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ROBIN HUT |
Montag, 10. September 2007 | |
Briefe aus Absurdistan 23. Brief: September 2007 Hallo, alter Freund! Erinnerst du dich an eine unserer Reisen in die Vereinigten Staaten? Und wie wir damals darüber gelacht haben, welche scheinheiligen Moralbürger sie doch sind, die Amis. Da hatten sie gerade das Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen eingeführt. Um der Jugend kein schlechtes Vorbild abzugeben. Hehres Ziel, da waren wir uns damals einig, wenn ich mich recht entsinne. Das adverbial hinzu gefügte „schein“ zum „heilig“ verdienten sie sich mit der Umsetzung der Geschichte: Hehre Ziele hin oder her, finanziert werden Wahlkämpfe immer noch von den großen Firmen und Branchenlobbys, was in Amerika auch völlig legal sein kann. Und bei dem was ein durchschnittlicher, guter Amerikaner jährlich so wegdrückt an Gerstensaft dürften die Brauereien und der Getränkehandel, wahrscheinlich in unheiliger Koalition mit der Wirtschaftskammer der gläubigen Straßenmusikanten schon ordentlich Druck machen können, wenn’s denn sein muss. „Jugend, ja natürlich, was glaubt ihr denn, wer die Kunden von morgen sind?“ Also herrschte zwar Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen zum Schutz der Jugend. Aber genau genommen dürften unter 18-Jährige dann ja ohnehin nicht wissen, was die Menschen da in ihren braunen Papiertüten haben, die sie immer wieder zum Mund führen, wovon sie sichtbar betrunken wurden – denn das war ja nicht verboten – dachte sich wohl irgend ein Schlauli und schon war der Kompromiss gefunden: Um die Bierdose oder die Schnapsflasche musste eine Papiertüte als Sichtschutz gestülpt sein, dann lag nach dem alten Motto „was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“ für das Auge des Gesetzes keine strafbare Handlung vor. Von irgendwoher mussten aber die Jugendlichen doch erfahren haben, was sie ja jetzt eigentlich gar nicht mehr wissen durften. Eifrig rannten sie damals auf den Touristendocks am Hafen in San Francisco herum und verkauften die braunen Papiertüten „for your beer, Sir“ um nur 50 Cent das Stück. Die kleinen Schlitzohren deklarierten es als Protestaktion, aber ich schätze, sie haben auch ganz gut verdient an den Tausenden Menschen, die sich dort jeden tag tummeln. Noch besser gefiel mir persönlich ja die Verarsche eines obdachlosen Bettlers: Er bat auf seinem Schild um „50 Cent für meine Tüte, bitte. Das Geld fürs Bier habe ich schon zusammen.“ Nett war auch eine kleine ironische Fußnote an der Geschichte: Binnen nur weniger Monate hatten finanzkräftige Investorengruppen rund um die entscheidenden Politikerkreise in dieser Gesetzwerdung eine ganze Industrie rund um das neue Gesetz aus dem Boden gestampft: Eigene Trinketuis mit Monogramm sollten sich ebenso zig millionenfach verkaufen lassen wie etwa Papiertüten mit lustigen Sprüchen drauf. Blitzschnell hatten sie Produktpaletten und Werbekampagnen entwickelt und gleichzeitig schon die Produktion der ersten paar hundert Millionen ein geleitet, alle Achtung. Aber wer hätte auch damit rechnen können, dass eine solch politische Großtat, ein doch so hehres Ziel in die güldenen Lettern eines Gesetzestextes zu gießen, nicht einmal dem ersten Ansturm des landesweiten Hohns und Spotts standhalten würde und binnen weniger Wochen wieder außer Kraft gesetzt werden muss. Und warum erinnere ich heute an diese alte Geschichte? Weil wir daraus lernen, dass unser Grazer Bürgermeister doch kein so guter Freund vom Gouvernor Arnie ist, wie er uns immer glauben machen möchte. Denn der war damals schon dort und müsste sich an diese Wochen erinnern. Weil er die Geschichte aber nicht kennt, ist er stolz darauf, unser Herr Bürgermeister, dass er für den Grazer Hauptplatz jetzt auch so eine ähnliche Regelung zustande gebracht hat: Eigentlich gilt dort ein Alkoholverbot. Aber umgelegt auf die Grazer Größenverhältnisse sind halt die Hauptplatzstandler eine ebenso mächtige Lobby wie in Kalifornien die Brauereien, der Getränkehandel und natürlich die Straßenmusikanten zusammen. Also wird das Alkoholverbot nur für Leute gelten, die keine Krawatte tragen. Und sich nicht mit teurem und grauslichem Glühwein am Adventstandl, sondern aus dem mitgebrachten Sixpack zehn Meter daneben antschechern. Aber was wäre, Herr Bürgermeister, wenn der Grazer Humor ausreichte, um vielleicht ein paar „nicht so gut Angezogenen“ Krawatten umzubinden und sie auf einen Glühwein am Hauptplatzstandl ein zuladen? Noch vor wenigen Jahren hatte die Grazer Kulturszene den Mut und manch politischer Gegner den Humor für so etwas. Und wie die Geschichte weiter geht, wenn der Spott einmal los getreten ist: Fragen Sie Arnie oder vertrauen Sie Ihrem Robin Hut
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