Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
20 Jahre Akademie Graz: Was kommt und was bleibt
Archiv - SONDERTEIL: Die ersten zehn Jahre
ImageGeorg Petz, Schriftsteller

„Die Welt, in der wir leben, trägt immer unsere Handschrift", sagt man Emil Breisach nach, doch welche Inschriften sind das – zwanzig Jahre nach Gründung der Akademie Graz – noch, was ist von der Absicht, bewusst an unserer Welt zu schreiben, an ihr mitzuschreiben, Parole geblieben und wo sind die Worte zur Zeit auch mit der Zeit erodiert?

Und: Welche Handschrift könnten wir überhaupt noch in der Welt zurücklassen unter dem Prinzipat von Times New Roman oder den Normsansserifen, die sich als vager Standard über der Hinterlassenschaft einer vor zwanzig Jahren noch zweigeteilten und seit achtzehn Jahren immer weiter zersplitterten, fragentierten Welt eingerichtet haben, als der neue Monoton, in dem die Kakophonie der globalisierten Vielfältigkeit dem zeitgenössischen Zuhörer bisweilen erklingen mag. Oder: Was außer der ganz persönlichen Handschrift des ImageAutors dürfe darüber Bilanz ziehen, mit allen ihren typischen Unlesbarkeiten, ihren untergriffigen Typen: ihren Unterlängen und Unterschwelligkeiten?

Was bleibt: Nach zwanzig Jahren brennt immer noch die Neugier, das ist der bisweilen spitzbübische Blick des Akademiegründers im Café Weitzer, hinter der Rauchsäule und dem kunstvoll in der Balance bewahrten Ascheturm einer Dames hervor, das hat zugleich etwas Biblisches, oder Prophetisches: Das ist immer ein Interesse an der Zukunft. Das ist immer die Offenheit für das Andersartige, für den anderen – der weitere Blickwinkel der Neugier lässt sich nicht in das stirnenge Blickfeld selbstverliebter Befindlichkeiten zwingen –, sei es im Engagement für sozial schwache ImageGruppen wie die Roma oder andere ethnische Minderheiten, für die neuen und minderwertig Beschäftigten oder für ähnlich Minderbelohntes, für Künste und Künstler von der Malwerkstatt bis zum Skulpturenpark und zur Landschaftskunst und in ihrer Lektüre ähnlich staunenmachenden Bibliotheken in der Provinz. Das ist zugleich die Neugier auf alles Außenstehende, Außenseiterische, außerhalb von Graz Gewordene – und trotzdem Gewordene –, das dem autistischen Geist in dieser Stadt, die sich selbst Moderne und Manuskript genug ist, wohltuend entgegenwirkt, wenngleich die Wurzel des Symptoms in der Sauerstoffarmut ihres Sumpfbodens davon unberührt bleibt. Auch das bleibt.

Image Was bleibt zur Zeit zu erkunden? Was gilt es, zurzeit zu fragen? – Wieso ist der Literaturpreis der Akademie Graz der einzige Literaturpreis der Steiermark, der sich nicht selbst den Gefälligkeitsdienst der namentlichen Einreichung und Zuerkennung erweist? Warum sprechen die ausländischen, ausheimischen, außerhalb von Graz heimischen Koryphäen aus Politik, Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung so viele interessierte Bürger an, aber nur wenige ihrer in der Stadt ansässigen Kollegen? Wieso ist es in dieser Stadt bereits Kunst, ein Atelier zu finden? Wieso fördert die öffentliche Hand private Interessen, das persönliche Entertainment, das Eventuelle anstelle des Nachhaltigen, das Halbwertige: das Musical und nicht die Musikalität als ein Ganzes, die ganzheitlich immer noch irgendwo unter den Dächern dieser Stadt – oder eben ohne diese, ohne Probenräume Imageund Auftrittsmöglichkeit – ihr Auskommen findet? Und: Wieso hängt so vieles von so wenigen ab, die noch weniger davon verstehen?

Was gilt es, sich allen diesen Fragen zu stellen im Wissen um diese Abhängigkeit, unter der Prämisse einer Neugierde, die sich nicht selbst als die Antwort auf alle Probleme sieht, sondern unverblümter forschen möchte? ...




Akademie Graz – die Geschichte

Image Die Akademie Graz wurde am 12.8.1987 von Emil Breisach gegründet. Als „Verein zur Pflege von Kultur und Wissenschaft" steht sie für unzählige kultur- und gesellschaftspolitische Aktivitäten und Initiativen, getragen von Breisachs in der Tradition der Aufklärung stehenden Überzeugung, dass wir als mündige Bürger aufgefordert sind, die Verantwortung für unsere Gesellschaft zu tragen und uns aktiv an ihrer Gestaltung zu beteiligen: „Die Welt, in der wir leben, trägt immer unsere Handschrift".
Einige wenige Beispiele aus den vergangenen 20 Jahren: zahlreiche künstlerische Workshops zur Image„Selbstfindung in allen Lebensbereichen und Freisetzung schöpferischer Kräfte" (Breisach) mit Paul Rotterdam, Vinko Globokar, Günther Domenig oder Christian und Wolfgang Muthspiel; die Literaturwettbewerbe seit 1995 mit heute renommierten Preisträgern wie Dimitré Dinev, Bettina Balàka und Georg Petz. Ausstellungen und Kunstprojekte wie 1998 die Gründung des Sommerfestivals La Strada, die Ausstellung „Meisterwerke der steirischen Moderne" im Jahr 2003 oder das 2005 eröffnete LandArt-Projekt im Schlosspark und in der Au-Landschaft in Gleinstätten. Es Imagegab Symposien und Kongresse wie 1991 „Eine Welt – ein Schicksal. Ist die dritte Welt abgeschrieben?" mit Willy Brandt, Karl-Heinz Böhm und dem Konfliktforscher Johan Galtung, „Festung Europa? Menschenrecht und Menschenwürde der Flüchtlinge und Migranten" u.a. mit Heiner Geißler und der Flüchtlingshochkommissarin Sadako Ogata, Symposien aber auch zu „Kunst im öffentlichen Raum" (2006) mit Manfred Erjautz, Walter Grasskamp und Ars-Electronica Leiter Gerfried Stocker. Im November 2006 übergab Emil Breisach die Leitung der Akademie Graz an Astrid Kury, die Breisachs Anliegen einer emanzipatorischen Bildung weiter trägt und das Diskussionsforum der Akademie Graz verstärkt für junge Menschen öffnen möchte.


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