbeiten gehen will oder muss, jede Betreuungsmöglichkeit vorfinden, von der Kinderkrippe über den Kindergarten bis zur Ganztagsschule.
Sie haben den Gratis-Kindergarten gefordert, mit einer Finanzierungsvariante, welche die gesamte Finanzierung dem Bund überantworten würde. Nein, ich habe Folgendes gesagt: Wenn Bund und Länder sich einig sind, dass es für Österreich wichtig wäre, nicht nur täglich darüber zu reden, wer die Pflege zahlt, sondern auch darüber, wie wir junge Menschen, die Kinder wollen, unterstützen können, dann ist der kostenlose Ganztagskindergarten eine Möglichkeit. Und da dürfen wir nicht um den Brei herumreden: Das ist für viele Menschen ein finanzielle Frage. Im Sinne der Tatsache, dass jedes Kind gleich viel wert ist, brauchen wir da auch nicht irgendeine Klassenkampfdebatte führen. Der Ganztagskindergarten sollte frei sein, die Finanzierung zu 50% vom Land und zu 50% vom Bund getragen werden. Das würde für den Bund einen Mehraufwand bedeuten, nicht aber für das Land, weil es seinen bestehenden Beitrag einfach weiter bezahlen würde. Unseren Berechnungen nach würde der Mehraufwand für den Bund 250 Mio Euro betragen – für ganz Österreich.
Bei gleich bleibendem Betreuungsschlüssel? Ja, und diese Summe wäre kein Problem, wenn man es ernst meint und Prioritäten setzt – und Kinder müssen Priorität haben.
Neue Prioritäten haben Sie selbst auch in Ihrem Ressort gesetzt – mit dem Ziel einer neuen Markenbildung für die Steiermark unter dem Titel „Interwell". Dabei geht’s um die Verbindung zwischen Wirtschaft, Landwirtschaft und Tourismus. Man muss aufpassen, dass man nicht überall das Gleiche macht: Wenn etwa die Gesundheitswelle rollt und alle Thermen sich ihr verschreiben, weiß man zum Schluss nicht mehr, sind das Krankenhäuser oder Thermen. Wir brauchen in der Steiermark die Unverwechselbarkeit und den Blick dafür, in welchen Bereichen der Markt bereits gesättigt ist. Um noch einmal das gleiche Beispiel zu zitieren: Bei den Thermen geht nichts mehr, auch an unseren Grenzen schießen sie wie Schwammerln aus dem Boden. Anders beim Schitourismus, wenn auch mit jenen Einschränkungen, die uns der Klimawandel auferlegt. Unsere Position ist klar: Dort, wo es schon Schikanonen gibt und wo Weltcuprennen durchgeführt werden, soll man sie auch benützen, weil eine Wintersaison ohne Schnee nicht denkbar ist.
Gerade angesichts des Klimawandels stellt sich allerdings die Frage, ob der Tourismus trotz eines nötigen Strukturwandels nicht ähnlich beharrend agiert wie dereinst die Verstaatlichte Industrie und schlussendlich auf seinen Angeboten sitzen bleiben wird. Zum Einen: Die Steiermark hat ihre Ressourcen nicht vergeudet, sondern genutzt. Andere Bundesländer haben den Fremdenverkehr industrialisiert und schauen jetzt auch so aus. Zum Anderen haben wir erfolgreich den Wohlfühltourismus forciert – mit einer Verbindung aus Thermen, Bergsteigen, Schifahren, Wein und Kulinarik und Städtetourismus. Im letztgenannten Bereich haben wir es geschafft, durch die neuen Flugverbindungen im ganzen Jahr Menschen hier herzubringen und nicht nur zu den Spitzenzeiten. Im Ennstal gibt es heute Hotels, die auch dann überfüllt sind, wenn der Schnee ausfällt, weil sie ein Alternativprogramm anbieten können bis hin zu Erlebnisreisen.
Welche Zielgruppen sollen in Zukunft besonders angesprochen werden? Der Versuch, sich etwa im Thermenland stark auf ausländische, wohlhabende TouristInnen zu orientieren, hat ja nicht wirklich funktioniert. Und: Welche Schienen – abgesehen von den beiden Erfolgssektoren Schi- und Thermentourismus – wollen Sie in Hinkunft besonders forcieren? Der Ausländeranteil beträgt insgesamt 28 bis 30 Prozent, davon stehen die Deutschen mit 21 Prozent absolut an der Spitze, danach die Ungarn, die haben schon die Italiener überholt. Im Thermenbereich beträgt der Ausländeranteil nur 10 Prozent. Das wirkt sich einstweilen noch nicht negativ aus, unter anderem auch deswegen, weil die Preisgestaltung unterschiedlich ist und es so auch Angebote für Familien gibt, die den Euro dreimal umdrehen müssen. Wir müssen beachten, dass auch in diesem Bereich die Unterschiede wachsen: So lange es etwa in Sebersdorf leistbare Angebote gibt, kann man es sich leisten in Waltersdorf ins Hochpreissegment vorzustoßen. Auch das trägt übrigens zur schon genannten Unverwechselbarkeit bei. Noch einmal zu Ihrer Frage: Wir sind schon jetzt das beliebteste Urlaubsland der ÖsterreicherInnen, und auch wenn beim Inlandstourismus noch einiges drinnen ist: Der stärkere Zuwachs muss vom Ausland kommen. Der Geschäftsführer von Steiermark Tourismus, Georg Bliem, bemüht sich derzeit die Auslandswerbung für die Steiermark zu intensivieren – und das wirkt sich langsam, aber merkbar und zunehmend aus. Was die zukünftige Gestaltung des Angebots betrifft, so gilt es, die Thermenstruktur so zu festigen, dass wir in der Qualität unerreichbar werden. Das kostet viel Geld, ist aber zukunftsentscheidend. Der Schitourismus wird weiterhin in der Steiermark beheimatet bleiben. In beiden Segmenten ist bei uns das Hochqualitäts- und -preissegment recht gut entwickelt, das heißt, dass wir uns in Hinkunft auch stärker um den Familienurlaub und die Angebote für Menschen mit besonderen Bedürfnissen kümmern müssen – das betrifft sowohl die Preise als auch eine Erweiterung der Möglichkeiten etwa in den Bereichen Wander- und Erlebnisurlaub. Wir messen auch jenen Menschen, die sich zurückziehen und Atem holen wollen eine große Bedeutung zu, darum fördern wir die Schule des Daseins in St. Lambrecht oder helfen in Admont mit. Und mit fachlicher Unterstützung durch das Land beginnen nicht wenige Beherbergungsbetriebe sich auf spezifische Gruppen zu konzentrieren – von den Diabetikern über Menschen mit Lebensmittel- oder UV-Unverträglichkeit. Hier sehen wir noch großen Bedarf und fördern daher gezielt entsprechende Initiativen.
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