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Schenkwirtschaft und das mütterliche Prinzip
Donnerstag, 11. Oktober 2007
Genevieve Vaughan, feministische Theoretikerin aus Texas, war Montag den 24.09. zu Gast im Forum Morgenrot, initiiert von Tatjana Kaltenbeck-Michl. Vaughans Theorie der Schenkwirtschaft versteht sich als fundamentale Herausforderung des Kapitalismus. Nicht der marktwirtschaftliche Tausch, sondern das Schenken sei das grundlegende menschliche Prinzip. Im Italien der 1960er/70er entwickelte sie ihre ersten Überlegungen zum Zusammenhang zwischen Ökonomie und Sprache, welche sie in zwei Essays „Communication and Exchange“ (1980) und „Saussure and Vigotsky via Marx“(1981) publizierte. In ihrem Buch „For-Giving, a Feminist Criticism of Exchange“ (1997) geht es Vaughan um einen Paradigmenwechsel vom Tausch hin zum Schenken. Sie meint, wir müssten uns selbst als „homo donans“ und nicht als „homo oeconomicus“ verstehen.

Für KORSO sprach Laila Huber mit der Referentin.



Wie erklären Sie das Zusammenwirken von Sprache, Ökonomie und Schenken?

Ich verstehe Sprache vielmehr als Schenkwirtschaft denn als Tausch, und Kommunikation als Geben und Erhalten von Worten, Ideen, Nachrichten und so weiter. Indem man sprachlich gibt, befriedigt man das Kommunikationsbedürfnis eines anderen Menschen und stellt eine Verbindung her - Worte sind demnach virtuelle Gaben. (…) Wenn du gibst, um die Bedürfnisse eines anderen Menschen zu befriedigen, bist du altruistisch, und diese Form von Schenken geht weiter, diese Person gibt der nächsten und diese wiederum der nächsten und man hat einen Gaben-Kreislauf. Unsere Gesellschaft, als eine auf dem Markt aufbauende, schaut nicht wirklich auf die Bedürfnisse, sie schaut auf Profit und effektive Nachfrage, welche tatsächlich die Nachfrage bzw. die Bedürfnisse jener Menschen sind, die das Geld haben die Produkte zu bezahlen. Deshalb brauchen wir eine Besinnung auf die weiblichen Werte bzw. die Art und Weise die Güter entsprechend den Bedürfnissen zu verteilen.



Warum funktioniert die Hegemonie der Tauschwirtschaft, während die Schenkwirtschaft unsichtbar ist?

Die Welt gibt eine Billion Dollar pro Jahr für Waffen aus und 80 Milliarden würden reichen, um alle Menschen der Welt zu ernähren. Das bedeutet, dass ein großer Anteil des Reichtums verschwendet wird. Und tatsächlich braucht das System, das auf dem Markt aufbaut den Mangel, um weiterhin Kontrolle ausüben zu können – deshalb wird der so genannte Mehrwert, der gesellschaftliche Reichtum verschwendet. (…) Die gesamte Tauschwirtschaft macht jedoch die Schenkwirtschaft unsichtbar, denn erstere ist kompetitiv, während zweitere kollaborativ ist. Auch machen wir dem Markt viele „Geschenke“, z.B. ist die Hausarbeit ein Geschenk, das die Frauen dem Markt machen. Denn würde man die Hausarbeit mit Geld beziffern, müssten ca. 40% mehr zum BSP der USA hinzugerechnet werden. Aber wir beziffern sie nicht mit Geld und fahren fort sie dem System zu geben, das dafür nichts zahlt, der Kapitalist zahlt für diesen Teil der Arbeit nichts – und so ist es ein Geschenk, eine freie Gabe.


Was ist das Wichtigste das zurzeit zu tun ist?

Es ist vor allem eine bewusstseinsbildende Frage. Wir alle leben in der Marktgesellschaft, aber wir tun auch vieles, das die Bedürfnisse anderer Menschen erfüllt. Es gibt schon zahlreiche Initiativen, die auf dem Schenkprinzip beruhen,
z. B. die freie Software oder auch Solidaritätsarbeit und vieles anderes. (…) Wir sollten das Menschsein auf der Grundlage von „mothering“ definieren und nicht auf der Grundlage des homo oeconomicus. „Mothering“ ist der Beginn von beidem, sowohl von jedem individuellen Leben als auch von Gesellschaftsleben. Was wir zu tun haben, ist dass jeder seine „fürsorgliche“ Identität, seine „mothering“-Ökonomie findet. Auch die Männer müssen ihre „mothering“-Identität in sich selbst finden. Und tatsächlich sagte man in matriarchalischen Gesellschaften, ein Mann, der eine Führungsposition inne haben wolle, müsse wie eine gute Mutter sein.

» 1 Kommentar
1"Sarah Stern"
am Donnerstag, 1. Januar 1970 00:33von Gast
Ich freue mich, dass ihr die Schenkwirtschaft thematisiert, da ich sie auch praktiziere. 
 
Ein link der dazu passt waere 
 
www.geldlos.at
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