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JR-Studie: „Klimawandel erfordert Investitionen in die Wasserversorgung“
Montag, 10. September 2007
Der Wasserreichtum in den alpin geprägten Zonen Österreichs, die einen Großteil des Staatsgebiets einnehmen, kann nicht darüber hinwegtäuschen: Auch wenn es, wie im heurigen Jahr, zwischendurch immer wieder regenreiche Phasen gibt, so haben die zunehmend heißen Sommer in den vergangenen Jahren in vielen Gebiete bedenkliche Engpässe bei der Wasserversorgung ausgelöst.

Wasser-Pipeline für die Oststeiermark. Besonders betroffen war im Sommer 2003 vor allem die südliche Oststeiermark – während viele Hausbrunnen fast völlig austrockneten, waren selbst die regionalen Versorgungssysteme vom Ausmaß der Dürre oftmals überfordert. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich solche Szenarien wiederholen, nimmt angesichts des objektiv messbaren Klimawandels zu.
Nachhaltige Abhilfe will man eine zentrale Transportleitung quer durch die Oststeiermark schaffen, die von Graz nach Hartberg führen soll. Das Projekt soll im Jahr 2009 fertig gestellt sein, die Gesamtkosten der rund 60 Kilometer langen Leitung werden mit rund 15 Mio Euro veranschlagt. Mit ihrer Hilfe soll die Trinkwassernotversorgung der Ost- und Südoststeiermark dauerhaft absichert werden, wovon rund 300.000 Bewohner in den betroffenen Bezirken Weiz, Hartberg, Feldbach, Fürstenfeld und Radkersburg profitieren werden.

Klimastudie analysiert wirtschaftliche Auswirkungen. Untermauert wird die Notwendigkeit derartiger Maßnahmen nicht zuletzt durch eine brandneue Studie, die die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wirtschaft und den Wasserhaushalt am konkreten Beispiel der Oststeiermark untersucht. Nach Analyse aller Szenarien und Handlungsoptionen empfehlen die Wissenschafter des Instituts für Technologie- und Regionalpolitik der Joanneum Research (JR) den Bau von solchen weiträumigen Wassertransportleitungen als die beste Variante für die zukünftige Wassersicherheit der Region.

Mit dem Herausgeber der Studie, Dr. Franz Prettenthaler, der das Institut für Technologie- und Regionalpolitik der JR in Graz leitet, sprach Josef Schiffer für KORSO über die Folgen des Klimawandels für den natürlichen Wasserhaushalt und dessen wirtschaftliche Auswirkungen.

Warum ist gerade die Oststeiermark besonders durch Wasserknappheit gefährdet?
Die Ursachen der zunehmenden Wasserknappheit wurden in unserer Studie erstmals konkret mit wissenschaftlichen Mitteln analysiert. Wir haben zu diesem Zweck regionale Klimamodelle verwendet, um Niederschlags und Temperatursignale im Vergleich von Zeiträumen zu ermitteln. Die Messreihen deuten darauf hin, dass wir bis 2040/50, bei gleich bleibenden Rahmenbedingungen, mit einer Temperaturzunahme von zumindest 2,5 Grad Celsius vor allem in den Herbstmonaten rechnen müssen. Das hat natürlich gravierende Auswirkungen auf Abnahme und Verdunstung der Niederschläge sowie deren Absorption in den Boden.
Erschwerend kommt von geologischer Seite hinzu, dass die Struktur der tieferen Bodenschichten von kristallinen Gesteinen geprägt ist, die beim Verwitterungsvorgang über die Zeiten hinweg in eine sehr feine Struktur zerfallen sind und somit keine guten Grundwasserleiter darstellen. In Trockenzeiten wird daher eine immer größere Anzahl von Brunnen von Austrocknung betroffen sein.

Inwiefern kann hier eine Wasserzuleitung von außen Abhilfe schaffen?
Grundsätzlich gilt es festzuhalten, dass nur drei Prozent des natürlichen Süßwasserkreislaufs in Österreich genutzt werden. Dadurch besteht die Möglichkeit, regionale Unterschiede durch Transportpipelines relativ schnell und mit vertretbaren Kosten auszugleichen. Durch die hohe Anschlussdichte von inzwischen fast 90 Prozent der steirischen Bevölkerung an die öffentliche Versorgung – auch bedingt durch das Versiegen vieler Hausbrunnen – ist es jedenfalls geboten diese untereinander zu vernetzen, um Engpässe in der Versorgung überbrücken zu können.

Sind die nicht unbeträchtlichen Kosten für diesen Aufwand überhaupt gerechtfertigt, da dieser unter Umständen nur für kurze Zeiträume notwendig ist?
Einige der Gebiete in der Oststeiermark sind bereits jetzt als wasserarme Gebiete zu bezeichnen; dieser unleugbaren Tatsache steht eine stetige Zunahme wirtschaftlicher Aktivität entgegen, die sich insbesondere in wasserintensiven Branchen abspielt, sowohl im produzierenden Gewerbe (Metall-/Nahrungsmittelindustrie) wie auch im Tourismus, am augenfälligsten anhand der zahlreichen Thermen. Die Konsequenz daraus kann nur sein, dass die Politik – abgesehen von Diskussionen um den Klimaschutz – auf diese Herausforderungen reagieren muss, um auf die sich abzeichnenden Veränderungen rechtzeitig zu reagieren.

Welche wirtschaftlichen Folgen hätte ein Ausfall der Wasserversorgung?
Wenn nur während zwei Wochen im Jahr Produktionsausfälle in den wasserintensivsten Betrieben der Oststeiermark stattfinden, bedeutet das in Zahlen einen ökonomischen Verlust von rund 40 Mio Euro bzw. Einbußen von Umsätzen/Produktionswerten in Höhe von 105 Mio Euro. Dem gegenüber stehen die Kosten von etwa 15 Mio Euro für die Hauptleitung bzw. weitere 47 Mio Euro für die bessere Vernetzung der Region.
Das hätte auch gravierende Folge auf die Beschäftigungssituation: Bestehende Arbeitsplätze wären gefährdet, weiters könnte allein bis zum Jahr 2025 dadurch die Schaffung von 4.000 bis 6.000 Stellen verhindert werden. Aus diesen Gründen gibt es keine wirtschaftlich sinnvollen Alternativen zu dieser Transportleitung. Zunächst für eine Grundversorgung von 100 Litern pro Sekunde ausgelegt, wird die Kapazität der Hauptleitung im Endausbau rund 200 Liter pro Sekunde betragen.

Wäre es nicht sinnvoll Wasser sparsamer einzusetzen, um die Vorräte zu schonen?
Die Effizienz beim Wasserverbrauch ist bereits sehr hoch, der Pro-Kopf-Verbrauch ist in den letzten 20 Jahren kaum mehr angestiegen, nicht zuletzt durch den Einsatz moderner Geräte in den Haushalten und verlustfreiere Leitungssysteme.
Außerdem ist angesichts des insgesamt hohen Angebotes an Wasser extreme Sparsamkeit nicht wirklich sinnvoll. Dies belegen z.B. Untersuchungen aus deutschen Städten, die aufzeigen, dass es durch übertriebene Sparsamkeit zu Verstopfungen, Korrosionen und hygienischen Problemen in den Abwassersystemen kommen kann.

Stellen Pipelines nicht auch eine Gefahr dahingehend dar, dass steirisches Wasser ins Ausland verkauft wird?

Zunächst wäre dies an eine Zustimmung der österreichischen Politik gebunden. Außerdem sehe ich es deshalb als wenig wahrscheinlich an, weil es sich schlicht und einfach ökonomisch nicht rechnen würde. Da wäre es für Kroatien oder Italien z.B. wesentlich günstiger, Wasserentsalzungsanlagen an den Küsten zu errichten, die mit weniger Aufwand ausreichend Süßwasser erzeugen könnten.

Buchtipp: Franz Prettenthaler – Andreas Dalla-Via (Hg.): Wasser & Wirtschaft im Klimawandel. Konkrete Ergebnisse am Beispiel der sensiblen Region Oststeiermark. Wien: Verlag ÖAW 2007, 200 Seiten, Preis: 29,- Euro.


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