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Steirische NGOs fordern: Investitionen in die Zukunft statt Sparefroh auf immerdar
Archiv - Soziales
ImageEin Kommentar von Christian Ehetreiber

Mag. Christian Ehetreiber, geb. 1963, ist GF-Obmann der überparteilichen ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus.

Erinnern wir uns: Die Steirische Volkspartei pries im LT-Wahlkampf 2005 ihre sechzigjährige Erfolgsgeschichte für die Steiermark. Die SPÖ versprach sogar „Vieles anders, Vieles besser", sollte sie erstmals seit 1945 den Landeshauptmann stellen.

Beide Parteien umwarben gerade im Wahljahr die steirischen NGOs und lobten deren mehrfachen Nutzen für die SteirerInnen. Ein Jahr danach ließ Finanzlandesrat Christian Buchmann freilich die Katze aus dem Sack, indem er ankündigte, „alle Förderungen um 40% zu kürzen". Das Szenario glich einem Italo-Western: Ohne vorherige Gespräche mit den Geschäftsführungen der NGOs präsentierte der Finanzlandesrat seine Kürzungsgelüste, die zu einem Verlust an notwendigen Leistungen für benachteiligte Personen, zur Vernichtung von Tausenden Arbeitsplätzen und zur Schwächung der steirischen Wirtschaft führen. Proteste von SPÖ, KPÖ und Grünen zwangen Buchmann zum Zurückrudern. Doch „keine Kürzungen der Vereine" im Landesbudget 2007 vorzunehmen, bedeutet inflationsbedingt trotzdem Kürzungen. Worin zeigt sich bei Nichtkürzung das versprochene „Vieles anders, Vieles besser"? Wie kann ein 60-jähriger Erfolgsweg bereits ein Jahr danach zu so leeren Kassen führen? Sollten sich die Frohbotschaften der Wahlwerbung einmal mehr als Drohbotschaften entpuppen?
Den VorausdenkerInnen in steirischen NGOs war jedenfalls nach über zehn Jahren unentwegter Sparefrohpolitik von Brüssel über Wien bis Graz der Geduldsfaden gerissen. Sie schlossen sich zu einer Überparteilichen Plattform für den vermehrten Mitteleinsatz des Landes Steiermark im steirischen Vereinswesen zusammen, um das Land Steiermark mit einer offensiven Argumentation für ein beherzteres Investment zu gewinnen.
Steirische NGOs sind keine Bittsteller, sondern professionelle Erbringer von notwendigen Leistungen für unser Bundesland. Ob Kinderbetreuung, Rettungsdienste, Sucht- und Gewaltprävention, Gesundheitsförderung, Alten- und Behindertenbetreuung, Menschenrechts- und Friedensarbeit, Frauen-, Kultur- und Umweltprojekte oder Angebote der aktiven Arbeitsmarktpolitik: Die Leistungspalette der steirischen „Social-Profit-Unternehmen" ist gut ausdifferenziert, erbringt einen mehrfachen Nutzen für die verschiedenen Zielgruppen und ist in Anbetracht sich verschärfender gesellschaftlicher Polarisierungen nicht wegzudenken. Die NGOs tragen bei zu mehr Lebensqualität und sozialer Sicherheit. Überdies sind sie ein demokratiepolitisches Korrektiv zu Politik, Medien oder Wirtschaft und bieten Raum für demokratiepolitisches Handeln und soziales Lernen.
In fast allen Arbeitsbereichen ist ein erhöhter Finanzierungsrahmen der öffentlichen Hand erforderlich, um Bedarf und Nachfrage endlich abdecken zu können. De facto herrscht seit über zehn Jahren Mangelwirtschaft, indem kaum einmal 100% der benötigten Finanzen bereitgestellt werden, zumeist nur Ein- statt Mehrjahresverträge für Regelleistungen gewährt werden oder Valorisierungen im doppelten Wortsinn ein Fremdwort für Fördergeber sind. Die Plattform führt folgende Argumente ins Treffen:

o Steirische NGOs erbringen eine qualitätsvolle Leistungspalette für die SteirerInnen: Eine Kürzung der Budgetansätze würde den meist eingeschränkten Zugang zu diesen Leistungen reduzieren und zu Lasten der Lebensqualität der Betroffenen gehen.

o Das steirische Vereinswesen gehört zu den größten ArbeitgeberInnen in unserem Land. Kürzungen bedeuten daher einen Verlust von Tausenden Arbeitsplätzen.

o Das Vereinswesen bezieht Produkte von steirischen KMUs. Eine Kürzung bedeutet daher eine Auftragsreduktion für die steirische Wirtschaft.

o Kürzungen gefährden die Vereinsstrukturen in ihrer Substanz. Der Neuaufbau ist zumeist kostspieliger als der Ausbau bestehender Strukturen.

o Kürzungen führen auch zur Reduktion von EU- und Bundesmitteln aufgrund des üblichen Kofinanzierungsmechanismus.

o Kürzungen bedeuten schlichtweg Innovationsverlust: Wer anders als NGOs haben die innovativen Dienstleistungen erdacht und umgesetzt? Kariesprophylaxe, Schulsozialarbeit, Programme zum Nachholen versäumter Basisbildung, Jugendarbeit in den Fachstellen oder Arbeitsmarktprojekte für benachteiligte Zielgruppen sind nur einige Highlights der Innovationskraft der NGO´s.

Geld für die NGOs ist mehr vorhanden als je zuvor, es bedarf bloß neuer Prioritätensetzungen im Landesbudget, indem jene Bereiche eingespart werden, die Förderungen trotz Marktfähigkeit mit Lobbies ertrotzen. Wozu müssen Tiefgaragen, Forststraßen, Prunk- und Protzbauten für Prestigesucht mit knappem Steuergeld finanziert werden, wenn gleichzeitig Deutschkurse für MigrantInnen, Arbeitsmarktprojekte für Langzeitarbeitslose oder soziale Beratungs-, Betreuungs- und Therapieangebote um ihre Existenz fürchten müssen? Bereits eine Akzentverschiebung von „heiligen marktfähigen Kühen" zu den für benachteiligte Personen wichtigen sozialen Dienstleistungen könnte ohne Mehrbelastungen zu mehr Mitteln für die NGOs führen, damit noch mehr SteirerInnen davon profitieren.
Die Plattform appelliert an die Landesregierung, die Ermessensförderungen nicht nur nicht zu kürzen, sondern im Gegenteil: nachfrage- und bedarfsgerecht auszubauen. Die Grazer Gemeinderatswahl wirft nämlich im Falle von Kürzungen schon jetzt lange Schatten, die kongruent sind mit dem Langzeitgedächtnis von Tausenden NGO-MitarbeiterInnen, die sich an Wahlversprechen gut erinnern können und ihr jeweiliges Votum von der Glaubwürdigkeit der Parteien abhängig machen werden.
Die NGOs sind wichtig für das soziale Kapital unseres Landes, ein Standortfaktor für mehr Lebensqualität und Sicherheit. Für die Umsetzung des Strategieziels vermehrter Fördermittel für das Notwendige steht die Plattform der Landesregierung gerne beratend zur Seite, um im Dialog innovative Wege gemeinsam zu beschreiten.

1 Zur vertiefenden Lektüre zu empfehlen: Ludwig Kapfer (Hrsg.): Common Win Organisations of Styria. Graz: Kompetenz Verlag 2001.

Plattform für den vermehrten Mitteleinsatz des Landes Steiermark im steirischen Vereinswesen
c/o ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus
Karmeliterplatz 2
8010 Graz
Tel.: 0316/877-2907
FAX: 0316/877-5839
christian.ehetreiber@argejugend.at

Die Resolution ist nachzulesen auf der Website von www.argejugend.at und wurde bislang unterzeichnet und mitgetragen von folgenden Einrichtungen (weitere UnterstützerInnen sind herzlich zur Unterzeichnung eingeladen):
Verein Zebra, Edith Glanzer / ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus, Christian Ehetreiber / Aktion Spielbus, Lore Rieper / AUGE Steiermark, Ilse Löwe-Vogl / Culture Unlimited, Isabella Holzmann / LOGO Jugendmanagement Gmbh, Stefan Perschler / Männerberatung, Christoph Lins / Theater Mundwerk, Nadja Brachvogel und Martin Horn / Werkraumtheater, Rezka Kanzian / Das andere Theater, Gernot Rieger / Impuls Bad Aussee, Alexander Buschenreiter / Quempas - acting a-cappella - Spartenübergreifender Kulturverein für Weiber auf der Bühne, Lisl Nußhold / Helping Hands Graz, Daniela Grabovac / yougend.st, Christine Schwetz / Fratz Graz, Ernst Muhr / ÖKO-Service GmbH, Christian Krizanic / Brigitte Hinteregger, unabhängige Frauenbeauftragte der Stadt Graz / PASCH, Peter Tarkusch / SALE Projektmanagement, Angelika Truppe / Patchwork-Familien-Service, Margit Picher / JUZ Explosiv, Rene Molnar / b.a.s. – Steirische Gesellschaft für Suchtfragen, Manfred Geishofer / Steirischer Dachverband der offenen Jugendarbeit, Florian Arlt / Interact, Michael Wrentschur / Hazissa, Yvonne Seidler / Kinderbüro, Bernhard Seidler / Afro-Asiatisches Institut, Angelika Vauti-Scheucher / ETC Graz, Wolfgang Benedek und Klaus Starl / ISOP GmbH, Robert Reithofer und Brigitte Brand / Forum Politische Bildung, Peter Scheibengraf und Kurt Reichenauer / Verein CLIO, Heimo Halbrainer / Verein Xenos, Joachim Hainzl / THEKLA - die Lobby für Frauen (Verein Frauenhäuser Steiermark, Angelika Ratswohl / Frauengesundheitszentrum, Sylvia Groth / Frauendokumentationszentrum Graz, Maggie Jansenberger / DANAIDA, Irene Windisch / Frauenservice Graz, Ingrid Franthal und Lisa Rücker / Mafalda - Verein zur Förderung und Unterstützung von Mädchen und jungen Frauen / Peripherie - Institut für praxisorientierte Genderforschung / Tara – Beratung, Therapie und Prävention bei sexueller Gewalt an Mädchen und Frauen)

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