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Idomeneo – weder Skandal noch Ereignis |
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Mittwoch, 8. Februar 2006 | |
Einer musikalisch sehr gelungenen, gelegentlich sogar strahlenden musikalischen Premiere von Mozarts „Idomeneo" am 29.1. in der Grazer Oper stand eine Inszenierung – man muss schon sagen: gegenüber, deren intellektueller Ehrgeiz den eigenen Anspruch eher illustrierte als einlöste. Die Regisseure Lisa Stumpfögger und Herbert Kapplmüller schnüren in ihrer Inszenierung das Motivpaket von Mozarts „Idomeneo" weniger auf als dass sie es zusätzlich anreichern. Die Geschichte des Königs von Kreta, der von Troja heim segelnd in Seenot gerät und Gott Neptun für seine Rettung den ersten Menschen, der ihm begegnet, zum Opfer verspricht, bündelt an sich schon viele Motive. Natürlich trifft Idomeneo auf seinen Sohn Idamantes, der seinerseits Ilia, die schon zuvor nach Kreta überstellte Troianerprinzessin liebt, dann ist da noch Elektra, die aus Argos geflohen ist und deren Eifersucht auf Ilia noch durch die Verachtung für eine Kriegsgefangene verstärkt wird. Und der im Meer auf sein Opfer lauernde Gott lässt diese Personen auf eine sehr befremdliche (womöglich entfremdete) Weise miteinander umgehen.
Die Meta-Inszenierung des Regieduos ergänzt den religionsphilosophischen Ansatz des Menschenopfers noch um eine biografische Interpretation (Idomeneo = Vater Mozart, Idamanates = der geniale Sohn) nebst Rezeptionsgeschichte der Oper und barocken Ikonografien. Die tollkühne Dekonstruierung der Story Line bringt dramaturgisch leider wenig Mehrwert. Das Regieduo modelt Mozarts expressive Oper zu einer Ideen-Inszenierung um, die das Verhältnis zu ihrem Thema bei jedem Einfall ändert. Der Besucher wird damit zum Opfer eines Lehrauftrittes in einer späthumanistischen Versuchsschule, für die eine Fülle illustrierender Kostüme und eine hektische Betriebsamkeit der Requisiten – aufgemotzt durch den überflüssigen Einsatz von Video – nötig wird: In Summe altbackene Avantgarde. Dass in dieser Fülle auch vieles glückte, soll dabei nicht verschwiegen werden: Etwa die Lösung, den ausgewogenen, sehr lebendig agierenden Chor in den ersten Besucherreihen zu positionieren; oder das irreale Bild von Elektra (insgesamt sehr expressiv der Sopran von Natalia Dercho), die mit dem Hackebeilchen auf dem Tisch Pediküre betreibt und dabei durchaus eine märchenhafte Tiefenschicht anspricht; überhaupt der Abschnitt vor und nach der Pause, als das Regieduo vorübergehend auf seine Ideen verzichtete und der Oper selbst stärker vertraute. Johannes Chum beeindruckte durch die spielerische Souveränität, mit der er die Titelrolle meisterte. Stephanie Houtzels transparente Fassung des Idamante heimste verdienten Applaus ein und Margareta Klobucar als liebende Ilia gab eine Ahnung von der emotionalen Unmittelbarkeit, die in Mozarts Opera seria steckt. Fast, fast wäre es noch ein großer Abend geworden, wäre Stumpfögger/Kapplmüller zum Ende nicht noch so viel eingefallen. In einem Vorgriff auf „Don Giovanni" mit Höllensturz, Vatermord und barocken Ikonografien kontaminieren sie das eigene Finish. Für erregungsresistente Liebhaber guter Musik, für Studenten zur unvermeidlichen Einübung in die Modernität. Willi Hengstler Weitere Aufführungen: 8., 12. , 15., 26. Februar,. 19 und 26. März, 2., 16., und 29. April.
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