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Jesaiah Ben-Aharon: "Es gibt eine Vernetzung, die vor zehn Jahren undenkbar war"
Samstag, 10. November 2007
Jesaiah Ben-Aharon, Sohn des historischen Generalsekretärs des israelischen Gewerkschaftsbundes und Linkssozialisten Yitzhak Ben-Aharon, geb. 1955, ist Philosoph und Biologe und Gründer des anthroposophischen Kibbutz Harduf, der u.a. eine Waldorfschule und einen Kindergarten gemeinsam für israelisch-jüdische und israelisch-palästinensische Kinder betreibt. Er weilte Anfang Oktober auf Einladung der Anthroposophischen Gesellschaft und des Lehrgangs „Global Studies" der Karl-Franzens-Universität zu einem Vortrag in Graz. Ben-Aharon bemüht sich um die jüdisch-arabisch Zusammenarbeit innerhalb der Grenzen des Staates Israel. Mit Ben-Aharon sprach Christian Stenner.

Sie vertreten eine politische Perspektive, zu der sich in Israel inzwischen nur mehr eine verschwindend kleine Minderheit bekennt, nämlich einen gemeinsamen Staat der jüdischen Israelis und Palästinenser … Wenn man mit Persönlichkeiten der israelischen Friedensbewegung und Opposition wie Felicia Langer, Moshe Zuckermann und Uri Avnery spricht, so halten auch sie – obwohl sie prinzipiell die Idee eines gemeinsamen Staates vertreten – diesen heute doch für illusionär.

Ich meine, dass es weder ein Staat sein wird noch zwei; es muss in der Tat ein politisches Staatsgebilde der Palästinenser entstehen, aber kein Staat im herkömmlichen Sinn. Das heißt: Die Palästinenser müssen politische Autonomie und politische Selbstverwaltung erhalten. Was die Ökonomie betrifft, verhält es sich anders –man muss zwischen politischen und wirtschaftlichen Interessen trennen. Die Palästinenser haben ja keine Infrastruktur und Industrie mehr, man kann nicht sagen, seid selbstständig und macht einen eigenen Staat mit Grenzen und Zöllen – das ist ja in Europa auch schon lange vorbei.

 

 

Die Mauer, die gerade errichtet wird und die PalästinenserInnen von den jüdischen Israelis trennen soll, ist ein weiteres Hindernis für das von Ihnen erhoffte Zusammenwachsen der beiden Bevölkerungsteile. Ist das nicht ein Zeichen, dass ihr Optimismus wenig Realitätsbezug hat?

Ich bin optimistisch nach dem Holocaust. Das Gemeinsame wächst immer wieder nach, und dann wird es von oben immer wieder abgeschnitten, aber die Wurzeln einer Pflanze, die immer wieder abgeschnitten wird, werden stärker. Dennoch hab’ ich natürlich Sorgen, dass man diese Pflanze auch töten könnte durch das Abschneiden. Aber – wir müssen einfach zusammenarbeiten, es bleibt uns nichts anderes übrig.

 

 

Moshe Zuckermann hat mir gegenüber geäußert, dass den israelischen Jüdinnen und Juden wegen der demografischen Entwicklung – die Zahl der PalästinenserInnen nimmt deutlich stärker zu –gar keine andere Wahl bleiben wird als die der friedlichen Koexistenz innerhalb der Grenzen Israels.

Ja, aber umgekehrt wird es Israelis geben, die den Arabern aus diesem Grund ihre demokratischen Rechte absprechen werden. Es sind immer beide Tendenzen vorhanden, die positive und die negative. Derzeit stehen die Chancen für eine positive Lösung 50:50.

 

 

Sie haben in Ihrem Vortrag die Rolle der USA im Nahen Osten sehr scharf kritisiert.

Ja, die Amerikaner machen alles noch schlimmer. Sie haben den Krieg im Irak angezettelt, aber wenn es ganz schlimm kommt, können sie sich weit weg zurückziehen – aber wir bleiben da, eine kleine jüdische Minderheit unter einer Übermacht islamischen Staaten. Ich versuche das den israelischen Eliten immer wieder klar zu machen, vor allem jenen, die so stolz darauf sind, dass die Amerikaner und wir in einem Lager stehen. Es ist natürlich toll, mit einem Imperium verbündet zu sein, solange dieses wächst und stabil ist, aber wenn es einmal schrumpft, bleiben wir an seiner Peripherie zurück. Dann haben wir alle islamischen Länder gegen uns.

Auch deshalb ist die Zusammenarbeit mit den Palästinensern so wichtig, diese gemeinsame Arbeit mit der jungen Generation, mit den Kindern, innerhalb der Waldorfbewegung, mit den demokratischen Schulen und den gemischten jüdisch-arabischen Schulen – da gibt es eine Vernetzung, die vor 10 Jahren undenkbar war. Und es gibt auch positive Beispiele: Im Wadi Ara, wo es traditionell arabische Mehrheiten gibt, ist eine gemischte Schule entstanden, da schicken auch Juden ihre Kinder hin – weil man in diesem Tal zusammenlebt, man kauft voneinander, man arbeitet und isst zusammen und man will natürlich, dass die eigenen Kinder nächtens sicher durch die Straßen gehen können. Aber auch in Tel Aviv und in Haifa sind die Beziehungen zwischen den dort ansässigen Juden und Arabern gut.

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