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Vom Urbuch zu Meursaults Motiven. |
Mittwoch, 11. Juli 2007 | |
Lichtungen. Zeitschrift für Literatur, Kunst und Zeitkritik 110 / 2007. Schwerpunkt: Literatur aus Dresden. 126 S., 5,-- Euro Die aktuelle Ausgabe der Grazer Literaturzeitschrift „Lichtungen“ versammelt in gewohnter Weise eine Vielfalt an Texten bekannter und weniger bekannter AutorInnen: Die als Teaser eingesetzte Short Story von Ismael Kadare zeigt in sublimer Ironie die zwei Pole menschlicher Existenz – ein genialer Autor, der vom „totalen Buch träumt“ und ein Jahrtausend im Buch der Geschichte auf zwei Seiten zusammenschnurren lässt, bricht im nächsten Atemzug zusammen, weil ihn seine Frau nicht liebt. Sehr persönlich und direkt, fast ein wenig naiv sind die Gedichte des derzeit in Graz lebenden Iren Matthew Sweeney; dunkel und von der ambivalenten Syntax an Hölderlins Hymnen erinnernd die Prosa Ingram Hartingers, amüsant die Fallstricke des internetgebundenen Marktes der Leidenschaften zusammenfassend die Kurzgeschichte Clemens Bergers. Unter einem Schwerpunkt „Literatur aus Dresden“ findet sich der wohl beeindruckendste Text(auszug) des vorliegenden Heftes der „Lichtungen“, nämlich eines der ersten Kapitel des Schelmenromans „Hans-Theodors Karneval oder das Federnorakel“ von Peter Gehrisch, das in alptraumhafter Dichte die Flucht des Protagonisten als Kleinkind 1945 aus der brennenden Stadt an der Elbe beschreibt. Aufschlussreich ist das diesen Abschnitt abschließende Interview Carlos Aguileras mit Axel Helbig, dem Herausgeber der Dresdner Literaturzeitschrift „Ostragehege“, das u.a. das Aufeinanderprallen der zeitgenössischen Ostliteratur mit den Marktgepflogenheiten des westlichen Literaturbetriebes zum Gegenstand behandelt. Überhaupt sind theoretische Texte die Stärke dieser Ausgabe der „Lichtungen“; die Wiedergabe eines psychoanalytisch fundierten Vortrages von Christian Milz über das Mordmotiv Meursaults in Camus’ „L’Etranger“ bringt einen bislang vernachlässigten neuen Deutungsaspekt. Der wie immer von Werner Fenz kuratierte grafische Teil bringt einen Kunst-Bau-Satz, der den Leser / die Leserin in die Lage versetzt, mit ein wenig Bastelarbeit ein Originalkunstwerk zu schaffen. cs
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