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Kein Kies zum Kurven Kratzen – InterACT mit Elan in die politische Zielgerade |
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Der Hang zum Kreieren neuer Begriffe ist in unserer Gesellschaft groß, und diesem Drang wird auch um den Preis absurder Begriffskreationen nachgegeben. Einer dieser Begriffe lautet: „Neue Armut". Dahinter steht die traurige Tatsache, dass derzeit 150.000 SteirerInnen armutsgefährdet sind.
Politiker diskutieren. Vielfach wurde über die „neue Armut" bereits in der hiesigen Presse berichtet, vielfach diskutierte die Politik über das doch recht alte Problem, und auch an Statements von KünstlerInnen mangelte es nicht. Die leider fortwährende Aktualität des Problems in Verbindung mit der starken Arbeitslosigkeit in der Steiermark legitimiert jegliche Diskussionen und Aktionen, die das Thema aufgreifen, setzt aber noch lange keinen Richtwert über politische bzw. soziale Effizienz oder künstlerische Qualität fest. InterACT agiert. Erfreulicherweise ist es dem Team rund um Michael Wrentschur, dem künstlerischen Leiter von InterACT, gelungen, Kunst und soziales Anliegen in sein Projekt forum.findet.stadt.07 zu integrieren, das nach Vorbild des Legislativen Theaters entwickelt wurde. Ab Anfang Mai wurde durch Straßentheateraktionen das Problem Armut von unterschiedlichen Seiten beleuchtet und als Tabuthema, als Folge von Schuldenfallen etc. dargestellt. In einem nächsten Schritt entstand als Produkt eines einwöchigen Workshops mit Betroffenen das Theaterstück Kein Kies zum Kurvenkratzen, das am 1. Juni im Grazer Theater im Keller Premiere hatte. Im Sinne des interaktiven Forumtheaters geht es in diesem Stück nicht nur darum, den Zuseher zu unterhalten, wachzurütteln und zum Denken anzuregen, sondern auch darum, ihn zu animieren, selbst nach Lösungen zu suchen, und seine Vorschläge gleich aktiv auszuprobieren. Nur ein Happy Start. Die finanzielle Situation der Familie Schmölzer verschlechtert sich innerhalb von vier Jahren drastisch, zum Schluss sind die Eltern arbeitslos und geschieden, die 17-jährige Tochter muss neben der Schule Prospekte austeilen und kellnern, die 27-jährige Tochter, mit der seit Jahren kein Kontakt besteht, soll die Sozialhilfe des Vaters zurückzahlen – und dann wird auch noch der Kredit fällig gestellt. Die Bandbreite an Emotionen, die im Zuge einer solchen finanziellen Notlage entstehen, ist groß: Verzweiflung, Hoffnung/slosigkeit, Sinnfragen, Frustration durch fehlende oder falsche Hilfestellungen, Schande, Isolation, Verletzung von Stolz und Menschenwürde. Ein kreativer Re-Start. Das Stück beginnt von vorne, aber mit neuen Regeln: Die ZuseherInnen dürfen dem Stück neue Wendungen geben, indem sie eines der Familienmitglieder ersetzen und die Szene weiterspielen. Hoch aktiv zeigte sich dabei das Premierenpublikum, das zu rund 15 neuen Auflösungen der Situation beitrug. Souverän moderiert wurde dieser unübliche Ablauf eines Theaterabends von Michael Wrentschur selbst. Hoffentlich ein Nach-Spiel. Da dieser Abend nicht nur individuelle Veränderung provozieren will, sondern auch einen gesellschaftspolitischen Auftrag für sich in Anspruch nimmt, wurden am Ende des nunmehr veränderten Stücks Zettel ausgeteilt, auf denen das Publikum Vorschläge und politische Forderungen zur Bekämpfung der Armut manifestieren konnte. Diese werden den politischen VerantwortungsträgerInnen übergeben – „mit Nachdruck", wie es so schön im Programmheft heißt. Man kann nur hoffen, dass sich die PolitikerInnen nicht an diesem Versatzstück politischen Vokabulars orientieren, und dass sich der Erfolg der Theaterprojekte in der politischen Umsetzung wiederholt. Nachwirkungen zeigte Kein Kies zum Kurvenkratzen jedenfalls beim Premierenpublikum, das nicht so schnell wie üblich vom Inhalt des Stückes zum Small Talk wechseln wollte und vor allem: nicht konnte. Maria Kravanja Weitere Termine im Theater im Keller: 12. und 13. Juni, 20:00 Die Termine in den Regionen finden Sie im KORSO-Kulturkalender in der Rubrik Literatur, Theater, Kabarett.
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