Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
Matter Sound aus Seiersberg
Samstag, 10. November 2007
Kein Wunder, dass sich ungewöhnlich viele Architekten unter den Premierengästen von „The Sound of Seiersberg", der neuen Koproduktion zwischen Grazer Schauspielhaus und Theater im Bahnhof, befanden. Hatte doch ein Jahr zuvor das TiB auf der Probebühne mit „The Arland Mysteries" eine geniale Brücke zwischen Theater und Architektur, zwischen Horror und Städteplanung, zwischen kollektivem Unbewussten und individuellem Elend geschlagen.

Bezeichnenderweise waren Themen und Text dieser Arbeit damals im Kollektiv entstanden. Für das „Sequel" über Seiersberg zeichnet aber diesmal „nur" eine Einzelperson verantwortlich, die TiB-Schauspielerin und Dramatikerin Pia Hierzegger. Vielleicht liegt in der individuellen Autorenschaft (und der schwerer beherrschbaren, großen Bühne) der Grund, warum der ehrgeizige Ansatz diesmal einigermaßen gescheitert ist. Dabei fängt das Stück über den Ort im Südosten von Graz gut an: Vogelgezwitscher, Autobahnlärm, Schmeichelmusik … „Mantscha", eine magische Wilde aus Seiersberg, die „Nonne der Natur", erschafft und löscht per Handzeichen gleichsam die Welt.

Aber dann muss der Theaterbesucher doch sehr, sehr hart auf das voraussehbare Signal warten, mit dem sie nach eineinhalb Stunden endlich „Blackout" gibt. Dazwischen liegt eine einigermaßen unterhaltsame Pause, die trotzdem zahlreiche Besucher nicht bewegen konnte zu bleiben. Und eine Folge matter Nummern, in der der Hausbau und die wirren Familienverhältnisse der Graz-flüchtigen Familie knapp beschrieben werden. Mama, die „Ex", kocht, während die neue Frau namens Maria an permanenter Scheinschwangerschaft laboriert. Das Volkstheater will es, dass sich die beiden in den Haaren liegen, während Tochter Hilde dem kulturellen Angebot der Großstadt Graz nachtrauert und Brüderchen Hans ein epileptisches Tänzchen hinlegt. Der Vater, von Dominik Warta als Harald Schmidt angelegt, versucht das alles unter das neue Dach zu bringen. Diesen Ansiedlern in Seiersberg stehen die „Eingeborenen" gegenüber: Anni und ihr seit Längerem geschlechtsreifer Sohn Jakob, der mit „Mantscha" ein Pantscherl hat. Aber es kommt, wie es kommen muss. Anni beschafft irgendein Kind für Maria, damit ihr Jakob die Hilde heiraten darf.

 

 

Keine große Bühne. Der Rahmen für diese Handlung ist solide. Bühne und Kostüme von Heike Barnard sind geglückt, die Mitglieder des Grazer Ensembles und die des TiB ergänzen sich blendend, und TiB-Chef Ed Hauswirth punktet immer wieder mit kleinen Regieeinfällen. Aber die große Bühne können weder seine Inszenierung noch der Text noch die Musik füllen. Schnell lernt der Zuseher, dass der Griff der Schauspieler nach dem Mikro nur eine akustische Mogelpackung bringt, die Songs werden immer nur angestimmt. Auch Scherze, wie das Zerschmettern eines Hasen auf den Theaterbrettern, Sex in der Abfalltonne, das Naturkind „Mantscha" als Sinn-Cupido mit Pfeil und Bogen oder das Ablesen zuvor eingesammelter Publikumsmeinungen über Graz, bringen den Abend nicht in Schwung. Erst die zweite Halbzeit wird durch das Zelebrieren sattsam bekannter Hochzeitsbräuche aufgepeppt. „Mantscha", die letzte Indianerin, wird zum Pflegefall geschlagen und mutiert zum erotischen Maskottchen des epileptischen Hans. Graz hat, sozusagen geistig, gesiegt, der Neubau ist eine weitere uneinnehmbare Festung in der neuen Welt von Seiersberg. Der prosperierende Ort kriegt, wie einem Interview des Bürgermeisters zu entnehmen ist, drei Prozent des Bruttolohnes aller im Gemeindebereich Beschäftigten. Aber leider sind die hoch bezahlten Akademikerjobs im Osten, in Raaba. Wo die „Arland Mysteries" vergangenes Jahr schockten, weil sie den Mythos der Planungsrationalität ad absurdum führten, schleppt sich der „Sound of Seiersberg" hin, weil er sich halb (aber eben auch nur halb) auf diesen Mythos einlässt. Die verstörende Anarchie kann durch cooles, ästhetisches Laisser-faire schwer ersetzt werden.

Der Rahmen für diese Handlung ist solide. Bühne und Kostüme von sind geglückt, die Mitglieder des Grazer Ensembles und die des TiB ergänzen sich blendend, und TiB-Chef punktet immer wieder mit kleinen Regieeinfällen. Aber die große Bühne können weder seine Inszenierung noch der Text noch die Musik füllen. Schnell lernt der Zuseher, dass der Griff der Schauspieler nach dem Mikro nur eine akustische Mogelpackung bringt, die Songs werden immer nur angestimmt. Auch Scherze, wie das Zerschmettern eines Hasen auf den Theaterbrettern, Sex in der Abfalltonne, das Naturkind „Mantscha" als Sinn-Cupido mit Pfeil und Bogen oder das Ablesen zuvor eingesammelter Publikumsmeinungen über Graz, bringen den Abend nicht in Schwung. Erst die zweite Halbzeit wird durch das Zelebrieren sattsam bekannter Hochzeitsbräuche aufgepeppt. „Mantscha", die letzte Indianerin, wird zum Pflegefall geschlagen und mutiert zum erotischen Maskottchen des epileptischen Hans. Graz hat, sozusagen geistig, gesiegt, der Neubau ist eine weitere uneinnehmbare Festung in der neuen Welt von Seiersberg. Der prosperierende Ort kriegt, wie einem Interview des Bürgermeisters zu entnehmen ist, drei Prozent des Bruttolohnes aller im Gemeindebereich Beschäftigten. Aber leider sind die hoch bezahlten Akademikerjobs im Osten, in Raaba. Wo die „Arland Mysteries" vergangenes Jahr schockten, weil sie den Mythos der Planungsrationalität ad absurdum führten, schleppt sich der „Sound of Seiersberg" hin, weil er sich halb (aber eben auch nur halb) auf diesen Mythos einlässt. Die verstörende Anarchie kann durch cooles, ästhetisches Laisser-faire schwer ersetzt werden.
Für alle, die schon „Hinterholz 8" mochten. Oder gern freundlichen Beifall spenden.

Willi Hengstler

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