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Toller Freischütz |
Samstag, 10. November 2007 | |
Die Geschichte des Jägers Max, der sich auf Zureden seines Kameraden Kaspar dem Bösen ausliefert, um seine Geliebte nicht zu verlieren, hat mittlerweile auch Einzug in die progressive Massenkultur gefunden. Die Version des Sängers Tom Waits nach einem Libretto des US-Avantgardisten William S. Burroughs hat der ersten deutschen Oper von Carl Maria von Weber aus dem Jahr 1821 noch mehr Bekanntheit verschafft. Die Aufführung von „Der Freischütz" in der Grazer Oper beeindruckt nicht nur durch ihre dichte, kraftvolle Musikalität. Sie besticht vor allem auch durch eine Klarheit, mit der der Italiener Marco Arturo Marelli die Motive dieses unheimlichen Märchenspiels herauspräpariert. Schon in der Ouvertüre präsentieren sich die beiden gegensätzlichen Haltungen – heiliger Eremit und Teufel Samiel –, durch die ganze Bühnenbreite voneinander getrennt, vor dem geschlossenen Vorhang. Der Samiel (Gift Gottes) von Schauspieler Ronald Kuste wird in der Folge noch in vielerlei bösen Gestalten beeindrucken. Die Braut schon so gut wie im Bett, kommt dem Jägerburschen Max beim Wettschießen alle Treffsicherheit urplötzlich abhanden. Spott und der drohende Verlust Agathes, der Tochter des Oberförsters, folgen. Archaische Männlichkeit – phallische Gewehre, der glückliche Schuss, Volltreffer! – wird mit der Eroberung der Geliebten und Gründung einer Familie verknüpft. Jürgen Müller verfügt als Jägerbursche Max mühelos über einen schönen Tenor, spielt sich aber etwas unauffällig durch sein Schicksal. Abhilfe schafft aber nicht Viagra, sondern Kaspar, der abgelehnte, rachsüchtige Nebenbuhler mit seinen unfehlbaren Freikugeln. Aber dieser böse Jäger, von Martin Snell ausdrucksstärker gespielt und geschmeidig gesungen, ist ebenfalls ein Getriebener. Er kann sich vor Samiel nur retten, wenn er dem Teufel ein anderes Opfer an seiner statt zuführt.
Anlehnung an expressionistischen Film. Ein aus dem Himmel herausgeschnittenes Fünfeck bildet die eine Spielschräge: Unter dieser Plattform droht die Wolfsschlucht, hausen die bösen Elemente. Das Fünfeck repräsentiert die vier Elemente Feuer, Erde, Wasser, Luft plus Geist, der, nicht an die Materie gebunden, auch dem Menschen innewohnt. Vertikale Strukturen erinnern an Lichtdome, riesige Luftsäulen fahren beim Gießen der Zauberkugeln in der Wolfsschlucht spitzen Riesenbleistiften gleich nieder. Ein aus dem Himmel herausgeschnittenes Fünfeck bildet die eine Spielschräge: Unter dieser Plattform droht die Wolfsschlucht, hausen die bösen Elemente. Das Fünfeck repräsentiert die vier Elemente Feuer, Erde, Wasser, Luft plus Geist, der, nicht an die Materie gebunden, auch dem Menschen innewohnt. Vertikale Strukturen erinnern an Lichtdome, riesige Luftsäulen fahren beim Gießen der Zauberkugeln in der Wolfsschlucht spitzen Riesenbleistiften gleich nieder. Indem Marelli auf die Bilder und Lichtsprache des deutschen expressionistischen Filmes zurückgreift, vermeidet er, dass seine reduzierte Ausstattung zu beliebiger Modernität gerät. Vor diesem Hintergrund wirken auch die paramilitärischen, an Nazischergen erinnernden wilden Gesellen Samiels nicht aufgesetzt. Das absurd heitere Bild mit dem aufklappbaren Hochwild ausgenommen, setzt der Regisseur kaum auf Folklore. Das Forsthaus ist ein abstrahiertes Spielzeughaus, das auf seinem Giebel steht, sobald das Böse überhandnimmt. Maria Bengtsson als sensible, ahnungsvolle Agathe verleiht ihrem Part eine lyrische Innigkeit, der Margareta Klobucars Ännchen fröhlicher, aber mit ähnlicher Überzeugungskraft zur Seite steht. Wirkte der Eremit von Yasushi Hirano optisch auch ein wenig mummenschanzartig, überzeugte er dafür mit einem geschmeidigen, sicheren Bass. Akzeptabel Wilfried Zelinka als Oberförster Kuno und Juraj Hurny als Fürst Ottokar. Insgesamt eine niveauvolle Gesamtleistung. Und vor allem ein überzeugendes, die wildeste Wolfsschlucht souverän durchjagendes Orchester unter einem tritt- und formsicheren Dirigenten Dirk Kaftan. Entrümpelte Romantik, unbedingt sehens- und hörenswert. Noch am 11. und 21. November und am 1., 6., 21. und 30. Dezember. W.H
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