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Wie es euch gefällt |
Donnerstag, 18. Oktober 2007 | |
Der gute Herzog flieht vor dem bösen, dessen Tochter Celia begleitet Cousine Rosalind in die Verbannung, Orlando flieht vor seinem Bruder Oliver, und alle zusammen treffen sich im Wald von Arden. Wald bedeutet in Shakespeares „Wie es euch gefällt" Zuflucht, aber auch böse Magie, Nahrung, aber auch Hunger, Freiheit, aber auch Bedrohung durch wildes Getier. Und vor allem bietet der Wald mit seiner Ambivalenz das ideale Experimentierfeld für Shakespeares als Schäferspiel getarnte Versuchsanordnung über die lächerliche Qual und die blinde Süße der Liebe. Leider gibt es auch eine weniger schöne Assoziation: Die Eröffnung der neuen Spielzeit wird zur Schlacht in den Ardennen, die Opfer sind das Stück, die Schauspieler und, gewissermaßen als Kollateralschaden, die Besucher.
Shakespeares „second life". Intendantin und Regisseurin Anna Badora hat in ihrer Interpretation des Verwechslungsspiels ganz auf virtuelle Realität gesetzt, in der Fluchtwelt des „second life" vielleicht gewonnen, aber dafür in der realen des Theaters verloren. Zwei ungleiche Brüder streiten, ein Machthaber lebt Paranoia aus, zwei Mädchen gehen shoppen, ein Freistilkampf, und stets ist die Einkaufspassage mitsamt anonymen Passanten der Schauplatz. Im Hintergrund mahnt natürlich ein Computerspiel das Regiekonzept ein, in dem der Märchenton durch „freies Flottieren der Signifikanten", durch eine „Ökonomie des Begehrens", durch Virtualität und Avatars ersetzt wird. In diesen „Stunden, da sie nichts voneinander wussten", herrscht nur das Gewusel der Rushhour, die kein Innehalten und keine Begegnungen zulässt. Schon vom Start weg erschreckt Max Mayer als Orlando mit Lautstärke und Hektik, auch die anderen Spieler werden in dieser Aufführung nie heimisch. Die Kostüme sind genau jenes Zeug, das kein Mensch – nicht einmal für einen Maskenball – anziehen würde. Von den Gitarren- und Gesangseinlagen wünscht man sich, dass sie entweder ordentlich gemacht oder gleich weggelassen würden. Dafür ist die Ablöse des Bühnenbildes durch Videos (Andreas Siefert) von Wasserfällen, Wäldern und „Rosalinde-Schriftzügen" ziemlich unverfroren, aber gelungen. Das Gemeinsame zwischen Shakespeares Liebenden und den Flaneuren im „second life" ist ihr Status als Flüchtlinge. Intendantin und Regisseurin hat in ihrer Interpretation des Verwechslungsspiels ganz auf virtuelle Realität gesetzt, in der Fluchtwelt des „second life" vielleicht gewonnen, aber dafür in der realen des Theaters verloren. Zwei ungleiche Brüder streiten, ein Machthaber lebt Paranoia aus, zwei Mädchen gehen shoppen, ein Freistilkampf, und stets ist die Einkaufspassage mitsamt anonymen Passanten der Schauplatz. Im Hintergrund mahnt natürlich ein Computerspiel das Regiekonzept ein, in dem der Märchenton durch „freies Flottieren der Signifikanten", durch eine „Ökonomie des Begehrens", durch Virtualität und Avatars ersetzt wird. In diesen „Stunden, da sie nichts voneinander wussten", herrscht nur das Gewusel der Rushhour, die kein Innehalten und keine Begegnungen zulässt. Schon vom Start weg erschreckt als Orlando mit Lautstärke und Hektik, auch die anderen Spieler werden in dieser Aufführung nie heimisch. Die Kostüme sind genau jenes Zeug, das kein Mensch – nicht einmal für einen Maskenball – anziehen würde. Von den Gitarren- und Gesangseinlagen wünscht man sich, dass sie entweder ordentlich gemacht oder gleich weggelassen würden. Dafür ist die Ablöse des Bühnenbildes durch Videos () von Wasserfällen, Wäldern und „Rosalinde-Schriftzügen" ziemlich unverfroren, aber gelungen. Das Gemeinsame zwischen Shakespeares Liebenden und den Flaneuren im „second life" ist ihr Status als Flüchtlinge.
Nach der Pause besser. Nach der Pause fasst die Aufführung vorübergehend Tritt. Sobald die Mechanik des Märchenspiels ernst genommen wird, beginnt die Utopie zu schweben. Die Brunst, mit der Carolin Eichhorst als Celia und Franz Josef Strohmeier als Oliver übereinander herfallen, ist bei aller Plötzlichkeit verstörend, Julian Greis als Phoebe und Andrea Wenzl als Silvius rühren sogar komisch an. Gerhard Balluch, der den guten und schlechten Herzog spielt, entledigt sich seiner Aufgabe mit schöner Routine, Franz Solar als Amies/Le Beau ist sympathisch. Jan Thümer spielt als Mann gekonnt, aber uninspiriert ein verliebtes Mädchen – Rosalind, die vorgibt, ein Mann zu sein. Shakespeares trickreicher, gelegentlich derber Märchentonfall droht aber in dieser Generalmodernisierung stets – siehe die Verwandlung von Audrey (knackig Susanne Weber) in eine geld- und heiratsgierige Bulgarin – zum politisch fragwürdigen Klamauk zu werden. Nach der Pause fasst die Aufführung vorübergehend Tritt. Sobald die Mechanik des Märchenspiels ernst genommen wird, beginnt die Utopie zu schweben. Die Brunst, mit der als Celia und als Oliver übereinander herfallen, ist bei aller Plötzlichkeit verstörend, als Phoebe und als Silvius rühren sogar komisch an. , der den guten und schlechten Herzog spielt, entledigt sich seiner Aufgabe mit schöner Routine, als Amies/Le Beau ist sympathisch. Jan Thümer spielt als Mann gekonnt, aber uninspiriert ein verliebtes Mädchen – Rosalind, die vorgibt, ein Mann zu sein. Shakespeares trickreicher, gelegentlich derber Märchentonfall droht aber in dieser Generalmodernisierung stets – siehe die Verwandlung von Audrey (knackig ) in eine geld- und heiratsgierige Bulgarin – zum politisch fragwürdigen Klamauk zu werden. Gespielt wurde nach der Übersetzung des verstorbenen Thomas Brasch mit Ergänzungen des Grazer Dramatikers Christian Winkler. Texttreue, Werktreue, Regie- oder Diskurstheater, nichts davon ist zwingend, nichts ausgeschlossen, nichts eine heilige Kuh. Aber man möchte doch wissen, was man nach der Schlachtung eigentlich vorgesetzt bekommen hat. Die Sehnsucht nach dem anderen, dem fremden Geschlecht in einem selber ist nicht nur alter Mythos, sie verweist auch auf eine Art Symmetrie. „Wie es euch gefällt" besteht nur aus Symmetrien – zwei Herzoge, zwei Brüder, zwei Herzogstöchter, zwei Schäferpaare usw. Dass in dieser Spielfassung Jaques im Narren Probstein, dessen Pendant er doch ist, aufgeht, schwächt diese Symmetrie. Verheizt wirkt vor allem die sonst so interessante Martina Stilp als Jaques, woran auch ihr großer Abschiedsmonolog wenig ändert. W. H.
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