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Slums: Wächst die politische Utopie auf den Müllhalden der Ausgeschlossenen?
Archiv - Eine Welt
Montag, 13. November 2006
ImageSlums in Kenya – weltweit wachsen die Reservate der vom modernen Kapitalismus ins Abseits Gedrängten. Schon in wenigen Jahren sollen weltweit 2 Milliarden Menschen in Slums leben.

Slums sind die wahrscheinlich am schnellsten wachsenden Sozialgefüge auf diesem Planeten. Und sie sind möglicherweise die Keimzellen einer umfassenden Repolitisierung, wie man aus den „Slum Talks" der „Neuen Galerie Graz" folgern kann.

Guatemala City ist eine modernistische Stadt. Lange Baumreihen säumen vier- und mehrspurige Straßen, an deren Rändern geradlinige, glatte Gebäude aller Größenordnungen stehen. Folgt man einer der Straßen in die Hügel, gelangt man zur österreichischen Schule. Von ihr sieht man zu einem steilen Abhang, über dem permanent eine Dunstglocke liegt. Sie wird von Rauch gespeist, der aus einem Netz von Wellblechhütten aufsteigt. Die meisten dieser Hütten liegen am Hügelrücken, nur einzelne sind direkt in den Hang gebaut. Zwischen ihnen laufen Schweine und Hühner umher; quiekend und gackernd und auch aus 500 Metern Distanz noch deutlich zu hören.

Bald zwei Millarden Slum-BewohnerInnen. Trotzdem wirkt diese Slum-Zone der guatemaltekischen Hauptstadt räumlich wie zeitlich entrückt. Fast hat man den Eindruck, in eine andere Epoche oder in ein anderes Universum zu blicken, was offensichtlich nicht nur am tatsächlichen Abstand liegt. Irgendwie sind Slums etwas ganz Eigenes; nicht bloß Ränder oder Anhängsel des Städtischen. Vielmehr scheinen sie eine ganz spezifische Art von Territorium zu sein, das offenbar auch eine große Zukunft vor sich hat: Nichts, so der Kalifornische Stadttheoretiker Mike Davis, wächst nämlich im Augenblick schneller als diese über die ganze Welt verteilten „Un-Orte", als die man Slums auch bezeichnen kann. Schon in 15 bis 25 Jahren werden seiner Darstellung zu Folge annähernd zwei Milliarden Menschen in ihnen ihr Leben fristen. Was es höchst an der Zeit erscheinen lässt, dieses Phänomen einmal ausführlicher zu betrachten.
Genau das hat die „Neue Galerie Graz" unlängst getan. Vorsichtig wurde dort im Rahmen des heurigen „steirischen herbst" damit begonnen, über die drohende „Verslumung" der Welt nachzudenken; u.a. in den so genannten „Slum Talks", zu denen Künstler- wie TheoretikerInnen eingeladen worden waren, um – verteilt über drei Wochenenden Ende September und Anfang Oktober – ihre Slum-Erfahrungen und -Analysen zu schildern.
Allerdings: Wie kann man über etwas reden, das – selbst wenn man davor steht – fern bleibt und sich konsequent den gängigen symbolischen Ordnungen und Begrifflichkeiten entzieht?

Christian Eigner

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