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Für ein sozialeres Europa: Keynes lässt grüßen |
Archiv - Arbeit und Wirtschaft | |
Montag, 13. März 2006 | |
Die Grüne Akademie lud Ende Jänner im Rahmen ihrer Veranstaltungsreihe „Wege aus der Armut" zu einem Diskussionsabend mit dem Ökonomen em. Prof. Dr. Kurt Rothschild.
Im Gespräch mit dem Doyen der österreichischen Wirtschaftswissenschaften wurden konkrete sozial-, finanz- und wirtschaftspolitische Maßnahmen angesprochen, um betroffene Menschen aus der Armutsgefährdung zu führen. Die bei diesem Anlass eingeweihten erweiterten Räumlichkeiten der Grünen Akademie sollen auch „künftig als reges politisches Diskussionsforum dienen", betonte der Moderator Christian Wabl. Globalisierung als Arbeitsplatzkiller? Die Liberalisierung des Welthandels hat gemeinsam mit dem Entstehen von internationalen Konzernen die Beschäftigungslandschaft drastisch verändert, betont Rothschild: „Man kann diese Entwicklung nicht per se als schlecht bezeichnen, aber sie hat den Konzernen durch das ‚Outsourcing‘ von Arbeitsplätzen ein großes Druckmittel in die Hand gegeben." In den fünfziger Jahren gab es angesichts des Kalten Krieges viel mehr Bereitschaft, auf die sozialen Bedürfnisse der Arbeitnehmer einzugehen. „Die Zeiten der Vollbeschäftigung sind jedoch vorüber", konstatiert Rotschild, „das Prinzip des ‚Shareholder Value‘ setzt sich auch in Europa zunehmend durch." Die freie Marktwirtschaft in der EU-Verfassung festzuschreiben, hält er für falsch, eine soziale Marktwirtschaft habe mindestens ebensoviel Berechtigung. Desillusionierung über Europa. „Der Neoliberalismus befindet sich zwar nicht in einer Krise", konstatiert Rothschild, „aber der Widerstand ist gewaltig und die Skepsis der Menschen wächst." In Europa sei noch keine echte Trendumkehr erkennbar, aber geringere Wahlbeteiligung und das „Nein" zur Verfassung drücken Resignation und einen schwindenden Glauben an Europa aus. Ein Weg aus dem Dilemma wäre für ihn, wenn die Europäische Union als Ganzes eine expansivere Investitionspolitik à la Keynes betreiben würde. Ein größeres EU-Budget, in das auch direkte Steuern der Bürger fließen, wäre dafür allerdings eine Voraussetzung. Das Problem liegt nach Rothschild auch darin, dass den einzelnen Ländern die Geldpolitik völlig aus der Hand genommen wurde und nur die Preisstabilität zählt: „Es müsste eine zentrale Behörde für mehr Beschäftigung geben, es gibt de facto keine europäische Beschäftigungspolitik." Beschäftigungspolitik oder Grundsicherung. Die Deindustrialisierung des Westens sei inzwischen eine vertraute Tatsache, aber inzwischen gibt es auch bei den Dienstleistungen eine massive Abwanderung. Die Angst der Menschen vor dem Verlust ihrer Arbeitsplätze habe daher stark zugenommen: „Wachstum ist aber die einzige Chance auf mehr Beschäftigung, Vollbeschäftigung für sich ist kein Selbstzweck." Trotzdem hält Rothschild es für sinnvoll, verschiedene Modelle wie die soziale Grundsicherung oder den Kombilohn in der Praxis zu erproben. Auch erteilt er einer zu pessimistischen Sicht der Lage eine Absage: „Wir konnten uns schon am Beginn der 1. Republik ein Sozialsystem leisten, das vieles von dem was heute existiert beinhaltet." Josef Schiffer
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