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Styria in Kroatien - eine Erfolgsstory?
Samstag, 10. November 2007
Stellen Sie sich vor, Sie werden von einem Blitzschlag getroffen, überleben glücklicherweise und sehen am nächsten Tag in der auflagenstärksten Zeitung auf der Titelseite Ihr Foto in Großaufnahme im Spitalsbett – mit vollem Namen unter der Überschrift „Blitz ist ihm durch den Penis hinausgefahren". Sie werden sich wahrscheinlich denken, dass es aus ethischen und gesetzlichen Gründen in einer geordneten Gesellschaft unmöglich ist, einen persönlichen Unglücksfall zum öffentlichen Spott zu machen. Genau das ist aber einem jungen Mann aus Vukovar in Kroatien am 20. September dieses Jahres passiert.

Hätte ein anderes Organ als Blitzableiter gedient, wäre sein Schicksal der Tageszeitung „24 sata" wahrscheinlich nicht einmal eine Kurzmeldung wert gewesen. Sie werden sich jetzt denken, dass eklatante Verletzungen der Privatsphäre und Menschenwürde dieser Art eine rein innerkroatische Angelegenheit sind. Im Fall der besagten Zeitung wäre das aber zu kurz gegriffen, denn diese befindet sich im Besitz eines österreichischen Unternehmens.

 

 

Tageszeitung der neuen Generation? Unter der Überschrift „Eine Tageszeitung der neuen Generation" beschreibt der Styria Verlag auf seiner Website überschwänglich sein neuestes „Geschäftsmodell" – wie der Verlag seine Produkte zu nennen pflegt – in Kroatien: „In Kroatien hat die Styria Medien AG eines der spannendsten Kapitel in Europas jüngster Zeitungsgeschichte geschrieben: Mit ‚24 sata’ (24 Stunden) entstand eine völlig neue Tageszeitung im attraktiven, modernen Design des berühmten Mario Garcia. Ein trendiges Produkt, das sich spannend liest, aber nur halb so viel kostet wie die Mitbewerber am Tageszeitungsmarkt. Knapp 100 dynamische, junge Medien-Macher sind am 2. März 2005 angetreten, um mit ‚24 sata’ vor allem die Informationswünsche der neuen Generation Kroatiens zu erfüllen. Mit großem Erfolg: Heute ist ‚24sata’ bereits die klare Nummer 1 in Sachen Reichweite."

Unter der Überschrift „Eine Tageszeitung der neuen Generation" beschreibt der Styria Verlag auf seiner Website überschwänglich sein neuestes „Geschäftsmodell" – wie der Verlag seine Produkte zu nennen pflegt – in Kroatien:
Der „große Erfolg" hat allerdings seinen Preis: Frei nach dem Motto „Der Erfolg gibt uns Recht" treten journalistische Kriterien und Verantwortung stark in den Hintergrund. Um das festzustellen, genügt es, wahllos ein Exemplar in die Hand zu nehmen.

So zierten in einer Ausgabe unter der Überschrift „Vom Rollstuhl in den Mercedes" Bilder eines Bettlers die Titelseite, der eine Behinderung vortäuschte, um nach getaner „Arbeit" in einen Luxus-Mercedes zu springen. Die ganze Serie der Bilder der Titelgeschichte stammte von einem aufmerksamen Leser, der dafür, wie auf der Titelseite unübersehbar vermerkt, umgerechnet 150 Euro Preisgeld erhielt. Nachahmung zahlt sich demnach aus! Dass man bei der Aufzeigung eines Einzelfalles den vielen wirklich Armen, die durch das sehr weitmaschige Sozialnetz Kroatiens fallen, einen Bärendienst erwiesen hat, muss die Zeitung nicht kümmern. Dafür hat sie eine verkaufsfördernde Superstory um läppische 150 Euro erhalten.

 

 

Peinliche Privatheit. Die Innenseiten des Kleinformats sind mit viel Werbung und vor allem dem Zeitgeist gemäß mit unzähligen hauptsächlich paparazziartigen Bildern ausgefüllt. So erfährt der Leser, dass sich eine bekannte 36-jährige kroatische Unternehmerin nicht mehr „oben ohne" auf dem Strand zeige, weil ihr das von ihrem 13-jährigen Sohn verboten wurde. Einen Tanga-Bikini darf sie aber schon tragen, wie man auf dem Foto sieht.

Die Innenseiten des Kleinformats sind mit viel Werbung und vor allem dem Zeitgeist gemäß mit unzähligen hauptsächlich paparazziartigen Bildern ausgefüllt. So erfährt der Leser, dass sich eine bekannte 36-jährige kroatische Unternehmerin nicht mehr „oben ohne" auf dem Strand zeige, weil ihr das von ihrem 13-jährigen Sohn verboten wurde. Einen Tanga-Bikini darf sie aber schon tragen, wie man auf dem Foto sieht.
Bei solcherart peinlicher Privatheit bleibt es aber nicht. Auch plumpe Vulgarität darf nicht fehlen: Neben dem Bild des bekanntesten kroatischen Boxers in Badehose, der gerade seine Hand auf sein Gemächt hält, steht der Kommentar: „Er vergewissert sich, ob alles noch an seinem Platz ist." Die Vulgarität beschränkt sich aber nicht nur auf die Bilder, sie macht auch vor der Sprache keinen Halt. Die Journalisten haben keine Scheu vor Wörtern, die selten ihren Weg in Presseerzeugnisse finden – auch nicht in die zweite Zeitung des Styria Verlags in Kroatien, „Vecernji list" – wie z.B. vulgäre Ausdrücke für Gesäß und Urinieren. So wird in einem Fall ein gestohlenes Auto dem „Vecernji list" nach in einer Straße, die bei Liebespärchen beliebt ist, gefunden, während „24 sata" denselben Vorfall mit folgendem fettgedruckten Titel anführt: „Polizei fand das gestohlene Auto auf dem ‚fuckodrom’".

Glaubte man bisher, dass Texte das sind, was eine Tageszeitung ausmacht, wird man von „24 sata" eines Besseren belehrt. Kaum ein Artikel überschreitet die Länge einer SMS-Nachricht. Als einer der längsten Beiträge entpuppt sich die Beschreibung eines Philips-Produktes unter der Überschrift „Ein kleines Bügeleisen für große Reisen". Ob es sich dabei um eine bezahlte Werbeeinschaltung oder um einen redaktionellen Beitrag handelt, wird dem Leser vorenthalten.

 

 

Von der Jugend gewünscht, von Pensionisten gelesen. Da sich „24 sata" nach den Angaben der Herausgeber anschickt, „die Informationswünsche der jungen Generation Kroatiens zu erfüllen", und diese bekanntlich im Internet danach sucht, lohnt sich auch ein Blick auf die tägliche Webausgabe der Zeitung. Hier fallen offensichtlich nicht nur die sprichwörtlichen letzten Hüllen des schönen Geschlechts (man kann die hüllenlose Schönheit, die die letzte Seite der Printausgabe schmückt, in verschieden Posen betrachten und ihr eine Note geben), sondern auch diejenigen des Anstands, der sich normalerweise im Respekt vor der Privatsphäre der Menschen manifestiert. Man gewinnt den Eindruck, dass hier ohne Rücksicht auf Verluste alles veröffentlicht wird, was irgendeinem Leser unter die Handykamera kommt. Die Bandbreite reicht von einer Serie von vier Fotos, auf denen man einen älteren Herrn sieht, der sich auf Grund eines epileptischen Anfalls am Kopf Verletzungen zugezogen hat und hilflos neben den Straßenbahngeleisen liegt, bis zu einem 15-minütigen Video eines auf dem Strand von Makarska kopulierenden Pärchens. Dieses Video wurde übrigens über 200.000-mal angeklickt! Kein Wunder, wenn man weiß, dass sich eine Szene aus diesem Video sogar als Aufmacher der Printausgabe über die gesamte Titelseite zog.

Da sich „24 sata" nach den Angaben der Herausgeber anschickt, „die Informationswünsche der jungen Generation Kroatiens zu erfüllen", und diese bekanntlich im Internet danach sucht, lohnt sich auch ein Blick auf die tägliche Webausgabe der Zeitung. Hier fallen offensichtlich nicht nur die sprichwörtlichen letzten Hüllen des schönen Geschlechts (man kann die hüllenlose Schönheit, die die letzte Seite der Printausgabe schmückt, in verschieden Posen betrachten und ihr eine Note geben), sondern auch diejenigen des Anstands, der sich normalerweise im Respekt vor der Privatsphäre der Menschen manifestiert. Man gewinnt den Eindruck, dass hier ohne Rücksicht auf Verluste alles veröffentlicht wird, was irgendeinem Leser unter die Handykamera kommt. Die Bandbreite reicht von einer Serie von vier Fotos, auf denen man einen älteren Herrn sieht, der sich auf Grund eines epileptischen Anfalls am Kopf Verletzungen zugezogen hat und hilflos neben den Straßenbahngeleisen liegt, bis zu einem 15-minütigen Video eines auf dem Strand von Makarska kopulierenden Pärchens. Dieses Video wurde übrigens über 200.000-mal angeklickt! Kein Wunder, wenn man weiß, dass sich eine Szene aus diesem Video sogar als Aufmacher der Printausgabe über die gesamte Titelseite zog.
Aus dem offensichtlich regen Betrieb auf diesem Internet-Tummelplatz der Geschmacklosigkeit kann man nicht unbedingt auf die ungeteilte Zustimmung der Internet-Community gegenüber der Zeitung schließen. Wenn man sich nämlich in den kroatischen Chatforen umschaut, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Internetgewandten das Ansinnen der „24 sata"-Herausgeber nicht unbedingt goutieren. Das meist gebrauchte Wort in Bezug auf die Zeitung ist nicht druckreif.

Einen nicht unwesentlichen Beitrag dazu, dass „24 sata" in wenigen Jahren zur auflagenstärksten Zeitung Kroatiens aufstieg, hat außerdem eine Bevölkerungsgruppe geleistet, die genau auf dem entgegengesetzten Pol der ursprünglichen Zielgruppe zu finden ist. Die kroatischen Pensionisten mit ihren sehr knappen finanziellen Mitteln kaufen „24 sata" auch deshalb, weil diese Zeitung nur die Hälfte der anderen kostet. Da kann man sich allerdings nur der Meinung eines Chatforum-Teilnehmers anschließen, der nicht versteht, warum jemand umgerechnet über 40 Cent für so eine Zeitung ausgibt, wenn es in mehreren Teilen Kroatiens die Gratiszeitung „Metro Express" gibt, die noch dazu tatsächlich das auszeichnet, was üblicherweise eine Zeitung ausmacht – sie druckt Texte.

 

 

Boulevardisierung von ungeahntem Ausmaß. Die Boulevardisierung der kroatischen Medienlandschaft wurde bereits von verschiedenen Stellen beklagt. Thomas A. Bauer, Professor am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien und Leiter des JETiC (Journalists’ Education and Training in Croatia)-Programms, stellt fest, dass die Boulevardisierung der Medien in Kroatien nicht geahnte Ausmaße angenommen hat. Die Medienmacher machen sich offensichtlich die Medienunerfahrenheit der jungen Demokratie zu Nutze. Dass aber ausgerechnet ein österreichischer Verlag, der sich noch dazu im Besitz der „Katholischer Medien Verein Privatstiftung" befindet, dabei die Vorreiterrolle spielt, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie.

Die Boulevardisierung der kroatischen Medienlandschaft wurde bereits von verschiedenen Stellen beklagt. Thomas A. Bauer, Professor am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien und Leiter des JETiC (Journalists’ Education and Training in Croatia)-Programms, stellt fest, dass die Boulevardisierung der Medien in Kroatien nicht geahnte Ausmaße angenommen hat. Die Medienmacher machen sich offensichtlich die Medienunerfahrenheit der jungen Demokratie zu Nutze. Dass aber ausgerechnet ein österreichischer Verlag, der sich noch dazu im Besitz der „Katholischer Medien Verein Privatstiftung" befindet, dabei die Vorreiterrolle spielt, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie.

 

Dan Funk

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