Der so genannte „Bilbao-Effekt“ – Frank O. Gehrys Guggenheim Museum Bilbao hatte für die spanische Industriestadt einen unglaublichen Imagewandel gebracht – führte in den letzten Jahren dazu, dass Museen als Marketingfaktor entdeckt wurden. Museen sind Wahrzeichen und oft dominiert ihre spektakuläre Architektur über die in ihnen ausgestellte Kunst. Auch Graz kennt dieses Phänomen. Doch die Pläne für die Neugestaltung des so genannten Museumsquadranten (KORSO berichtete im Oktober 2006) zeugen von einer wesentlich subtileren und auf bestehende Strukturen Rücksicht nehmenden Herangehensweise der Architekten Nieto-Sobejano und eep-architekten.
Aufgrund des dringenden Sanierungsbedarfs der drei Häuser in der Raubergasse, der Kalchberggasse und der Neutorgasse sowie des akuten Platzmangels der Landesbibliothek fasste der Landtag im vergangenen Jahr den Grundsatzbeschluss, die Bestandsgebäude zu sanieren und einen Neubau im Hofbereich zwischen den beiden Joanneumsgebäuden zu errichten. Von den gesamten Baukosten entfällt rund ein Drittel auf den Neubau, zwei Drittel der Baukosten werden für die Bestandssanierung aufgewendet. Der Masterplan von DI
Hermann Eisenköck, auf dessen Grundlage das Vergabeverfahren für die Architektenleistungen durchgeführt wurde, sah einen unterirdischen Bau in Form eines Tiefspeichers vor. Ob dieser Bau auch als Erschließungs- und Kommunikationsebene für die beiden Häuser des Landesmuseums und für die Landesbibliothek konzipiert werden würde, wurde den Teilnehmern im Verfahren offen gelassen. Im November des vergangenen Jahres fiel die Entscheidung im Verhandlungsverfahren: Die Madrider Architekten Nieto-Sobejano, die bereits den Wettbewerb für den Dachausbau des Kastner&Öhler-Hauses für sich entscheiden konnten, gingen mit ihrem gemeinsam mit dem Grazer Büro eep-architekten entwickelten Entwurf als Sieger hervor.
Spanier in Graz
Für den Ausbau des Kastner&Öhler-Hauses suchte man Architekturbüros, die mit Bauen im Bestand hervorragende Leitungen erbracht hatten – und stieß auf Nieto-Sobejano. Sowohl in Halle an der Saale bei der Erweiterung des Museums in der Moritzburg als auch beim Museo Canario und dem Museo del Mar im mittelalterlichen Castillo de la Luz in Las Palmas hatten die Spanier ihr Gespür in Bezug auf den sensiblen Umgang mit bestehender Bausubstanz bewiesen. Die weder schrillen noch containerhaft neutralen Projekte sind in ihrer geografischen, kulturellen und historischen Umgebung verwurzelt. „Seit dem Guggenheim-Effekt gibt es eine große Nachfrage nach spektakulären Bauten“, weiß
Enrique Sobejano. „Auch unsere Projekte wurden von der Presse als spektakulär bezeichnet. Letztendlich zählt aber die Qualität. Auch wenn viele der spektakultären Großprojekte der letzten Zeit negative Beispiele sind, so hatten sie doch den Vorteil, dass sie das Interesse für Architektur bei einem sehr breiten Publikum geweckt haben.“ Die gelungene Zusammenarbeit mit dem Kontaktbüro in Graz, eep-architekten, beim Kastner&Öhler-Projekt führte schließlich zum gemeinsamen Wettbewerbentwurf für den Museumsquadranten.
Drei auf einen Streich
Der Entwurf von Nieto-Sobejano-eep gliedert sich in drei Teile: Das Haus Raubergasse mit der Landesbibliothek, der Bauteil Neutorgasse und der Tiefspeicher, der als verbindendes Element zwischen den Häusern wirken soll. Dieser verbindende Teil unter dem Joanneumshof ist mit trichterförmigen Öffnungen durchsetzt, wobei sich in der größten Öffnung der Haupeingang zu allen drei Häusern befindet. Das erste Untergeschoß dient als Verteilebene zwischen Raubergasse, Neutorgasse und Landesbibliothek. „Uns war wichtig, dass auch die Landesbibliothek in diesem Geschoß vertreten ist, dass dieser Eingang für alle drei Häuser der Haupteingang wird. Dies scheint auch der Grund dafür gewesen zu sein, warum dieses Projekt schlussendlich gewonnen hat“, so
DI Gerhard Eder von eep-architekten. Das Besuchergeschoß beinhaltet didaktische Einrichtungen sowie die Freihandbibliothek der Landesbibliothek. Unter dem Besuchergeschoß befinden sich zwei Speichergeschoße, die im Norden vom Joanneum und im Süden von der Landesbibliothek genutzt werden.
Ein neuer Platz für Graz
„Ein zweiter Pluspunkt unseres Projekts war, dass wir keinen Hochbau vorgesehen hatten“, schildert Eder die Charakteristika ihres Entwurfs. „Wir und die Spanier waren uns bei der gemeinsamen Besichtigung des Grundstücks und seiner Umgebung sofort einig, dass wir in dieser Situation keinen Hochbau machen wollen und dass der Raum zwischen den beiden Häusern urbanen Charakter bekommen soll.“
Mehr als die Hälfe der Wettbewerbsentwürfe sah einen Hochbau an der Ecke Neutorgasse-Landhausgasse vor. Zwei wichtige Punkte sprachen für das siegreiche Architektenteam gegen diese Lösung, wie Eder erklärt: „Gegenüber steht eines der wichtigsten Monumente der modernen Architektur in Österreich, das Stadtwerkehaus. Das Gebäude der Steiermärkischen Sparkasse ist bereits zu hoch, das Gebäude in der Neutorgasse ist wie alle öffentlichen Gebäude der Gründerzeit etwas freier ins Grundstück gesetzt. Es war uns einfach wichtig, keinen Hochbau zu machen, weil dadurch auf diese Situation nicht angemessen zu reagieren war.“ Der zweite Hauptpunkt für Nieto-Sobejano-eep war die Zugänglichkeit und die Schaffung eines urbanen Raumes: „Wir haben uns entschieden, auch im Hof keinen Hochbau zu machen. Dadurch bleibt die Situation räumlich offen. Die Erdgeschoßbereiche in der Raubergasse sollen Cafes und/oder Räume für die Museumspädagogik beherbergen. Das bringt Leben auf den Platz und überall, wo was los ist, geht man gern hin. Es ist ein sehr minimalistisches Projekt, das von diesen trichterförmigen Öffnungen lebt. Und es lebt davon, dass es den Raum zwischen den beiden Häusern in einen urbanen Raum verwandelt.“
Licht und Luft
Die Vorgabe eines unterirdischen Baus stellte die Architekten vor die Aufgabe, Licht in die unterirdischen Hallen zu bringen. „Durch die trichterförmigen Öffnungen entstehen Freiräume und die Untergeschoßstimmung verschwindet. Es gibt zwar auch andere Beispiele gut belichteter Räume, die auch in Untergeschoßen liegen, oft bekommt man aber die Außenstimmung und das Wetter nicht mit. Hier jedoch spürt man es“, so Eder.
Auch die Landesbibliothek soll mehr Licht bekommen, verspricht er: „Die Landesbibliothek war bis jetzt im Dornröschenschlaf. Wir hoffen, dass wir durch den Umbau Licht und Luft ins Haus bekommen, denn die Stimmung ist jetzt sehr düster. Es gibt dort im Moment nun zwei sehr kleine Lichthöfe, die eigentlich kein Licht nach unten bringen.“ Das Raubergassen-Gebäude soll generalsaniert werden und neue Stiegenhauskerne und Lifte bekommen. Das Gebäude in der Neutorgasse wird sich zukünftig in zwei Ausstellungsgeschoße und ein Bürogeschoß gliedern
Sammeln, Bewahren, Forschen und Vermitteln
Zwei der Hauptaufgaben eines Museums sind das Sammeln und Bewahren. Neben dem Ausstellen und Vermitteln sollte aber auch die Forschungstätigkeit nicht zu kurz kommen. Das Museum als Forschungspool zu positionieren ist auch LH Stv.
Kurt Flecker ein Anliegen (siehe Interview). Gekonnt vereint das Schaulager der Architekten Herzog & de Meuron in Basel (2003) die Bereiche Sammeln, Bewahren und Forschen. Es ist zunächst die Antwort auf alte und neue Bedürfnisse zur Aufbewahrung von Werken bildender Kunst. Sein Konzept greift aber weiter: Traditionelle Lager in Museen sind Vorräume, Wartesäle für die Schauräume der Museen. Das Schaulager unterstreicht hingegen, dass Kunstwerke hinter den Kulissen ein eigenes Leben führen. Es hebt die Kistenlager auf und verwandelt die vorläufigen Vorräume in autonome, von Museen unabhängige Einrichtungen mit spezifischen Qualitäten und Funktionen.
Auch die ständige Sammlung des Landesmuseums soll in ähnlicher Art und Weise zugänglich sein, erläutert Eder: „Geplant ist ein zugänglicher Bildspeicher, der es ermöglicht für Forschungsarbeiten den Besuchern Bilder zugänglich zu machen. Sie werden nicht in einem Ausstellungsraum, sondern im Speicher präsentiert. Es ist meines Wissens das erste Museum öffentlicher Hand, das seine ständige Sammlung in Form einer Schausammlung zugänglich macht. Und es ist letztendlich das, was der Gründer dieses Hauses vor hatte, nämlich Sammeln und Präsentieren.“ Das Ziel der Öffnung des Museum formulierte auch Univ.-Doz. Dr.
Dieter Bogner, internationaler Museumconsultant, in seinem Leitbild für das steirische Landesmuseum: „Generell soll das LMJ, welches nach eigenen Angaben zu lange den Grundsätzen Sammeln, Forschen und Bewahren des Stiftungsvertrages verbunden war, geöffnet und gemäß dem letzten der dortigen Begriffe „Vermitteln“ zu einem lebendigen Museum umorientiert werden.
Es bleibt spannend
Die genauen Planungen stehen noch bevor. „Interessant wird es dann, wenn sich das Projekt zu entwickeln beginnt und wir in die Nutzergespräche einsteigen“, so Eder, „da wird sich sicher einiges ändern und man wird genauer auf die Dinge eingehen, die gefordert und gewünscht werden. Joanneum-Intendant Peter Pakesch setzt viel Vertrauen in die erfahrenen Spanier: „Es ist dies ein Leitprojekt für die europäische Museumsszene, einzigartig im Bereich der Universalmuseen. Der sensible Umgang mit den Gegebenheiten, die vernünftigen Raumlösungen, sprich die funktionellen, ästhetischen und städtebaulichen Qualitäten sprechen für dieses Projekt als Krönung der Erneuerung des Landesmuseum Joanneum.“
Die Ausstellung „Museen des 21. Jahrhunderts“ ist noch bis 18. Februar im Lentos Kunstmuseum Linz zu sehen.
Infos:
www.lentos.atwww.nietosobejano.comwww.schaulager.org