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Pageview-Huren gegen Klingelton-Verkäufer
Mittwoch, 12. Dezember 2007
Kopfzeile von Marin Novak


Online sind selbst Qualitätsmedien mehr um Quantität bemüht.

Das ist eine wirklich erfreuliche Nachricht für alle, die ein Qualitätsproblem mit dem Internet haben: Online-Journalisten sind tendenziell gebildeter als ihre Kollegen in den klassischen Zeitungsredaktionen, weiß der kürzlich erschienene erste österreichische „Journalistenreport". Die schlechte Nachricht gibt es auch: Es hilft nichts. Die Qualität ist nach journalistischen Kriterien mangelhaft. Selbst „Spiegel Online" als allseits anerkannter Qualitätsmaßstab im Netz verdanke seinen anhaltenden Erfolg einem Stil der „von der Allgegenwärtigkeit halbseidener Bildgalerien über ein krachlederne Sprache bis hin zur Übermacht des Boulevards" geprägt ist, analysieren die deutschen Medienexperten Steffen Range und Roland Schweins. Die „Bedienung des breitest möglichen, nach unten offenen Massengeschmacks" (Thomas Meyer, Cicero Juli 2004) ist in den Online-Auftritten viel weiter fortgeschritten als in den Print-Versionen, ob es sich um die Postings im Standard oder die Pinup-Galerien der Krone handelt. „Nachrichten-Sites unterscheiden sich in der Auswahl und Vielfalt ihrer bevorzugten Themen generell in viel geringerem Maße als Zeitungen. Die Erklärung ist einfach: Web-Angebote sind der Quote unterworfen, der Massengeschmack bestimmt das Programm, und der ist immer ähnlich", so Range und Schweins. Im Online-Journalismus findet die Medianalyse jede Sekunde statt. „Wir alle sind Pageview-Huren", befand der amerikanische Internet-Kolumnist James Poniewozik bereits 1999. Weil Online-Journalisten so viel über die Vorlieben ihrer Leser wüssten, würden sie sich immer weniger auf die eigene Urteilskraft verlassen.

 

 

Aber auch wenn Journalisten Online nicht wirklich lieben und die Medienhäuser damit (noch) nicht wirklich viel Geld verdienen – 2006 konnte sich das Internet nur 1,7 Prozent vom österreichischen Werbekuchen abschneiden, dabei allerdings ein Plus von 29 Prozent gegenüber dem Vorjahr verbuchen – ist es für die Medienmacher unverzichtbar: „Das Internet wird in nicht mehr allzu ferner Zukunft der entscheidende Kanal sein, über den sich die Menschen Informationen und Unterhaltung ins Haus und auf ihre tragbaren Endgeräte holen. Danach ist es ein Axiom, also ein evidenter Grundsatz, dass kein Medium und kein Medienunternehmen eine Zukunft hat, wenn es nicht seine Inhalte auch über das Internet verbreitet", sagte ZDF-Intendant Markus Schächter im November 2007 bei den Berliner Zeitschriftentagen. Bei der Gelegenheit bot er Verlegern gleich eine Offensive für Qualitätsmedien an.

 

 

Die scheint auch dringend nötig: Denn im Kampf um Unique Clients, Visits und Pageviews stehen die großen Medienhäuser nicht nur im Wettstreit miteinander, sondern müssen sich auch mit Konkurrenten wie gmx, t-online, und yahoo herumschlagen. Und da ist ein Portal wie sms.at, das im Oktober fast 280.000 Besucher mehr als die Online-Kleine Zeitung anlocken konnte, schon ziemlich lästig.

 

Vielleicht hilft da der Rat des Schweizer Medienprofessors Stefan Russ-Mohl: Qualitätsmedien sollten nicht nur für sich werben sondern Platz bereit stellen, um redaktionell über Medien und Journalismus zu berichten: „Wer das nicht tut, bietet seinen Kunden keine Orientierungshilfe, was journalistische Qualität ausmacht. Kaum verwunderlich, wenn die Publika dann scharenweise im Seichten waten, bei medialen Billigst- oder Gratisangeboten zugreifen und stattdessen viel Geld für Handy-Klingeltöne ausgeben."

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