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Denunziation in der Steiermark während der NS-Zeit |
Samstag, 10. November 2007 | |
Heimo Halbrainer: „Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant." Denunziation in der Steiermark 1938-1945 und der Umgang mit den Denunzianten in der Zweiten Republik. Graz: Clio 2007. 311 Seiten, 29,- Euro Während in Deutschland schon seit den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts der Beitrag breiter Teile der Bevölkerung für die Funktion des NS-Regimes diskutiert wurde, dominierte in Österreich bis in die späten achtziger Jahre der durch die Moskauer Erklärung argumentativ gestützte Mythos von der Rolle der Alpenrepublik als erstes Opfer des faschistischen Expansionsdranges. Dieser Mythos sprach die ÖsterreicherInnen von einer Mitschuld frei. Damit blieb auch der Tatbestand der Denunziation von Regimekritikern als herrschaftsstabilisierender Faktor aus dem Blickfeld ausgespart. Dabei war diese Form quasi zivilgesellschaftlicher Beteiligung an der NS-Herrschaftsmaschinerie kein marginales Phänomen, wie die nun als Buch erschienene Dissertation des Grazer Historikers Heimo Halbrainer nachweist: Zwischen 1938 und 1945 wurden jährlich allein in der Steiermark zwischen 250 und 500 Personen bei Parteistellen, Polizei oder Gestapo wegen verschiedenster Aussagen oder Taten denunziert. Die „Tatbestände" reichten dabei vom weitaus am häufigsten angezeigten „Delikt" regimekritischer Äußerungen über Radiovergehen – also den Empfang so genannter „Feindsender" – über „rassische Vergehen" – etwa Beziehungen zu Juden/Jüdinnen, Zwangs- und Fremdarbeitern bis hin zum Verrat von Deserteuren. Die Folgen für die Betroffenen reichten im günstigsten Fall von einer Niederschlagung – vor allem dann, wenn die NS-Autoritäten zur Ansicht kamen, dass die Denunziation grundlos und aus privater Missgunst erfolgt waren, konnte dies sogar Folgen für den Denunzianten haben – über Gefängnis- und Zuchthausstrafen bis hin zur Todesstrafe oder der ihr oft gleichkommende Verschickung in ein KZ auch für geringe Vergehen. So wurde etwa die Steirerin Angela Friedl wegen einer kriegskritischen Äußerung von der Blockleiterin der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt denunziert, vom OLG Graz zu einem Jahr Kerker verurteilt und nach der Haftverbüßung ins KZ Ravensbrück überstellt, wo sie am 22. Jänner 1945 verstarb. Sechs Prozent der wegen „Abhörens von Feindsendern" Denunzierten kamen in der Folge der Denunziation ums Leben, da sie entweder im KZ starben, im Strafbataillon umkamen oder sich bei der Verhaftung das Leben nahmen; ein Trofaiacher Ehepaar wurde wegen dieses Vergehens und der Weiterverbreitung der Informationen zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die DenunziantInnen waren zumeist engere Bekannte, Nachbarn, ja sogar Familienangehörige des Opfers – Menschen, in deren die Betroffenen meinten ihre Meinung freier äußern zu können. Besonders bestürzend: 28% der DenunziantInnen waren nicht einmal Mitglied der NSDA oder einer ihrer Vorfeldorganisationen. Der zweite und dritte Teil des Buches sind den Volksgerichtsverfahren gegen DenunziantInnen und der Resonanz gewidmet, die diese Verfahren in der Öffentlichkeit hervorriefen. Nach dem Krieg stellte sich rasch heraus, dass der Tatbestand der Denunziation mit dem herkömmlichen strafgesetzlichen Instrumentarium nur schwer zu verfolgen war; so wurde er in das am 26. Juni beschlossene Kriegsverbrechergesetz aufgenommen. Als Höchststrafe – wenn der Denunzierte zum Tode verurteilt wurde – war lebenslanger schwerer Kerker vorgesehen. An den Volksgerichten Graz und Leoben wurden insgesamt immerhin 2333 Verfahren gemäß dem einschlägigen Paragraphen 7 des Gesetzes geführt; in 527 Fällen kam es zu Schuldsprüchen, von denen wiederum 58 in Urteile über Gefängnisstrafen von über zwei Jahren mündeten. Und auch für die Denunziationsverfahren gilt, was Halbrainer für die Kriegsverbrecherprozesse im Allgemeinen feststellt: der kurzen Phase der „Abrechnung" nach Kriegsende folgt der Wunsch nach einem Ende der Aufarbeitung der NS-Verbrechen, der sich letztendlich durchsetzte. cs
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