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Nobelpreisträger Stiglitz: „Die Globalisierung muss neue Wege gehen“ |
Donnerstag, 11. Oktober 2007 | |
Die jüngste, durch Insolvenzen einzelner Finanzinstitute ausgelöste Hypothekarkrise in den USA, die mit ihren negativen Auswirkungen nicht nur Europa erfasste, hat es mit aller Eindringlichkeit vor Augen geführt: Die weltweite Vernetzung aller wirtschaftlichen Prozesse ist nicht nur engmaschig geworden, sondern birgt auch gewaltige Risiken in sich. Mit diesen und weniger drastischen Erscheinungen der Globalisierung befasste sich der US-Ökonom und Wirtschafts-Nobelpreisträger Prof. Joseph E. Stiglitz bei einem „checkin! Südosteuropa“-Abend, der von der Steiermärkischen Sparkasse und der Infora Consulting Grauo (ICG) veranstaltet wurde. Chancen und Risken liegen nah beieinander. Der ehemalige Clinton-Berater und Chefökonom der Weltbank hat sich mit beiden Seiten der Medaille ausführlich und auf hohem wissenschaftlichen Niveau beschäftigt. In seinem 2002 erschienenen Buch Die Schatten der Globalisierung kritisierte er die Politik des IWF und die Politik der westlichen Wirtschaftsmächte, insbesondere der USA. In seinem neuesten Werk Die Chancen der Globalisierung (2004) spart er zwar auch nicht mit Kritik, versucht aber zu zeigen, dass eine positive Form der Globalisierung möglich ist, wenn nicht Auswüchse eines neoliberalen Kolonialismus, sondern eine Politik des fairen Miteinander in der Weltwirtschaft vorherrschen. Der Ball liegt jedoch zunächst bei den entwickelten Ländern. Die Rolle der Schwellenländer verändert sich. Die Liberalisierung der Handelsbeziehungen hat sich für viele Länder, die sich davon eine Modernisierung und mehr Wohlstand versprochen als eine Täuschung erwiesen, betonte Stiglitz. Bestes Beispiel dafür sei das NAFTA-Abkommen, das zwischen Mexiko und den USA geschlossen wurde: „Ohne Investitionen in die Bildung und die Infrastruktur kann Globalisierung nicht funktionieren. Der Staat darf die Dinge nicht eigenen Gesetzmäßigkeiten überlassen, sondern muss eine aktive Rolle auf diesen Gebieten übernehmen.“ Vor allem der Glaube an die einseitige Senkung von Steuern für Unternehmen hat wenig produktive Auswirkungen, da die internationalen Konzerne schnell weiterziehen, wenn sie woanders bessere Bedingungen vorfinden, wie im Falle Mexikos, das einen Großteil der geschaffenen Arbeitsplätze inzwischen an China und andere asiatische Staaten verloren hat. Das hohe Steuersätze kein Hindernis für den Erfolg sind, bewiesen gerade alle skandinavischen Staaten, die in Ausbildung und Gesundheitssysteme ihrer Länder investieren. G8 wird in Zukunft nicht mehr funktionieren. Für die Zukunft der osteuropäischen Länder sieht Stiglitz optimistische Perspektiven, wenn sie sich an diese Lehren halten. Ein solides Wachstum ihrer Wirtschaften wird in erster Linie durch vom Staat getragene Investitionen und den Aufbau eines Finanzsystems, das auf die Bedürfnisse der Klein- und Mittelbetriebe eingeht, möglich sein. Was die weltweite Lage betreffe, so Stiglitz, gäbe es allerdings auch viele Gründe zur Sorge, die mit einer zunehmenden Instabilität der Währungssysteme, insbesondere in den USA, zusammenhänge. Als eine der Folgen der zügellosen Schuldenpolitik habe sich der Lebensstandard der Arbeitnehmer in den vergangenen dreißig Jahren negativ entwickelt, was sich auf den Konsum auswirke. „Die Lösung der Klimaprobleme muss“, so betonte Stiglitz, „auf einer breiteren Front gesucht werden“, als es die G8-Gespräche ermöglichen: „Mehr als drei Viertel der Luftverschmutzung sind dabei nicht einbezogen, es ist an der Zeit, Länder wie China und Indonesien (wegen der Brandrodung von Regenwäldern der drittgrößte CO2-Emittent der Welt) an den Verhandlungstisch zu holen, um eine umfassende Lösung zu erreichen.“ Josef Schiffer
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