Das nachhaltige Magazin für Graz und die Steiermark
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ImageMarina Zettl und Michael Kahr haben nur zwei Dinge gemein: sie kommen beide aus der Steiermark und lieben den Jazz. Ansonsten sind sie so unterschiedlich wie die Mitglieder eines Jazz-Duos nur sein können. Marina, 1982 in Graz geboren, ist spontan, genießt es, im Moment zu leben, hat einen sehr großen Drang nach Freiheit und kann so gar nicht mit Schemen, wie sie etwa in österreichischen Bildungseinrichtungen vorhanden sind. „Mit 17 hab ich die Schule abgebrochen, weil ich singen wollte.

Dann bin ich auf die Jazzabteilung gekommen, um Gesang zu studieren. Aber nach ein paar Jahren hab ich’s auch da nicht mehr ausgehalten. In Bezug auf Stilrichtungen war es mir da nicht offen genug." Nach der Zusammenarbeit mit Mark Murphy, Jay Clayton und Tom Lellis Image wollte sie einfach frei sein für eigene Ideen und Projekte, da hat sie sich eben selbständig gemacht. Zum Durchbruch verhalf ihr unter anderem der Sieg beim ersten bundesweiten Marianne Mendt-Wettbewerb (heuer fand er übrigens im Café Stockwerk zum dritten Mal statt) in Graz 2005, dem ein Auftritt beim Jazz-Festival in St. Pölten folgte. Diesem folgten dann weitere Konzerte; und wenn aus der Singerei nichts geworden wäre, „dann wäre ich heute eben Schauspielerin!"Michael dagegen, geboren 1975 in Bruck/Mur, hat fast sein ganzes Leben in Bildungseinrichtungen verbracht. Seit gut 14 Jahren ist er an Universitäten, studierte in Graz, Deutschland und Australien, arbeitet heute an seiner Dissertation über den australischen Komponisten Claire Fischer und unterrichtet ImageKlavier an der Grazer Jazz-Abteilung. Seine musikalische Karriere begann allerdings mit der Trompete. Während seines Studiums war Klavier zunächst nur ein Pflichtfach. Pianist und Lehrer Fritz Pauer hat ihn aber dazu gebracht, doch die Abzweigung zu nehmen: „Durch den Unterreicht bei Fritz Pauer hab ich beschlossen, das will ich auch können – werd ich wahrscheinlich nie, aber es hat mich zumindest so sehr motiviert, dass ich immer mehr Klavier gespielt hab, und Trompete immer weniger." Noch vor seinem Abschluss ist Michael Kahr nach Deutschland gegangen, um bei einem der berühmtesten und wichtigsten Europäischen Pianisten, John Taylor, zu studieren. Danach und nach einigen Konzertreisen durch diverse Kontinente war sein „Pianisten-Schicksal" besiegelt.

ImageDas Ganze ist mehr als die Summe. Die Zusammenarbeit von Marina und Michael m&m begann 2005. Im Jahr davor hatten sie sich im Casino „bei irgendeinem Sportlerding" kennen gelernt. Beide hatten gehört, dass „eine ganz junge, schüchterne Sängerin singen" bzw. „ein ganz junger, schüchterner Pianist spielen" würde, und hatten beschlossen, sich gegenseitig für die damals noch je eigenen Projekte zu erobern. Marina zeigte ihm eine Eigenkomposition und erzählte ihm von ihrem Plan, noch in diesem Jahr eine CD zu veröffentlichen. Also taten sie es zusammen. Seit dem arbeiten sie fast ausschließlich an und mit gemeinsamen Eigenkompositionen, wobei sich ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten optimal ergänzen. „Teamarbeit" und „kreativer Austausch" sind bei Imagem&m wörtlich zu nehmen. Wenn auch Michael eher für die Musik und Marina mehr für den Text verantwortlich ist, so basiert ihr gemeinsamer Erfolg auf der Mischung, „Musik und Text werden von Marina und mir gemeinsam erarbeitet und bekommen dadurch erst ihr Eigenleben". In Konzerten werden ihre Verschiedenheit und deren künstlerische Aufhebung auf eine abermals höhere Ebene gestellt und erlebbar. „Jedes Konzert ist anders. Wenn zum Beispiel der Michael mal ein längeres Intro spielt, komm ich gleich ganz anders rein, und alles geht in eine andere Richtung." Mit zum Konzept von m&m gehört auch die Zusammenarbeit mit den verschiedensten Gästen, die zu den Konzerten eingeladen werden, wie etwa Richard Österreicher, der Gitarrist Thomas Mauerhofer oder der Akkordeonist Christian Bakanic, die jedem Konzert seinen eigenen Charakter verleihen. „Wenn wir zum Beispiel mit Richard Österreicher spielen, dann wird’s richtig Old-Scool-Jazz. Und wenn wir mit Thomas Mauerhofer spielen oder mit einem Bläser, dann wird’s grooviger oder popiger."Stile haben keine Grenzen. Aber nicht nur die Gäste geben ihrem Stil seine nie gleich bleibende Note. Man könnte ihn als Mischung zwischen Pop und Jazz bezeichnen, aber was heißt das schon? Einfache Akkordfolgen auf der einen, freie Improvisation auf der anderen Seite? Pop und Jazz haben ja nicht viel mehr gemein als die beiden Musiker. m&m machen daraus aber etwas so Natürliches wie Faszinierendes. Für Marina und Michael ist ihr Stil die logische Konsequenz zweier Jazz-Freaks im 21. Jahrhundert. „Ich würde sagen", so die Sängerin, „wir kommen zwar beide aus dem Jazz – ich hab früher zuhause nur Klassik und Jazz gehört, meine Mutter nur Schlager, das hat mich allerdings nicht interessiert – aber da man doch sehr viele popige Sachen hört, nimmt man vieles unterbewusst auf, und dann irgendwann rührt man um, und dann …" Michael spielt mit den Akkorden und den Stilen, wie es gerade passt, aber die Stilmischung wirkt sich auch auf die Struktur ihrer Stücke aus, vor allem, wenn live gespielt wird: „Einerseits spielen wir sie so, wie sie gedacht oder komponiert sind, also gibt es Dinge, die immer gleich sind, aber andererseits gibt’s dann auch wieder sehr viel Freiraum." Die Improvisation spielt also eine große Rolle, daneben die melancholische Wirkung lyrischer Klavierpassagen (die fast schon an Debussy erinnern) sowie die an den Blues anklingenden Gesangsmelodien.

Nur nicht den Kopf zerbrechen. Für Marina ist Musik ihr „Lebensinhalt, Liebe, Energieaustausch", während Michael auch die intellektuelle Herausforderung schätzt: „es gibt immer Neues zu entdecken, das hört nie auf. Und gleichzeitig gibt es in der Musik nie einen Gewinner oder Verlierer." Aber beide wollen keine politischen Statements machen. Ihnen geht es darum, den Inhalt ihres Lebens, das, was sie momentan bewegt, künstlerisch, und damit auch für sich selbst, zu verarbeiten. Der Beruf als Musikerin ist schwer genug, findet die 25jährige Sängerin. „Du kannst dich nirgends verstecken, wie ein Beamter hinter seinem Schreibtisch oder von der ‚Arbeit nachhause gehen’". Die Texte sind dementsprechend intim und autobiographisch. Sie erzählen davon, „was mich selber grad beschäftigt, was ich erlebt hab oder was ich gerne hätte. Zum Beispiel die deutsche Nummer ‚Loslassen’, das hat schon seinen Grund gehabt. Wenn man Musik machen will, braucht man Sensoren auch für die Tiefschläge im Leben."

Für das Duo ist entscheidend, sich selbst in der Musik wiederzufinden und ganz nebenbei das Publikum im Moment zu unterhalten, es sich wohlfühlen lassen. „Nach einem Konzert kam jemand zu uns und meinte, unsere Musik sei wie Therapie", erinnert sich Michael. „Das hat uns zuerst verwundert, aber dann auch gefreut." Die Musik soll für das Publikum zugänglich sein, aber gleichzeitig nicht seicht. Die Menschen berühren, wenn möglich alle Sinne ansprechen, ist das Ziel, „bei uns muss man sich nicht den Kopf zerbrechen".Visuals und Tänzerinnen? Die Zukunft soll noch mehr Vermischungen bringen, und zwar sogar zwischen den verschiedensten Kunstformen. So haben bereits die Grazer Grafikerin Miriam Mone, die auch das CD-Cover gestaltet hat, sowie Grafiker Armin Koch cartoonartige Visuals während einiger Konzerte projiziert. Das wollen m&m zukünftig stärker forcieren. Absolut vorstellbar wäre aber auch „eine Tänzerin oder ein Tänzer, der auf der Bühne tanzt, oder jemand, der live zeichnet oder malt", so die beiden über ihre kommenden Projekte, „und wenn man dann noch ein Glasl Wein dazu trinkt, ist die Mischung perfekt".

Image Die nächste CD ist bereits in Arbeit.
Annekatrin Kessler


BIOGRAFIEN

KAHR Michael, geb. 1975 in Bruck/Mur, www.michaelkahr.com
Ausbildung:
ab 1980 erster Musikunterricht (Blockflöte und Trompete), ab 1985 klassischer Klavierunterricht, 1998 erstes Diplom Jazz-Trompete an der Kunstuniversität in Graz, 2000 Studien an der Musikhochschule in Köln bei John Taylor (Klavier) and Bill Dobbins (Klavier und Theorie), 2001 Abschluss des künstlerischen Hauptfachstudiums Klavier Jazz an der Kunstuniversität Graz mit Auszeichnung und Verleihung des „Magister Artium", 2002 – 2004 Master of Music Studien am Sydney Conservatorium of Music bei Mike Nock and Bill Motzing (Klavier, Arrangement und Komposition) und künstlerische Diplom mit Auszeichnung, 2005 PhD Studien am Sydney Conservatorium of Music mit einem Endeavour International Research Scholarship
Künstlerische Aktivitäten:
Workshops und Aufritte u.a. mit Dusko Gojkovic, Bobby Shew, Michael Abene Karl-Heinz Miklin, Jay Clayton, Mark Murphy, Wayne Darling, Arni Egilsson, Dick Oatts, John Riley, Jazz Big Band Graz, Arbeit als Pianist/Keyboarder und Komponist/Arrangeur im Bereich Jazz, Pop/Rock, Latin, Klassik und Avant-garde, 1999 Worldmusic Tour in Deutschland mit Ruediger Oppermann (Harfe) and Jatinder Thakur (Tablas) (Indien), 2001 Jazz Festival in Saint-Louis (Senegal) als Pianist und Komponist mit dem European African Jazz Orchestra (OJEA) geleiten von Francois Jeanneau (Frankreich). Fete de la Musique in Paris mit OJEA, 2002 Jazz Festival in Saint-Louis (Senegal) mit dem OJEA Tour in Serbien mit dem Karl-Heinz Miklin Quartett Tour in Salzburg/Oberösterreich mit der Lungau Big Band feat. Bobby Shew, CD-Produktion - Michael Kahr Quartet, 2003 Australientournee Michael Kahr Quartet, 2004 Kompositionsauftrag des Gospel Chor Graz – Uraufführung. Konzerte als Sideman und mit eigenen Ensembles in Österreich (Generalihof Jazzfestival Graz) und Australien, 2005 Jazzfestival Wiesen, diverse Konzerte in Österreich, Slowenien, Aegypten, Frankreich, Finnland und USA mit diversen Ensembles.

ZETTL Marina, geb. 1982 in Graz, www.marinazettl.com
Ausbildung:
1988 – 1994 klassischer Klavier unterreicht am Landeskonservatorium Steiermark, seit 1991 Gesangsunterreicht, 1999 – 2004 Studium des Jazz Gesang an der Kunstuniversität Graz
Künstlerische Aktivitäten:
Workshops und Konzerte mit Mark Murphy, Jay Clayton, Tom Lellis, Sheila Jordan, New York Voices, Seth Riggs, Dean Kealin, Ines Reiger, Hansi Lang, Richard Österreicher und Marianne Mendt. 2005 erster Preis beim Marianne Mendt Wettbewerb in Graz, Jazz-Festival St. Pölten. Konzerte mit diversen Chören und Ensembles.

Nächste m&m Konzerte:
11.7.07: Generalihof Graz
21.6.07 Musikwerkstatt Wels
16.11.07 Café Stockwerk Graz

m&m CD ist auf www.crackshop.at erhältlich.


Künstler aus den Ausgaben vor dem Jahr 2006 finden Sie hier! 

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